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       # taz.de -- Debatte um Olympische Spiele: Größer als Olympia
       
       > Das japanische Organisationskomitee und das IOC drücken sich noch um eine
       > Absage der Olympischen Spiele in Tokio. Ihre Ansagen werden aber
       > unklarer.
       
   IMG Bild: Völlig ungefährlich: die Nähe zu den Olympia-Maskottchen Miraitowa (Blau) und Someity (Rosa)
       
       Manchmal kommt es in Ansprachen auf das an, was nicht erwähnt wird. So am
       Anfang der Woche, als Shinzo Abe in einer Videokonferenz mit den
       G7-Regierungschefs von seinen Olympiaplänen berichtete. Scheinbar
       unmissverständlich betonte der japanische Premierminister danach gegenüber
       der Presse: „Ich will die Olympischen und Paralympischen Spiele in ihrer
       Gänze halten, als Beweis dafür, dass die Menschheit das neue Coronavirus
       besiegen kann, und dafür habe ich die Unterstützung der G7-Anführer.“
       
       Was zunächst wie die unerschütterliche Marschroute eines kämpferischen
       Premiers klang, war in Wahrheit eher das Gegenteil. Denn anders als bei
       sonstigen Verkündungen zum Thema erwähnte Abe diesmal nicht, zu welchem
       Datum die Olympischen Spiele stattfinden sollen. Bisher hatte es stets
       geheißen, man bereite sich auf den längst vereinbarten Beginn am 24. Juli
       vor. Für diesen Zeitplan aber hatte Abe den Rückhalt der
       G7-Regierungschefs, die alle daheim gegen Covid-19 ankämpfen, offenbar
       nicht.
       
       Es ist das erste Mal, dass ein Offizieller aus der ersten Reihe nicht auf
       den vor Jahren festgelegten Veranstaltungsplan pocht. Am Dienstag folgte
       dann das IOC mit einem Statement, das auf ähnliche Weise plötzlich
       vorsichtig daherkam. Neben der Erwähnung, dass Covid-19 die ganze Welt vor
       neue Probleme stelle, heißt es darin: „Das IOC bleibt den Olympischen
       Spielen Tokio 2020 völlig verpflichtet, und mit etwas mehr als vier Monaten
       bis zu den Spielen sollten in dieser Situation keine drastischen
       Entscheidungen getroffen werden; und jede Spekulation wäre in diesem Moment
       kontraproduktiv.“
       
       So wird eine Verschiebung der Olympischen Spiele, nachdem dies bisher
       abgelehnt wurde, wahrscheinlicher. Der Schritt seitens der japanischen
       Regierung und des IOC, sich auf solch einen Ausweg vorzubereiten, kommt
       inmitten wachsender Kritik. In Japan, wo fast alle Schulen seit gut zwei
       Wochen geschlossen bleiben und Erwachsene weitgehend im Homeoffice
       arbeiten, ist das öffentliche Leben maßgeblich reduziert. Premier Abe hat
       seine Bevölkerung gedanklich auf einen nahenden Ausnahmezustand
       vorbereitet, zumal das Land laut Analysen den Höchstpunkt an
       Infektionszahlen noch nicht erreicht hat. Derzeit gibt es rund 1.600
       bestätigte Fälle, wobei die Dunkelziffer deutlich höher eingeschätzt wird.
       
       ## Vorwurf der Verantwortungslosigkeit
       
       Hinzu kam diese Tage noch ein besonders prominenter Infektionsfall. Kozo
       Tashima, Präsident des japanischen Fußballverbands, Mitglied des NOK und
       führendes Mitglied des Tokioter Organisationskomitees, ist der erste
       bestätigte Coronakranke unter den Olympia-Offiziellen. Während man sich
       seither fragt, mit wem Tashima zuletzt in Kontakt war, kritisierte das
       IOC-Mitglied Hayley Wickenheiser das bisherige Festhalten am
       Veranstaltungsplan als „verantwortungslos“. Die einstige Eishockeyspielerin
       aus Kanada gab am Dienstag über Twitter zu Bedenken: „Diese Krise ist noch
       größer als Olympia.“ Athleten könnten schließlich nicht einmal mehr
       trainieren.
       
       Tatsächlich ist es schon deshalb schwierig, die Olympischen Spiele wie
       geplant stattfinden zu lassen, weil in diversen Sportarten noch
       [1][Qualifikationsturniere] ausgetragen werden müssten. Derzeit sind laut
       IOC erst 57 Prozent der Athleten qualifiziert. Die verbleibenden
       Startplätze müssten in diesen Wochen vergeben werden. Doch in diversen
       Ländern ist an Sportevents, zu denen auch noch Athleten aus mehreren
       Nationen anreisen müssten, nicht zu denken.
       
       In Tokio sagte diese Woche auch der japanische Turnverband ein
       internationales Turnier für April ab. Anfang der Woche hatte schon der
       nationale Volleyballverband eine Veranstaltung abgesagt, bei der die
       renovierte Ariake Arena im Süden der japanischen Hauptstadt getestet werden
       sollte. Und dies ist nur ein kleiner Ausschnitt von den
       Sportveranstaltungen, die zuletzt entweder verschoben, reduziert, oder ganz
       gecancelt worden sind.
       
       Trotzdem haben die Offiziellen bisher, ihnen voran IOC-Präsident Thomas
       Bach und Premierminister Shinzo Abe, unbeirrt behauptet, dass an den
       Spielen nicht gerüttelt werde. Um dies zu demonstrieren, wurde letzte Woche
       auch mit dem [2][Fackellauf in Griechenland] begonnen. Obwohl dieser wegen
       gesundheitlicher Bedenken doch abgesagt wurde, schickte man die Fackel nach
       Japan, wo der symbolhafte Lauf nun am 26. März von Fukushima aus quer
       durchs Land gen Tokio weitergehen soll.
       
       Dennoch ist der Ausfall oder eine Verschiebung von Olympia durchaus ein
       Thema. Japans Wirtschaftsministerium etwa hat einen Olympiaausfall
       mittlerweile als Szenario für die ökonomische Entwicklung der nächsten
       Monate einkalkuliert.
       
       18 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Olympische-Spiele-und-Coronavirus/!5662394&s=olympische+spiele/
   DIR [2] https://www.faz.net/aktuell/sport/olympia/olympia-und-corona-ioc-praesident-mit-erschuetterndem-bild-16679560.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Lill
       
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