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       # taz.de -- Schulschließungen wegen Coronavirus: Fünf Wochen Zwangsferien
       
       > In fasten allen Bundesländern schließen nun auch die Schulen. Vor allem
       > Abiturient:innen passt das gar nicht in den Kram.
       
   IMG Bild: Ferien oder was? Wegen des Coronavirus bleiben fast alle Schulen in Deutschland geschlossen
       
       Berlin taz | Auf den Montag hatte sich Raphaela Hutter gefreut. Dann hätte
       die 17-Jährige eigentlich wieder in die Schule gedurft. Eine Woche war die
       angehende Abiturientin aus Gauting bei München in Quarantäne, weil sie mit
       ihrer Familie [1][zum Skifahren in Südtirol] war. Doch nun schickt der
       Freistaat Bayern sie für weitere fünf Wochen in die Zwangsferien – frei hat
       sie jedoch nicht.
       
       Ende April will Raphaela ihr Abitur schreiben. Wie sie sich jetzt, isoliert
       zu Hause, gut darauf vorbereiten soll, ist ihr ein Rätsel: „Ich bin echt
       gespannt, ob alles so klappt, wie sich das Kultusministerium vorstellt.“ Ab
       Montag bleiben sämtliche Schulen in Bayern geschlossen, bis Ende der Woche
       hat deutschlandweit fast keine Schule mehr geöffnet. Nur in Hessen und
       Sachsen schließen die Schulen vorerst nicht, allerdings haben beide Länder
       bis zum 18. April die Schulpflicht ausgesetzt.
       
       Derzeit prüfe man, heißt es aus den Kultusministerien, ob Eltern in
       dringenden Fällen ihre Kinder in eine Notbetreuung geben können. Bayern und
       Berlin möchten zudem eine Betreuung für die Kinder von Ärzt:innen,
       Polizist:innen oder anderen „systemkritischen“ Berufen ermöglichen. Manche
       Ministerien haben sogar eigene Corona-Hotlines eingerichtet, um die Fragen
       von Eltern und Lehrer:innen zu beantworten.
       
       Wie viele der Maßnahmen, die in den vergangenen Tagen [2][gegen die
       Ausbreitung des Coronavirus] getroffen wurden, kamen auch die
       Schulschließungen für die Beteiligten recht unvermittelt. Bislang haben die
       lokalen Gesundheitsämter nur dann Schulen geschlossen, wenn dort jemand
       positiv auf das Virus getestet worden ist. Am Donnerstagvormittag gingen
       die Bundesländer noch davon aus, dass [3][„flächendeckende“
       Schulschließungen] nicht notwendig seien.
       
       ## Entscheidung revidiert
       
       In einer Pressemitteilung am späten Nachmittag schlossen die
       Kultusminister:innen diese hingegen schon nicht mehr aus. In der Nacht auf
       Freitag dann verkündete das Saarland als erstes Bundesland, sämtliche
       Schulen und Kitas präventiv zu schließen. Von einer „tiefgreifenden
       Entscheidung“ spricht Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD)
       in einer Stellungnahme. „Ich bin mir darüber vollkommen bewusst. Auch über
       die enormen praktischen Probleme, die das für Eltern und Familien nun mit
       sich bringt.“ Kurz darauf zogen die meisten anderen Bundesländer nach. Am
       Samstag dann stand fest: Ganz Deutschland hat nun Coronaferien.
       
       Es ist eine drastische Maßnahme, mit der die Länder eine nie da gewesene
       Wette eingehen: Fast elf Millionen Schüler:innen sollen über Wochen hinweg
       daheim lernen – und dennoch am Ende des Schuljahrs ihre Abschlüsse machen.
       Auch die Abiturprüfungen sollen wie geplant stattfinden, notfalls mit
       mehreren Nachschreibeterminen.
       
       Und die Hochschulen sollen flexibel mit verpassten Bewerbungsfristen
       umgehen. Darauf haben sich die Kultusminister:innen am Donnerstag geeinigt,
       als sie gemeinsam in Berlin über den richtigen Umgang mit der Epidemie
       beratschlagten. Fast mantrahaft wiederholen sie seither: Wegen Corona soll
       kein Schüler und keine Schülerin einen Nachteil erleiden.
       
       Die angehende Abiturientin Raphaela Hutter ist da skeptisch. Bis zum Abitur
       fehlt noch einiges an Stoff. „Ich fände es unfair, wenn genauso schwer
       geprüft wird wie sonst auch.“ Auch wenn sie noch nicht sicher ist, was sie
       studieren möchte, „vielleicht Theater, vielleicht Psychologie“, weiß
       Raphaela, dass für manche Studienwünsche der Abischnitt entscheidend ist.
       
