URI: 
       # taz.de -- Buchbranche unter Corona: Die Unabhängigen leiden
       
       > Während die großen Versandhändler von der Krise profitieren, geht es
       > kleinen Buchhandlungen zunehmend schlechter. Ein Verleger berichtet.
       
   IMG Bild: Trotz Coronakrise: Gelesen wird immer
       
       In der Coronakrise machen alle Verluste? Nein, ein paar profitieren davon.
       Und damit sind nicht nur die Nudelhersteller gemeint. Vor allem jene
       Onlineversender, die schon in den letzten Jahren massiv gewachsen sind,
       profitieren von der Krise.
       
       Verweilen wir zunächst bei denen, die gerade Verluste machen. Vor allem
       leiden im Moment selbstständige Künstler:innen, Autor:innen und
       Wissenschaftler:innen, denn [1][Veranstaltungen werden – oft
       ersatzterminlos – gestrichen], Honorare für Ausstellungen und Auftritte
       fallen weg. Das bedroht sie, die eh schon prekär leben.
       
       Daher ist schön, dass Medienhäuser überlegen, die frei werdenden Plätze für
       Theater-. Ausstellungs- oder Sportberichterstattung jenen Künsten zu
       widmen, die im Medium stattfinden können – Lyriker:innen könnten Gedichte
       veröffentlichen, Wissenschaftler:innen ihre Vorträge, Maler:innen ihre
       Bilder, im Fernsehen könnten Bands auftreten. Und das gegen Honorar, wenn
       es geht. Denn es braucht in den Zeiten der Selbstisolation nicht nur
       Corona-Livestream, sondern auch anderes für den Kopf.
       
       Zudem ist es so, wie Jutta Leimbert von der Wiesbadener Buchhandlung
       Vaternahm in der 3Sat- „Kulturzeit“ feststellte: Die Ausrede, man wolle ja
       eigentlich lesen (oder vorlesen), habe jedoch keine Zeit dafür, gilt für
       viele Menschen nicht mehr. Auf Berufs- und Freizeitstress können sich diese
       nun nicht mehr herausreden. Auf befürchteten Geldmangel schon. Auch daher
       leiden die Buchhandlungen unter zurückgehenden Bestellungen, gerade die
       unabhängigen Buchhandlungen, sie müssen außerdem in den meisten
       Bundesländern geschlossen bleiben.
       
       ## Buchhandlungen legen die Bücher vor die Tür
       
       Trotzdem suchen die Betreiber:innen nach kreativen Lösungen, ob in Ulm,
       Kassel oder Berlin – viele liefern über Post und mithilfe von
       Kurierdiensten aus, einige bringen die bestellten Bücher sogar persönlich
       vorbei und legen sie vor der Tür ab. Verlage haben angekündigt, die
       Buchhandlungen entlasten zu wollen, indem sie längere Zahlungsziele
       einführen.
       
       Doch auch Verlage leiden unter zurückgehenden Bestellzahlen – und auch hier
       sind es die unabhängigen, deren Reserven schnell erschöpft sein werden.
       
       Alle Buchhandelsideen und Alternativveröffentlichungen werden den besonders
       Betroffenen kaum helfen. Staatliche Hilfen sind gefragt. Die
       Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, hat auch
       umfassende Hilfen angekündigt, die Kulturministerien der Länder tun dies
       ebenfalls. Angekündigte Steuerentlastungen (auf welches Gehalt?) und
       billige Kredite (bei eh zumeist schon verschuldeten Menschen und
       Unternehmen?) helfen allerdings kaum. Nun ist strukturelle Förderung
       gefragt.
       
       Aber was ist denn nun mit den Online-Versendern? Sind sie es nicht, die mit
       ihrer Marktmacht die Sache noch am Laufen halten und etwa Bücher oder
       Platten unter die Leute bringen, und so zwar nicht den Buchhandlungen und
       Plattenläden helfen, aber den Künstler:innen sowie Labels und Verlagen?
       
       Guter Witz. Amazon hat in einem Rundbrief am Mittwoch vielen Lieferanten
       aus der Buchbranche mitgeteilt, dass das Unternehmen den Nachbezug von
       Büchern bis Anfang April weitgehend aussetzen wolle, da es „vorübergehend
       Haushaltswaren, Sanitätsartikel und andere Produkte mit hoher Nachfrage“
       priorisiere. Wer hier Kund:innenfreundlichkeit vermutet, verkennt den
       Charakter des Unternehmens.
       
       ## Amazon stellt 100.000 Menschen ein
       
       Bereits am Dienstag ließ Amazon mitteilen, dass man in den USA 100.000
       Menschen mehr einstellen wolle, in Deutschland (oder in für Deutschland
       mitzuständigen polnischen Filialen) wird ebenfalls nach neuen
       Arbeitskräften gesucht. Angesichts der Tatsache, dass Autobauer wegen
       Corona ihre Tore schließen, muss man sich fragen, ob die Zalandos,
       DocMorris’ und Amazons eigentlich an ihre Mitarbeiter:innen denken.
       
       Die zunehmende Verödung der Innenstädte jedenfalls ist auch den riesigen
       Onlineversendern zu verdanken. Doch niemand will nach der Corona-Entwarnung
       leere Innenstädte sehen. Also braucht es Solidarität. Etwa mit der
       Buchhandlung ums Eck. Und mit den Künstler:innen eh.
       
       Der Autor ist Verleger des Verbrecher-Verlages und Vorstandsmitglied der
       Kurt Wolff Stiftung.
       
       24 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Corona-und-der-Kulturbetrieb/!5668454
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Sundermeier
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Amazon
   DIR Buch
   DIR Bücher
   DIR Verlagswesen
   DIR Quarantäne
   DIR Literatur
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Amazon
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Netzkultur
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR 25 Jahre Verbrecher-Verlag: Literatur lieben und Mut machen
       
       Vor 25 Jahren entstand der Verbrecher-Verlag, auch weil der
       Literaturbetrieb vor sich hin dröhnte. Längst zeigt sich: Das ist eine
       Erfolgsgeschichte.
       
   DIR Social Distancing: Was verlernen wir?: Solidarisches Abstandhalten
       
       Wir werden gerade auf ein Paradox eingeschworen: füreinander einzustehen,
       ohne sich dabei begegnen zu können.
       
   DIR Onlinehandel und Corona: Gut für Amazon
       
       Lebensmittel werden gerade wie bekloppt online gekauft, sonst aber kaum
       was. Die Krise könnte kleinen Händlern das Genick brechen.
       
   DIR Corona und der Alltag: Das Leben der Anderen
       
       Wir leben nicht in dem Ausnahmezustand, den der Philosoph Giorgio Agamben
       beschreibt. Aber die Corona-Krise trifft nicht alle gleichermaßen.
       
   DIR Kulturtipps im Netz: Quarantäne als Chance
       
       Die Museen, Theater und Clubs in Berlin sind geschlossen, auch der taz.plan
       wird vorerst nicht mehr gedruckt – online wird er aber weiterlaufen.
       
   DIR Corona und der Kulturbetrieb: Jetzt daheim bleiben
       
       Der Kulturbetrieb bekommt Corona deutlich zu spüren. Wir haben Aktuelles
       aus den Sparten Kino, Literatur, Musik, Kunst und Theater zusammengetragen.
       
   DIR Buchmesse wegen Corona abgesagt: Lesen in Quarantäne
       
       Dass die Leipziger abgesagt wurde, ist schade – aber auch verständlich.
       Denn nach der Messe ist auch sonst immer die halbe Branche krank.