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       # taz.de -- Kopftuch-Urteil des Verfassungsgerichts: Wie in Polen und Ungarn
       
       > Karlsruhe billigt ein Kopftuchverbot für Richterinnen. Damit schützt es
       > die Mehrheit, nicht die Grundrechte.
       
   IMG Bild: Erst ausgrenzen, dann über Rassismus wundern
       
       Warum haben wir [1][ein Verfassungsgericht]? Damit die Grundrechte des
       Einzelnen auch gegen Gesetze der Mehrheit geschützt werden. Gerade weil
       sich die Mehrheit gern dadurch Akzeptanz verschafft, dass sie unbeliebte
       Minderheiten drangsaliert, ist die Kontrolle durch ein Verfassungsgericht
       notwendig, um die Rechte von Minderheiten zu sichern.
       
       Nun hat das Bundesverfassungsgericht akzeptiert, dass in Hessen
       Richterinnen das Tragen eines muslimischen Kopftuchs [2][verboten werden
       darf]. Das ist ein Gesetz, das erkennbar darauf abzielte, Musliminnen
       auszugrenzen. Doch das Bundesverfassungsgericht hat dies nun gebilligt. Der
       Staat habe hier einen Einschätzungsspielraum.
       
       Mit derartigen Entscheidungen nimmt sich das Bundesverfassungsgericht
       selbst aus dem Spiel. Es entscheidet nicht im Zweifel für die Grundrechte,
       sondern dient nur noch als Legitimation der diskriminierenden Mehrheit. So
       stellt man sich auch in Polen und Ungarn die Rolle von Verfassungsrichtern
       vor.
       
       Eigentlich waren wir schon weiter. Bei Lehrerinnen und Erzieherinnen darf
       das muslimische Kopftuch nicht mehr pauschal verboten werden, so das
       Bundesverfassungsgericht 2015. Die staatliche Neutralität sei nicht
       verletzt, wenn einzelne Staatsbeschäftigte ein Kopftuch tragen. Es habe
       auch niemand ein Recht, vom Anblick kopftuchtragender Frauen verschont zu
       werden, denn das Kopftuch gehöre in Deutschland zum „gesellschaftlichen
       Alltag“. Aber das war der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts.
       
       Über die Richterinnen entschied nun der Zweite Senat. Er lässt es zu, dass
       Kopftücher auf der Richterbank verboten werden, um das Vertrauen in die
       Funktionsfähigkeit der Justiz zu sichern. Die Sichtbarkeit von Muslimen sei
       geeignet, „das Bild der Justiz in ihrer Gesamtheit zu beeinträchtigen“. Was
       für ein Signal des höchsten deutschen Gerichts sieben Tage nach den
       antimuslimischen Morden von Hanau. Wer [3][Diskriminierung] von oben
       zulässt, braucht sich über den tödlichen Rassismus von unten [4][nicht zu
       wundern].
       
       27 Feb 2020
       
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