       ## Wenig Erfahrung mit E-Learning
       
       Mit der digitalen Lernplattform „[4][mebis]“, mit der nach Angaben des
       Bayerischen Kultusministeriums 5.200 der 6.182 Schulen im Land arbeiten,
       hat sich die Schülerin in diesem Schuljahr nur ein einziges Mal
       auseinandersetzen müssen. Weil ein Lehrer krank war, hat er dort
       Arbeitsblätter hochgeladen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es auf
       mebis eine so gute Rückmeldung gibt wie im Kurs“, sagt Raphaela. Außerdem
       seien noch nicht mal alle Klausuren im letzten Halbjahr geschrieben, die zu
       ihrem Abischnitt zählen. Was mit denen sei, weiß sie nicht.
       
       Von ihren Lehrern habe sie dazu noch nichts gehört, sagt sie am vergangenen
       Freitagnachmittag. Erst Freitagmorgen hat Ministerpräsident Markus Söder
       (CSU) die Schulschließungen öffentlich gemacht. Den ganzen Tag über ist am
       Otto-von-Taube-Gymnasium in Taubing für die taz niemand zu sprechen. Die
       Schulleiterin ist in Konferenzen. Krisenmanagement, wie an allen Schulen im
       Land, die nun auf digitalen Unterricht umsteigen müssen.
       
       Auch Jana Klomann wartet seit Tagen gespannt auf Informationen. Seit einer
       Woche lernt die 18-Jährige zu Hause für ihre mündlichen Abiprüfungen in
       Geschichte und Deutsch. Die schriftlichen hat Jana schon im Januar hinter
       sich gebracht, so früh geht das nur in Rheinland-Pfalz. Wenn alles glatt
       läuft, hält sie in weniger als zwei Wochen ihr Abizeugnis in den Händen und
       kann „endlich chillen“, wie sie sagt – vorausgesetzt, sie kann diese Woche
       ihre beiden mündlichen Prüfungen machen.
       
       Doch ob ihre Schule, das Sebastian-Münster-Gymnasium (SMG) in Ingelheim,
       die Prüfungen durchführt, war auch am Freitag – fünf Tage vor dem ersten
       Prüfungstag – unklar. Für Jana und weitere 131 Abiturient:innen am SMG ist
       die Unsicherheit nervenaufreibend: „Man möchte es endlich rumhaben.“
       
       ## Freude auf Prüfungen
       
       Am Samstag dann Erleichterung: Auf der Schulwebsite informiert Schulleiter
       Michael Frings, die Prüfungen durchführen zu wollen. Doch ob die
       Abiturient:innen wie geplant am 27. März ihre Abiturzeugnisse erhalten,
       kann Frings nicht garantieren. Zwar sei an der Schule bisher noch kein
       Corona-Fall aufgetreten, sagt Frings am Telefon. Wenn aber beispielsweise
       die zugeteilten Prüfer:innen erkranken und nicht mehr erscheinen können,
       verändere das die Prüfungssituation schon „erheblich“.
       
       In dem Fall könne der Prüfling mitentscheiden, ob er lieber unbekannte
       Ersatzprüfer:innen haben – oder die Prüfung verschieben möchte. Dass sich
       jemand mit Corona infiziert, sei schließlich nicht ausgeschlossen. In den
       Nachbarorten Bingen, Büdesheim und Bad Kreuznach mussten vergangene Woche
       deshalb Schulen schließen.
       
       Wie die Situation im April und Mai aussehen wird, wenn auch im Rest des
       Landes Abiturprüfungen anstehen, ist derzeit völlig offen. Schulleiter
       Michael Frings wünscht auch den Abiturient:innen, die die Prüfungen noch
       vor sich haben, dass sie gut durchkommen und anschließend keine
       Bewerbungsfristen verpassen. Die Stiftung für Hochschulzulassung – die
       frühere ZVS –, die bis 21. Juli Bewerbungen für ein Studium der Medizin,
       Psychologie oder eines anderen zulassungsbeschränkten Fachs entgegennimmt,
       bestätigte gegenüber der taz, dass sie sich um eine Lösung im Sinne der
       Bewerber:innen bemühen werde.
       
       Sicher ist: Auf ein gewisses Chaos müssen sich die Hochschulen einstellen,
       wenn im kommenden Wintersemester wieder eine halbe Million „Erstis“ das
       Studium beginnen.
       
       16 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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