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       # taz.de -- Demo für Grenzöffnung: Trauer und Entschlossenheit
       
       > Mehrere Tausend Menschen forderten Dienstagabend bei einer Demo vor dem
       > Bundeskanzleramt, die EU-Grenzen zu öffnen. Berlin will Geflüchtete
       > aufnehmen.
       
   IMG Bild: Demo für die Aufnahme von Geflüchteten im Regierungsviertel am Dienstagabend
       
       Kraftvolle Sprechchöre tönen am Dienstagabend durch das hell erleuchtete
       Regierungsviertel. Demonstriert wird anlässlich der Gewalt an der
       griechisch-türkischen Grenze unter dem Motto „Grenzen öffnen! Leben retten!
       Faschismus bekämpfen!“ Die Veranstaltenden zählen 8.000 Menschen, die
       Polizei spricht von 3.500 Teilnehmer:innen.
       
       „Das ist nicht das Europa, in dem wir leben wollen!“ ruft Muhammed
       al-Kashef, Aktivist bei Watch the Med Alarm Phone, Richtung
       Bundeskanzleramt. Demonstrierende halten Schilder mit „EU-Werte?
       Erpressbar!“, „Shame on EU“ und „Wir haben Platz“ in die Höhe. „Wir sehen
       derzeit eine Eskalation der Gewalt, da die Türkei und Griechenland ein
       gefährliches Spiel mit dem Leben der Menschen spielen“, meint al-Kashef.
       „Wir werden diesen europäischen Krieg gegen Menschen, die Schutz suchen,
       nicht akzeptieren! Wir werden nicht schweigen, wenn die repressive
       Anti-Migrationspolitik dem Faschismus Raum gibt!“
       
       Die Situation auf den griechischen Inseln ist eskaliert, nachdem die Türkei
       ihre Grenzen zur EU am Wochenende für offen erklärt hat. Die griechische
       Polizei versucht, Geflüchtete mit Tränengas und Blendgranaten am Überqueren
       der Grenze zu hindern. Und mit Munition: Verschiedene Medien hatten zuvor
       berichtet, dass ein Flüchtling am Montag von griechischen Grenzpolizisten
       erschossen worden sei. Auch das Alarm Phone berichtet von Schüssen der
       griechischen Küstenwache auf Geflüchtete in Booten. Auf Lesbos bauen
       Einwohner:innen und Rechtsradikale derweil Straßenblockaden, bedrohen
       Journalist:innen und NGO-Mitarbeiter:innen und hindern Boote mit
       Geflüchteten am Anlanden.
       
       „Die Menschlichkeit ist in der Welt gestorben, mein Herz tut mir weh“, sagt
       Sanaa Al Nomeiry, die aufmerksam alle Redebeiträge verfolgt. Sie hofft,
       dass die Demonstration die Politik unter Druck setzt. „Im deutschen
       Parlament sind so viele Politiker so rassistisch. Angesichts dessen und
       nach Hanau frage ich mich schon: Sind wir wirklich ein friedliches Land?“
       
       Der Demonstrationszug zieht am Gebäude der deutschen Vertretung der
       Europäischen Kommission vorbei. Aus den hell erleuchteten Fenstern blicken
       Menschen mit Sektgläsern hinab, die Demonstrierenden skandieren „Öffnet die
       Grenze“ hinauf. In den Räumen der Kommission ist aktuell die Ausstellung
       „Erlebnis Europa“ zu sehen. Al-Kashef ist wütend: „Die Menschen, die ihr
       Leben im Mittelmeer verlieren, die erleben Europa!“
       
       Laura Kettel, Pressesprecherin der Seebrücke Berlin, erwartet von den
       Regierungen der EU-Staaten „eine ganz andere Politik“. „Wir kämpfen schon
       sehr lange dafür, dass da ein Umdenken stattfindet“, sagt sie. „Weg von der
       Politik der Abschottung, hin zu mehr Bewegungsfreiheit und sicheren
       Fluchtwegen nach Europa.“ Von den gehäuft vorgetragenen Warnungen von
       Politiker:innen, 2015 dürfe sich nicht wiederholen, hält sie nichts. „2015
       hat eines der reichsten Länder der EU hat einfach mal Verantwortung
       übernommen.“
       
       Über 140 Städte und Kommunen in ganz Deutschland haben sich mittlerweile
       bereit erklären, über den in Deutschland geltenden Verteilungsschlüssel
       hinaus Leute aufzunehmen, darunter auch Berlin und Potsdam. Innenminister
       Horst Seehofer (CSU) zeigte sich gestern Nacht überraschend offen für eine
       Debatte um die Aufnahme minderjähriger Geflüchteter aus den griechischen
       Hotspots.
       
       4 Mar 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Henrike Koch
       
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