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       # taz.de -- Syrien, Thüringen und Corona: Friedensnobelpreis für die Telekom
       
       > Merkel telefoniert gegen den Krieg, Ramelow gibt Logikrätsel auf. Und in
       > Fußballstadien gibt es virulente Ansteckungsgefahren jenseits von Corona.
       
   IMG Bild: Denkt sicher nicht an ihre Telefonrechnung: Angela Merkel
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: „Deutscher Mundschutz nur für Deutsche“.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       [1][Ramelow] zeigt vorbildliche Corona-Vorbeugung beim Nichthandschlag.
       
       An der griechisch-türkischen Grenze frieren Tausende Flüchtende, auf sie
       wird mit Gummigeschossen und Tränengas geschossen. An wen kann die [2][EU]
       jetzt ihren Friedensnobelpreis abgeben? 
       
       An die Telekom. Oder wer immer die Leitungen für „Merkel telefoniert mit
       Erdoğan“, „Merkel telefoniert mit Putin“ bereitgestellt hat. Noch mal
       langsam: Trump lässt die Kurden fallen, Erdoğan kann gegen die Kurden
       losmarschieren, Putin versucht Erdoğan zu domestizieren, Erdoğan provoziert
       Nato-Fiasko und Flüchtlingselend. Okay, man könnte sich auch mal an einen
       Tisch setzen und eine europäische Friedenskonferenz abhalten. An dem Tisch
       allerdings säße, Stand heute, Putin, Trump aber nicht – und das trauen sich
       die Europäer nicht. Noch.
       
       Nach der Wahl Bodo Ramelows zum Ministerpräsidenten von Thüringen
       verweigerte der Faschist Björn Höcke den Handschlag. Nun hat er für den
       AfD-Vizepräsidenten Michael Kaufmann im Thüringer Landtag gestimmt.
       Verstehen Sie das? 
       
       „Ich verweigere den Parlamentsrechten der AfD nicht meine Stimme“, sagte
       Ramelow – ein Logikspaß für die ganze Familie. Gäbe es ein Recht auf einen
       Vize, müsste man das nicht abstimmen – stimmt man es ab, ist es kein Recht.
       Das zweite Argument, die AfD blockiere im Gegenzug die Wahl von Richtern
       und Staatsanwälten nicht, klingt nach blankem Deal. Vize Kaufmann erhielt
       45 Stimmen, das hätten AfD (22), CDU und FDP (26) allein zustande gebracht
       – was die AfD auch behauptete. Ramelows Stimme war also wumpe, sein
       offensives Outing lädt zu Spekulationen ein. Staatsmännische Geste? Werbung
       um AfD-Sympathisanten? Erster Sieger im Thüringer Regionalentscheid „Mit
       dem Arsch umreißen, was man mit den Fingern hingestellt hat“? Es ist
       verletzend für viele seiner Unterstützer und hat was von
       Selbstverstümmelung.
       
       In Israel hingegen ist die Parlamentswahl zum gefühlt drölfzigsten Mal
       wiederholt worden. Wäre das nicht ein Modell für westliche Demokratien, so
       eine Art permanentes Plebiszit? 
       
       Stichwort Thüringen: Hier hat sich zwischen der Wahl und heute so viel
       bewegt und entblößt, dass man eine schnelle Neuwahl damit begründen kann.
       In Israel gemahnt es hingegen eher an den Klassiker „So lange wählen
       lassen, bis einem das Ergebnis passt“. In der deutschen Geschichte gilt
       dieses Stotterwählen als Tumormarker der Weimarer Republik. Also zumeist
       Gemeingut – reißt euch zusammen und macht was aus dem Votum. Modischer Hohn
       auf die Pirouetten der SPD einerseits, Frontalblamage der FDP andererseits:
       Das zersplisste Bundestagswahlergebnis 2017 führte zu einer Regierung, von
       der man mal besser sprechen wird als heute. Doch keine Sorge, alsbald die
       CDU einen neuen Chef hat, steigen die Chancen auf vorzeitige Neuwahlen auch
       hier.
       
       Nach diesem „Winter“ müssen wir das erste Mal ohne einen neuen Jahrgang
       Eiswein auskommen. Greta hin oder her, das geht doch jetzt wirklich zu weit
       mit Klimawandel, oder? 
       
       2017 loderten besinnliche Kerzenfeuer in Obstbaumplantagen, damit im späten
       Aprilfrost die Blüte nicht erfror. Nun bieten sich Kühlschränke für Winter
       an. Ist die Natur doch selber schuld, wenn wir noch mehr Energie vergeuden.
       
       In Pforzheim will die Polizei stärker gegen die Ultraszene des 1. CfR
       Pforzheim vorgehen. Geht es nach dem Polizeisprecher, sollen vermeintlich
       linksradikale Aussagen wie „Willkür nimmt seinen Lauf“ oder „Gemeinsam
       gegen Polizeigewalt“ im Pforzheimer Stadion verboten sein. Fühlen Sie sich
       im Stadion überhaupt noch sicher? 
       
       Warten wir auf das Statement der „Arbeitsgemeinschaft kritischer
       Nationalsozialisten in der AfD“, erwartbar sinngemäß: „Was issen da dran
       links?“ In der wirren Wunderwelt der Pforzheimer Polizei nämlich ist
       „Kapitalismuskritik, solange sie nicht ins Beleidigende ausschlägt“ nicht
       linksradikal, Kritik an der Polizei hingegen schon. Es verleitet zu
       morastigen Spekulationen, wenn die Polizei Kritik an ihrem Vorgehen nur von
       links kennt. Wie läuft’s denn so zwischen Uniformierten und Stadion-Nazis?
       
       Am Sonntag war Internationaler Frauentag. Waren Sie auch demonstrieren? 
       
       Warum sollte ich gegen den Frauentag demonstrieren?
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Beim Auflaufen im Gladbacher Borussenpark demonstrierten die Aktiven einen
       coronös korrekten Ellbogen-Bump zur Begrüßung statt Handschlägen. Nach dem
       Spiel liefen sie mit getauschten nassen Trikots Arm in Arm zu den Fans.
       Hoffentlich respektiert das Virus das.
       
       Fragen: paw, krt
       
       8 Mar 2020
       
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