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       # taz.de -- Kirche entfernt diffamierendes Bild: NS-Gemälde fliegt raus
       
       > Das 1938 in die Kirche der Alsterdorfer Anstalten gefräste Altarbild, das
       > Behinderte diffamiert, wird herausgetrennt und draußen wieder
       > aufgestellt.
       
   IMG Bild: Diffamierend: Behinderter ohne Heiligenschein auf dem Altarbild von 1938
       
       Hamburg taz | Jetzt kommt es endlich weg: das seit Jahren ungeliebte
       Altarbild der 1889 erbauten St. Nicolaus-Kirche auf dem Gelände der
       [1][Evangelischen Stiftung Alsterdorf]. Seit einer Renovierung 1938
       verdunkelt es die früher durch ein Fenster erhellte Ostwand hinter dem
       Altar mit einem Sgraffito – einem ins Zement der Rückwand geritzten Bild
       der NS-Zeit.
       
       Im Zuge der in diesem Mai startenden erneuten Renovierung soll es
       herausgestemmt, gewendet und wenige Meter weiter draußen aufgestellt
       werden. Damit man es von Nahem betrachten kann, wird es etwas niedriger
       stehen, in einer von einem Podest aus einsehbaren Grube. Es wird also nicht
       nur vom Gottesdienstbesucher weggedreht, sondern auch „tiefer gelegt“. Ein
       starkes Symbol. Die Zeit der wechselnden Vorhänge – verzweifelte
       „Gegenkunstwerke“ der letzten Jahrzehnte, die Teile des Bildes meist
       sichtbar ließen – ist damit vorbei.
       
       Was so problematisch ist an dem Bild? Man erkennt es nicht sofort, zeigt es
       doch Christus am Kreuz, umringt von mehreren Personen, darunter
       Anstaltsgründer Heinrich Matthias Sengelmann, der erste Anstaltsbewohner
       Carl Koops, ein behindertes Baby sowie eine Krankenschwester, die einen
       behinderten Erwachsenen hält.
       
       Zwölf der 15 Abgebildeten tragen einen Heiligenschein. Die drei Behinderten
       nicht. „Solch ein Bild an diesem Ort ist unerträglich“, sagt Michael
       Wunder, Leiter des Beratungszentrums Alsterdorf. Er bemerkte das Bild als
       erster, erforschte es und schrieb 1987 ein Buch darüber, nachdem dort
       jahrzehntelang Gottesdienste gefeiert worden waren. Wunder bemerkte auch,
       dass das Bild der NS-Ästhetik und -ideologie frönt: Christus ist nicht, wie
       in der Bibel, leidendes Opfer, sondern Triumphator und starker Sieger.
       
       ## „Arischer“ Johannes
       
       Auch die Physiognomie des trauernden Johannes – blond, bärtig, muskulös –
       könnte „arischer“ nicht sein. Dazu die auf Kreuzigungsbildern unüblichen
       weißen Gewänder, „heidnischen“ Druidenkostümen gleich.
       
       All das passt zur politischen Gesinnung dessen, der das Bild großteils
       selbst schuf: Pastor Friedrich Lensch, von 1930 bis 1945 Alsterdorfer
       Anstaltsleiter, SA-Mitglied, der NSDAP sehr zugetan und [2][Befürworter der
       Zwangssterilisation]. Sein Altarbild enthüllte er 1938, zum 75-jährigen
       Jubiläum der Alsterdorfer Anstalten vor NS-Granden, darunter Hamburgs
       [3][Gauleiter Karl Kaufmann].
       
       Die Botschaft des Kunstwerks, sagt Wunder, sei allerdings ambivalent.
       „Einerseits sagt es: Wir halten die Behinderten fest, behüten sie, und ihr
       Nazis kriegt sie nicht.“ Andererseits suggeriere das Fehlen der
       Heiligenscheine, dass Behinderte nicht dazugehörten und nicht „Gottes
       Kinder“ seien. „Inklusion bedeutet dagegen, dass alle zusammengehören und
       sich auf Augenhöhe begegnen“, sagt Wunder.
       
       Wobei es mit dem „Behüten“ nicht weit her war: Nicht nur, dass Lensch
       Zwangssterilisationen durchführen ließ. Er verhinderte auch nicht, dass
       Oberarzt Gerhard Kreyenberg viele Menschen auf die „Meldelisten“ zur
       „Euthanasie“ setzte. Dass sie in den berüchtigten „Grauen Bussen“ abgeholt
       und 511 von ihnen in den Tötungsanstalten der Aktion „T4“ umgebracht
       wurden, wusste er.
       
       „Abgesehen davon war Lensch strammer Antisemit“, sagt Wunder. Schon 1938
       habe Lensch 26 jüdische Insassen vor die Tür gesetzt. Sie wurden in
       „Verwahranstalten“ gebracht, von wo sie in den Tod geschickt wurden. „Dabei
       forderte 1938 noch kein NS-Gesetz, dass Juden aus den Anstalten weichen
       müssten“, sagt Wunder.
       
       All das – einschließlich der Tatsache, dass weder Lensch noch Kreyenberg
       nach 1945 angeklagt wurden – wird künftig in Alsterdorf zu erfahren sein.
       
       ## Zerstören kommt nicht in Frage
       
       Allerdings komme es nicht infrage, das – ohnehin denkmalgeschützte – Bild
       zu vernichten, sagt Wunder. „Es ist das größte erhaltene sakrale
       NS-Kunstwerk, von dem wir wissen.“ Man wolle es auch deshalb erhalten, „um
       uns als Nachfolge-Institution zu unserer Vergangenheit und der damit
       verbundenen Schuld zu bekennen“.
       
       Da man das eingefräste Bild aber nicht einfach abhängen kann, entfernt man
       nun die ganze Wand. An ihre Stelle wird eine Glaswand treten, durch die man
       die Rückseite des draußen platzierten NS-Bildes sieht, beschriftet mit den
       Namen der Alsterdorfer „Euthanasie“-Opfer. Umhegt wird es künftig von einem
       Lern- und Gedenk-Ort, der das Bild sowie die NS-Geschichte der Alsterdorfer
       Anstalten erklärt – mit Videos, Filmen, Info-Stationen. Kirche und Lern-Ort
       sollen Teil der „Straße der Inklusion“ werden, die anhand erhaltener
       Gebäude die Geschichte der Alsterdorfer Anstalten erzählt.
       
       „Gefördert wird das Projekt in Höhe von 14,9 Millionen Euro, darunter 7,5
       Millionen vom Bund und 4,5 Millionen vom Land. Weiteres wird die Stiftung
       zuschießen und akquirieren“, sagt Hanns-Stephan Haas, Leiter der
       Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Er hofft, dass die „Straße der
       Inklusion“ in drei bis fünf Jahren fertig ist. Die Kirche soll möglichst
       schon in einem Jahr wieder offen sein.
       
       12 Mar 2020
       
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       ## AUTOREN
       
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