# taz.de -- Kölner „Tatort“: Wahrheiten über Trennungsfamilien
> Harte Themen, wenig Klischees und viel Gewalt. „Niemals ohne mich“
> handelt von Gewalt in Familien und ist sicher der beste Köln-„Tatort“ sei
> Langem.
IMG Bild: Stress mit dem Jugendamt, das kennen viele, auch Tülay Firat (Yeliz Simsek)
Erst einmal eine Triggerwarnung. In diesem Film gibt es Gewalt gegen
Frauen. Mord an Frauen. Gewalt in der Familie. Verbale Gewalt. Drohungen.
Unterhaltsprellung. Jugendamtszwist.
Und all das spricht nicht gegen diesen „Tatort“. Im Gegenteil, „Niemals
ohne mich“ ist einer dieser Filme, die eine gesellschaftliche Wahrheit über
Familien und Post-Trennung zeigen, die man sich sonst eher auf
Mittwochabenddrama-Sendeplätzen vorstellt, [1][samt „Maischberger“ danach.]
Wer Unterhalt zahlen soll, schummelt sich mit Gehaltstricks dran vorbei,
die Kolleg:innen vom Jugendamt prüfen, konfrontieren, schießen vor, helfen.
Bis eine dieser Amtsmitarbeiterinnen nachts vor ihrem Zuhause erschlagen
wird. Drum, ganz ehrlich: Hier ist dieser Stoff genau richtig, in einem
Format, in dem es explizit um Mord geht. Damit niemand glaubt, hier gebe es
irgendetwas zu verharmlosen.
Um sich gleich mal aus dem Fenster zu lehnen: [2][Es ist sicher der beste
Köln-„Tatort“ sei Langem], den Drehbuchautor Jürgen Werner (ein betörender
Sonderfall der Branche, er hat unter anderem das großartige [3][Dortmunder
„Tatort“-Team] erfunden und diverse „Forsthaus Falkenau“-, „Traumschiff“-
und „Um Himmels Willen“-Folgen auf seinem Konto) und Regisseurin Nina
Wolfrum (ihr erster „Tatort“) hier zusammen abliefern. Dialoge, die subtil
mehr hergeben als nur die Oberfläche, Szenenbilder, die wie nebenbei nicht
nur Nullachtfünfzehn-Optik abliefern; gerade aus Köln, das als
„Tatort“-Stadt bislang locationmäßig abgearbeitet wirkte.
## Schluss mit den Phrasen
Was diesen WDR-Fall so heraushebt: Klischees tauchen nur auf in Phrasen,
die die Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär)
ihren Zeug:innen und Verdächtigen entgegenhalten – und die ihnen dann um
die Ohren gehauen werden. Ganz anders als im furchtbaren ARD-Mittwochsfilm
[4][„Weil du mir gehörst“] Mitte Februar zum gleichen Thema, der die Mutter
als Grund allen Übels zeigte.
Hier aber läuft das so: Warum sie denn mit ihren Kindern nicht in eine
kleinere Wohnung ziehe, fragt das Duo etwa eine Alleinerziehende, der
Kindsvater zahlt nicht, er ist mit 10.000 Euro beim Amt im Rückstand.
Gerne!, pfeffert sie den Kommissaren also entgegen, würde sie sofort
nehmen, aber: „Ich bin alleinerziehend, arbeite im Versandhandel, in Köln
gibt mir keiner ’ne Wohnung.“ Realitätsnah, vorbildlich, mehr davon.
Die Triggerwarnung, sie gilt übrigens bis zur letzten Sekunde, wenn die
Schwarzblende kommt.
22 Mar 2020
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Anne Haeming
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