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       # taz.de -- Corona und die Öffentlichkeit in Berlin: Eine große Übung in Solidarität
       
       > Die öffentliche Mobilität einzuschränken, ist ein Signal. Sie ganz
       > auszubremsen, geht nicht: zu viele können ihren Job nicht einfach online
       > machen.
       
   IMG Bild: Wenigstens mobil bleiben
       
       Was das öffentliche Leben in dieser Stadt angeht, erleben wir gerade eine
       Art Vollbremsung: Die landeseigenen Theater, Galerien, Museen sind schon
       seit Donnerstagabend zu, die Schulen folgen ab Montag schrittweise,
       angefangen bei den Oberstufenzentren – die Kitas werden nachziehen. Der
       Druck auf die Clubbetreiber und Bars dieser Stadt zum Shutdown steigt
       ebenfalls, und vielleicht hat es sich bei Drucklegung dieser
       Zeitungsausgabe auch schon ganz definitiv ausgetanzt.
       
       Genauso der öffentliche Nahverkehr, die größte Massenveranstaltung dieser
       Stadt: Noch ruckeln und rumpeln die S- und U-Bahnen, die Busse fahren,
       wenngleich man dort seit Donnerstag die Tickets nicht mehr beim Fahrer
       kaufen darf. Und die Fahrgäste scheint die Nähe zum unbekannten
       Sitznachbarn auch nicht sonderlich zu ängstigen – laut einer BVG-Sprecherin
       stelle man jedenfalls fest, dass das Wetter weiterhin der entscheidende
       Faktor für die Auslastung der Züge seien. Der Regierende Bürgermeister
       Michael Müller (SPD) hatte dann allerdings Freitagmorgen erklärt, auch den
       ÖPNV auf ein „Mindestmaß“ herunterfahren zu wollen, wobei man vor allem den
       Schienenverkehr aufrechterhalten will.
       
       Es ist vernünftig, dass der Senat gerade bei den Hauptschlagadern dieser
       Stadt, den S- und U-Bahn-Linien, eben keine Vollbremsung hinlegt. Wer das
       zu zögerlich findet, verwechselt Aktion mit Aktionismus. Denn selbst wenn
       jetzt ganze Unternehmen ins Homeoffice verschwinden: ÄrztInnen,
       PflegerInnen und Feuerwehrleute können ihren Job nun mal nicht online
       abwickeln.
       
       Die öffentliche Mobilität teilweise einzuschränken ist zugleich
       psychologisch ein ziemlich wirkungsvolles Signal: Wer von Kita- und
       Schulschließungen nicht betroffen ist und mit Clubs und Co. nichts am Hut
       hat, mag die ganze Corona-Dramatik vielleicht bisher noch ignoriert haben.
       
       Aber jetzt fährt das Virus auch ganz offiziell Bus und Bahn
       (Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hatte die „Stabilität“ von
       Sars-CoV-2 auf Haltegriffen Anfang der Woche noch in Zweifel gezogen), und
       selbst wer die Panik vor der Lungenkrankheit für überzogen hält, dürfte
       kapiert haben: Es geht hier nicht um den Einzelnen oder um die Frage, ob
       die allermeisten mit ein bisschen Husten davonzukommen scheinen. Es geht
       darum, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, Infektionsketten zu
       verkürzen, sodass eben nicht – wie in Norditalien – die Krankenhäuser
       irgendwann entscheiden müssen, welche Lungenentzündung sie behandeln können
       (und welche nicht).
       
       Und weil es nicht um den Einzelnen geht, ist Covid-19 vor allem eins: eine
       große Übung in Solidarität. Bisher machen das die BerlinerInnen erstaunlich
       gut, übrigens gerade in der Bahn. Da wird sich artig auf Lücke gesetzt,
       wenn es nur irgend geht. Nur den Türknopf, den will keiner mehr so richtig
       drücken, und man kann immer mehr Mitpassagiere dabei beobachten, wie sie
       sich lieber an die Trennwände lehnen, statt den Haltestangen zu nahe zu
       kommen. Klar, da denkt jeder auch an sich. Aber am Ende schützen sich alle
       gegenseitig. Sollten wir beherzigen, auch für eine Zeit nach Corona, die es
       ja geben wird. Die nächste Influenzawelle kommt bestimmt.
       
       14 Mar 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
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