# taz.de -- In der Corona-Krise: Wenn nur eigene Sorgen zählen
> Wir feiern Skype-Partys, für die Wirtschaft soll es Milliardenhilfen
> geben, Supermärkte bleiben voll. Doch Geflüchtete in Lagern lassen wir
> sterben.
IMG Bild: Kinder im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos
Es ist untergegangen, wie auch nicht, in all den Nachrichten dieser Tage:
Sehr viel weist darauf hin, dass griechische Polizisten in den letzten
Wochen [1][mehrere Menschen an der Grenze zur Türkei getötet haben]. Es ist
nur eine Facette einer flächendeckenden Entrechtung von Flüchtlingen in
Griechenland in diesen Wochen.
Und die EU? Sie müsste ihr eigenes Recht durchzusetzen, das die Flüchtlinge
schützen soll. Doch ein Verfahren gegen Griechenland wird es nicht geben.
Man sei sich „der schwierigen Situation“ auf den Inseln bewusst und
versuche sie zu bessern, hieß es dazu nur am Donnerstag aus Brüssel. Denn
wir haben jetzt eigene Sorgen.
Viele Menschen hierzulande fragen sich, wie sie die soziale Isolation
aushalten sollen. Sie sorgen sich um ihre älteren Verwandten oder um ihre
wirtschaftliche Existenz, oft nicht zu Unrecht. Und trotzdem: Was wir hier
erleben, ist ein Ausnahmezustand de luxe. Es gibt Gratiskonzerte im
Internet und Sondersendungen mit der Maus für die Kinder. Wir feiern
Skype-Partys, der Staat hat eine Art Garantie für volle Supermarktregale
ausgesprochen. Es wird Milliardenhilfen für die Wirtschaft geben, auch wenn
noch nicht ausgemacht ist, wer letztlich etwas von diesen haben wird.
Es geht auch anders. Während hier leere Hallen und Hotels als
Notfallkrankenhäuser aufgebaut werden, betreibt das Gesundheitsministerium
von Griechenland im Lager von Moria auf Lesbos eine Krankenstation mit zwei
Ärzten und einem Psychologen pro Schicht – für über 20.000 Menschen.
[2][Abstand sollen wir hier halten voneinander], zwei Meter am besten. Und
in Moria teilen sich teils fünfzehn Menschen ein Zelt, das aus ein paar
löchrigen Planen besteht. [3][Hände waschen sollen wir], dreißig Sekunden
lang, und ordentlich einseifen. In den Lagern in Griechenland gibt es oft
nicht einmal genug Wasser zum Trinken. Der einzige Weg hinaus führt im
Moment – in den Knast. Dorthin kommen Flüchtlinge, die die Regierung in
Athen von den Inseln evakuiert, um die Lage zu entspannen.
Die Krise, zeigt, was alles möglich ist. Und zwar nicht nur im Schlechten.
Es wird auf die Wissenschaft gehört und danach im Großen und Ganzen
gehandelt, egal, was es kostet. Unsere Sorgen werden ernst genommen. Die
der anderen nicht. In den Lagern in der Ägäis warnen Hilfsorganisationen
vor einem Massensterben. Aber dort sterben die anderen. Unternommen wird
deshalb: nichts.
20 Mar 2020
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DIR Christian Jakob
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