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       # taz.de -- Fatshaming trifft vor allem Frauen: Deine Mudder ist so fett
       
       > Frauen, die nicht dünn sind, bekommen oft hässliche Kommentare zu hören.
       > Wieso maßen sich Menschen das Recht an, den Körper anderer zu beurteilen?
       
   IMG Bild: Ob sie so richtig ist, entscheidet sie allein
       
       Deine Mudder ist so fett, die schwitzt beim Kacken. Boah, siehst du die
       Hässliche da drüben? Krass, ist die fett, die frisst bestimmt nur
       Schokolade und Pommes. Du treibst keinen Sport, oder? Aber Übergewicht ist
       doch so ungesund! Hast du es schon mal mit
       Schlankimschlafpaleoweightwatchersmonddiätkohlsuppenintervallfasten
       probiert? Fuck you very much.
       
       Dicke Frauenkörper werden in unserer Optimierungsgesellschaft ständig
       gescannt und mit einem Ideal verglichen. Ein wertvoller Frauenkörper liegt
       irgendwo zwischen Kleidergröße 34 und 38, hat die richtigen Rundungen an
       Arsch und Titten, aber bitte kein überschüssiges Fett. Er ist gesund, kann
       gesunde Kinder zur Welt bringen, hat sich aber nach der Geburt sogleich
       wieder in seine ursprüngliche Form zurückzuverwandeln.
       
       Spätestens ab Kleidergröße 40 beginnen die gut gemeinten Ratschläge zur
       Gesundheit – und die Witze, bei Erwachsenen eher hinter dem Rücken. Dünne
       Menschen verspüren aus unerfindlichen Gründen das drängende Bedürfnis,
       dicken Menschen zu sagen, dass sie dick sind.
       
       Als wüsste das nicht jede und jeder, der einmal mit breiteren Hüften und
       Oberschenkeln versucht hat, in eine Röhrenjeans bei H&M zu schlüpfen. Als
       würde einem nicht auf jedem Werbeplakat, in von Heidi Klum moderierten
       Modelcastingshows oder in Klatschzeitschriften die immer gleiche Körperform
       als Ideal vorgeführt. Trotzdem fühlen sich die Hinweisgeber*innen im Recht.
       
       ## Den Körper lieben
       
       Die Dicken könnten ja abnehmen. Sie könnten ihren Körper optimieren und der
       Norm entsprechen. Dass die Frauen, denn es sind vor allem Frauen, deren
       Körpermaße öffentlich diskutiert werden, ihre Rundungen und ihr Fett – also
       sich selbst und ihren Körper – lieben, ist für manche der Kommentator*innen
       nicht vorstellbar.
       
       Einfacher ist es, ihnen Disziplin und Durchhaltevermögen abzusprechen.
       Dicksein ist in unserer Gesellschaft mit negativen Charaktereigenschaften,
       mit Schwäche oder gar Dummheit konnotiert. Gesellschaftliche
       Diskriminierung und Fatshaming sind die Folge. Viele dicke Frauen und
       Mädchen beziehen diese negativen Assoziationen auf ihren eigenen Körper und
       werten sich selbst ab.
       
       Sie können kein positives Gefühl zu ihrem Körper aufbauen. Sie schämen
       sich, was eine erfüllte Sexualität zumindest erschwert. Im schlimmsten Fall
       führt der geringe Selbstwert zu psychischen Erkrankungen.
       
       Das [1][Statistische Bundesamt hat 2019 Zahlen] veröffentlicht. Die Behörde
       geht davon aus, dass 2017 mehr als jeder zweite Erwachsene übergewichtig
       war. Als stark übergewichtig galten 16 Prozent der Erwachsenen. Frauen sind
       seltener übergewichtig als Männer. Nun könnte man darüber streiten, wie das
       Bundesamt Übergewicht definiert. Fest steht aber, Millionen Deutsche sind
       fett, rund, mollig, dick, kräftig, üppig, kurvig oder haben schwere
       Knochen. Fatshaming verletzt all diese Menschen.
       
       ## Dicke Menschen wissen, dass sie dick sind
       
       „If making fun of fat people made them lose weight, there would be no fat
       kids in schools“, [2][hat – der dicke – Moderator James Corden] dazu in
       seiner US-Fernsehshow gesagt. Wenn Witze irgendwie helfen würden, gäbe es
       an Schulen keine dicken Kinder. Mit ungebetenen Ratschlägen ist das
       genauso.
       
       Dicke Menschen wissen, dass ihr Übergewicht ab einer bestimmten Grenze
       (wobei umstritten ist, wo die liegt) zu gesundheitlichen Schäden führen
       kann. Es ist ihnen ebenso bewusst, wie auch Raucher*innen, Solariumfans und
       Bierliebhaber*innen wissen, dass sie ihrem Körper schaden.
       
       Trotzdem dürfen dicke Menschen ihren Körper für seine Rundungen lieben, er
       darf ihnen egal sein und sie dürfen ihn hassen. Sogar alles gleichzeitig.
       Das geht andere Menschen nichts an. Wer sich trotzdem verantwortlich für
       die Dicken und das überlastete Gesundheitssystem fühlt, sollte lieber seine
       eigenen Vorurteile hinterfragen – und auf dumme Kommentare verzichten.
       
       Meine Mudder ist so fett, die tritt dir in deinen knochigen Hintern, wenn
       du nicht einfach mal die Fresse hältst.
       
       Mehr zum Thema Fatshaming lesen Sie im aktuellen Wochenendschwerpunkt der
       taz nord oder am [3][E-Kiosk].
       
       13 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2019/PD19_14_p002.html
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=Ax1U04c4gaw
   DIR [3] /Unser-eKiosk/!114771/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrea Maestro
       
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