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       # taz.de -- Corona und Sportsender: Schweiß der Vergangenheit
       
       > Wegen der Coronakrise zeigen Sportsender statt Live-Schalten
       > Dokumentationen und alte Highlights. Doch wie lange machen Abonennt:innen
       > das mit?
       
   IMG Bild: Die EM 2020 fällt aus. Wollen Sie stattdessen die WM 1966 sehen?
       
       Die Tour de France 2019, den Giro 2019, die Highlights längst vergangener
       Olympischer Spiele: Wer am Donnerstag [1][Eurosport einschaltete,] sah
       lediglich Veranstaltungen der Vergangenheit. Teilweise laufen sie mehrfach
       diese Woche. Im Programm von Dazn hieß es am selben Tag etwas verlegen:
       „Für diesen Tag sind aktuell noch keine Events geplant.“ Der Live-Sport
       sieht auch dort diese Woche dürr aus, lediglich ein bisschen australischer
       Männerfußball. Sky wiederum hatte sein Online-Programm noch gar nicht
       aktualisiert, es wurden weiterhin Events angekündigt, die gar nicht
       stattfinden.
       
       Der sportliche Kahlschlag durch das Coronavirus trifft vor allem die
       Sender, die ihr Hauptgeschäft mit dem Live-Sport machen. Die Pay-TV-Größen
       Sky und Dazn, aber auch kleinere Player mit Abo-Modell oder einer Mischung
       aus Free TV und Bezahlprogramm, darunter Magenta Sport von der Telekom,
       Eurosport und Sport1. Es ist ein organisatorisches Novum, für das offenbar
       auch die meisten Sender keine Szenarien hatten. Der Sport-Fernsehmarkt
       bewegt Milliarden, aber ohne Live-Produkt ist er schnell hilflos. Nach
       derzeitigen Schätzungen beginnen die meisten Ligen wohl frühestens im Mai
       wieder mit dem Spielbetrieb.
       
       Die Mitteilungsfreudigkeit der Sender ist in diesen Tagen nicht besonders
       ausgeprägt, die Branche improvisiert unter hohem Druck. Eine konkrete
       Beantwortung der taz-Fragen, unter anderem zu finanziellen Verlusten, sei
       „momentan nicht machbar“, heißt es etwa bei Sky. Der Sender teilt mit, man
       werde grundsätzlich „ein vollständiges Programm mit Dokumentarfilmen,
       Programmen in Spielfilmlänge und Archivmaterial anbieten, um die
       verschobenen Live-Events zu ersetzen“.
       
       Weiterhin geht Sky zumindest offiziell davon aus, die Sportveranstaltungen
       würden „zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt“, aber das bleibt fraglich.
       Mit jeder Woche wird das Zeitfenster am Ende der Spielzeit enger, der
       Kundschaft ginge dann das vielzitierte Premium-Produkt verloren; bislang
       gibt es dennoch keine Entschädigung für KundInnen. Spätestens [2][seit dem
       Verlust der Champions-League-Rechte] ringt das kriselnde Sky um die Zukunft
       seines Sport-Geschäftsmodells, das Coronavirus trifft den Anbieter in einem
       ohnehin wackligen Zustand.
       
       ## Chance auf Kreativität
       
       Ebenso in Schieflage aber könnte der [3][zuletzt aggressiv expandierende
       Anbieter Dazn geraten], dessen Dienst durch sein flexibles Abo-Modell
       leichter zu kündigen ist als bei Sky. Seit Jahren macht Dazn Verluste, die
       es sich wohl nur leisten kann, weil es den Milliardär Leonard Blavatnik als
       Investor hat. Wie fast alle Sportsender greift Dazn dieser Tage auf
       Dokumentationen und Wiederholungen zurück; viele Sender kündigen außerdem
       an, mit den Verbänden neue Formate entwickeln zu wollen. Fürs ritualisierte
       Sportfernsehen ist das eine Chance auf Kreativität. Ob und wie die Anbieter
       die restliche Saison überstehen, hängt aber derzeit wohl eher davon ab, wie
       sehr und wie lange das Publikum sich für hastig zusammengestellte Dokus und
       Highlights von früher erwärmt.
       
       Sport1 berichtet auf Anfrage von im Schnitt 210.000 ZuschauerInnen beim
       „Doppelpass Klassiker“, einer Wiederholung von 1995, und einem Marktanteil
       von 4 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe der Männer von 14 bis 49
       Jahren. Die Sportplattform wolle daher weitere alte Doppelpass-Sendungen
       ins Programm nehmen und außerdem etwa Sportdokus und das Dokutainment
       ausbauen. Freilich sind die Zahlen weit entfernt von denen Anfang März, als
       die Männer-Quasselrunde „Doppelpass“, auch bedingt durch die Causa Dietmar
       Hopp, ein Millionenpublikum hatte.
       
       Wie lange die Anbieter ohne Live-Sport durchhalten könnten, und was das für
       die MitarbeiterInnen bedeuten könnte, dazu möchte sich niemand offiziell
       äußern. Vieles bleibt auch für die Sender unsicher. „Unsere Priorität liegt
       auf unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und natürlich auf unserer
       Unternehmensgruppe“, so Michael Röhrig von Sport1.
       
       Magenta Sport sagt auf Anfrage, man äußere sich nicht zu finanziellen
       Kennzahlen, werde aber den KundInnen zunächst für einen Monat die Abokosten
       erstatten und, sollte sich die Entwicklung fortsetzen, „eine faire Lösung
       für die Kunden“ finden. Dazn will eine Entschädigung seiner AbonnentInnen
       zumindest prüfen. Gegen alle Wahrscheinlichkeit drängt unterdessen die DFL
       auf eine baldige Fortsetzung des Fußballbetriebs. Vereine und Sender sind
       einander verbunden in seliger Abhängigkeit vom Produkt. Aber ein Virus
       lässt sich nicht kaufen.
       
       23 Mar 2020
       
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