URI: 
       # taz.de -- Spannung an griechisch-türkischer Grenze: Athen bleibt hart
       
       > Griechenland wird vorgeworfen, Flüchtlinge an der Grenze zur Türkei in
       > ein geheimes Lager abzuschieben. Die Regierung weist das zurück.
       
   IMG Bild: Flüchtlinge inmitten von Schuhen, der vor dem Lager Moria in Lesbos entsorgt wurden
       
       ATHEN taz | Nach zwei relativ ruhigen Tagen an der griechisch-türkischen
       Grenzregion am Fluss Evros, [1][während derer sich der türkische Präsident
       Recep Tayyip Erdoğan mit EU-Funktionären und Angela Merkel traf], hat sich
       ab Mittwoch die Situation wieder verschärft: Griechische Medien zeigten
       [2][Bilder von Flüchtlingen und Migranten], die Feuer anzündeten und
       Molotowcocktails in Richtung griechischer Grenzschützer warfen. Ein
       Dorfbewohner berichtete im Fernsehen, wie zwei türkische Kampfjets den
       griechischen Luftraum verletzt hätten.
       
       Die Regierung in Athen lässt aus der Türkei kommende Flüchtlinge und
       Migranten weiterhin nicht über die Grenze. Am Donnerstag besuchte der für
       die Polizei zuständige Minister Michalis Chrysochoidis die Grenzregion
       zusammen mit Frontex-Exekutivdirektor Fabrice Leggeri. Die
       EU-Grenzschutzagentur hatte Griechenland Unterstützung zugesagt. Nach und
       nach treffen die einhundert versprochenen Frontex-Offiziere an der Grenze
       ein.
       
       Es häufen sich Berichte über Menschenrechtsverletzungen. Zu einem New York
       Times-Artikel, wonach Flüchtlinge an der Grenze an einem geheimen Ort
       festgehalten werden, um ohne Asylverfahren in die Türkei zurückgeschickt zu
       werden, sagte Regierungssprecher Stelios Petsas: „Wie geheim kann so ein
       Ort sein, wenn schon die New York Times darüber berichtet?“ Solche geheimen
       Orte gebe es nicht. Griechenland würde Verfassung, Gesetze und EU-Recht
       achten.
       
       Doch die linksliberale Zeitung Efimerida ton syntakton sieht in Petsas
       Worten ein indirektes Eingeständnis der Existenz des Lagers. Sie verweist
       auf eine [3][Studie] des von der Universität Uppsala koordinierten
       Rechercheprogramms Respond Project, in der es um die Existenz dieses
       geheimen Lagers geht.
       
       ## Kriegsschiff als Flüchtlingsunterkunft
       
       Die Flüchtlinge und Migranten, die nach dem 1. März auf der Ägäis-Insel
       [4][Lesbos] angekommen sind, werden weiter auf einem Kriegsschiff am Hafen
       Mytilini festgehalten.
       
       Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisiert, dass die
       Flüchtlinge und Migranten dort keine Möglichkeit haben, Asyl zu beantragen.
       Das Betreten des Schiffes, auf dem mehr als 450 Menschen untergebracht
       sind, wurde der Organisation verwehrt. Sie beruft sich auf einen syrischen
       Flüchtling auf dem Schiff sowie auf Fotos und Videoaufnahmen.
       
       So sollen dort die Menschen – sie kommen aus Afghanistan, Syrien, Irak,
       Palästina, Kongo und anderen afrikanischen Ländern – auf dem Boden schlafen
       müssen. Tagsüber würden sie an den Hafen und nachts wieder auf das Schiff
       gebracht, einschließlich Kinder und schwangerer Frauen.
       
       ## Katastrophale Zustände schüren Virusängste
       
       Wer in Lesbos vor dem 1. März – dem Tag, als Griechenland in Reaktion auf
       Erdoğans Grenzöffnung die Flüchtlingspolitik verschärfte – angekommen ist,
       muss weiterhin im überfüllten Lager Moria ausharren.
       
       Die katastrophalen Zustände dort schüren auf der Insel Ängste, dass sich
       das längst auch in Griechenland angekommene Coronavirus auf Lesbos
       unkontrolliert ausbreiten könnte. Bisher wurde erst eine Frau aus einem Ort
       35 Kilometer von Moria entfernt positiv getestet. Sie hatte eine
       Pilgerreise nach Israel unternommen.
       
       12 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Erdoan-trifft-EU-Spitze/!5670274
   DIR [2] /Gefluechtete-an-der-EU-Aussengrenze/!5667063
   DIR [3] https://www.respondmigration.com/blog-1/border-regime-poros-detention-facility-evros-greece
   DIR [4] /Auseinandersetzungen-auf-Lesbos/!5670004
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rodothea Seralidou
       
       ## TAGS
       
   DIR Griechenland
   DIR Türkei
   DIR Flüchtlinge
   DIR Lesbos
   DIR Frontex
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Griechenland
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Türkei
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Minderjährige Geflüchtete
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Flüchtlinge
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Corona in Griechenland: Kein Gottvertrauen mehr
       
       Die Regierung zieht die Reißleine. Bis Monatsende darf kein Gottesdienst
       mehr stattfinden. Dem Klerus und vielen Gläubigen geht das gegen den
       Strich.
       
   DIR Abschiebungen nach Afghanistan: Zurück in den Krieg
       
       Die Corona-Krise übertönt alles. Fast unbemerkt werden ein Dutzend gut
       integrierter Afghanen zwangsweise ins Krisengebiet abgeschoben.
       
   DIR EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei: Geld gegen Geflüchtete
       
       Die EU dürfe sich nicht erpressen lassen, heißt es. Doch die Europäer
       bleiben bei ihrer Politik und versprechen Erdoğan Geld für dichte Grenzen.
       
   DIR Aktivist über Hilfe für Geflüchtete: „Die Menschen müssen da raus“
       
       Mission Lifeline sammelt Geld, um 100 Kinder aus den Lagern auf Lesbos nach
       Deutschland zu fliegen. Der Vorsitzende Axel Steier fordert Unterstützung.
       
   DIR Aufnahme von Flüchtlingskindern: Groko für „Koalition der Willigen“
       
       Union und SPD wollen minderjährige Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen –
       wenn andere EU-Länder mitmachen. Die Details sind noch vage.
       
   DIR Griechenland und die Flüchtlinge: Hart an der Grenze
       
       Griechische Truppen gehen mit Gewalt gegen Flüchtlinge vor, die aus der
       Türkei kommen. Die Soldaten erfahren im eigenen Land viel Zuspruch dafür.
       
   DIR Flüchtlingspolitik der EU: Der Kollaps des Flüchtlingsregimes
       
       Wenn wichtige Akteure wie die EU das Völkerrecht mit Füßen treten, hat das
       Signalwirkung – nach innen und nach außen. Das ist fatal.