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       # taz.de -- Militarisierter Naturschutz in Afrika: Krieg gegen die Wilderei
       
       > Technologie, Ausbilder, Söldner: Wie der Naturschutz in Afrika wehrhaft
       > und aus Wilderern mutmaßliche Terroristen wurden.
       
   IMG Bild: Zwei Ranger bewachen brennendes Elfenbein mit Gewehren
       
       Es ist Krieg da draußen“, beurteilt Michael Keigwin, Ugandas führender
       Elefantenforscher und Gründer der ugandischen NGO [1][Ugandan Conservation
       Foundation (UCF),] die Situation zwischen Rangern und Wilderern. Im
       Queen-Elisabeth-Nationalpark im Osten Ugandas war ein Elefant erlegt
       worden. Tagelang war daraufhin der ehemalige britische Elitesoldat mit
       einer Rangereinheit durch den Busch marschiert, um die Spuren der Wilderer
       ausfindig zu machen. „Wir sind auf dem Kriegspfad“, schrieb er von seiner
       Mission per SMS.
       
       Der Vorfall geschah im Februar 2019. Es war das erste Mal seit zwei Jahren,
       dass in Uganda ein Elefant wegen seines Elfenbeins getötet worden war. Die
       Institution [2][CITES], die die Umsetzung des [3][Washingtoner
       Artenschutzübereinkommens] von 1976 überwacht, meldete 2016 zum ersten Mal
       seit Jahrzehnten einen Rückgang der Wilderei für Elfenbein vor allem in den
       Ländern Ostafrikas, die aufgrund der Schifffahrtsverbindungen nach Asien am
       meisten betroffen waren.
       
       Laut Schätzungen der Weltnaturschutzunion [4][IUCN] starben in
       Subsahara-Afrika in der Zeit von 2006 bis 2016 über 111.000 Elefanten. Die
       Hochphase der Elefantenjagd war im Jahr 2011. [5][Seit 2008 nehmen die
       Bestände wieder zu]. Ein Anstieg der Population lässt sich auch bei den
       Berggorillas verzeichnen. Ende 2011 vermeldete die IUCN, dass sich die Zahl
       der Gorillas so sehr vermehrt habe, dass sie [6][nicht mehr unter die
       Kategorie critically endangered, sondern nun nur noch unter endangered,
       gefährdet, fallen].
       
       Die Ursachen für die massive Elefantenwilderei sind vielfältig und komplex.
       Und: Sie sind nicht nur in Afrika selbst zu suchen, sondern weltweit. Der
       Elfenbeinhandel war schon immer Teil des Welthandels, er ist ein
       nachfrageorientiertes Geschäft.
       
       Masegeri Rurai, Projektmanager der [7][Zoologischen Gesellschaft Frankfurt
       (ZGF)] im Serengeti-Nationalpark, erinnert sich an die nuller Jahre, als
       Tansania sich wirtschaftlich für Investoren aus China öffnete, die große
       Infrastrukturprojekte im Landesinneren bauten. Mit dem zunehmenden
       wirtschaftlichen Engagement Chinas in Ostafrika stieg auch die Nachfrage
       nach Elfenbein. „Die Wilderer organisierten sich damals, plötzlich trugen
       sie Maschinengewehre statt Pfeil und Bogen“, berichtet Rurai. Der Tansanier
       ist in einem Dorf am Rande der Serengeti aufgewachsen. „Die Regierung hat
       die örtlichen Gemeinden beschuldigt, Teil des Problems zu sein – dabei war
       das für sie einfach nur schnelles Geld“, so Rurai. Johannes Kirchgatter, im
       [8][WWF Deutschland] für Ostafrika zuständig, erklärt, die Wilderer hätten
       sich infolge der Nachfrage gut ausgerüstet, auch mit Nachtsichtgeräten und
       Maschinengewehren. „Es waren, wie gesagt, keine armen Bauern, die
       versuchen, sich ihr Abendbrot ein bisschen aufzubessern oder sich vor dem
       Verhungern zu retten“, so Kirchgatter: „Das ist wirklich eine Mafia mit
       hohen Gewinnspannen.“
       
       Diese Hochrüstung der Wilderer ist das zentrale Argument der
       Naturschutzorganisationen für die Notwendigkeit der Aufrüstung der
       nationalen Wildtierbehörden Afrikas. Über 1.000 Wildhüter seien in Afrika
       und Asien im vergangenen Jahrzehnt getötet worden, so eine [9][Erhebung der
       IUCN aus dem Jahr 2014]. Naturschutzorganisationen fordern seitdem eine
       bessere Ausrüstung zur Selbstverteidigung der Ranger. Ilka Herbinger vom
       WWF Deutschland, zuständig für das Kongobecken, erklärt, man habe als
       Partner eine „Sorgfaltspflicht“ gegenüber den Wildhütern, die sich
       verteidigen müssten.
       
       Der WWF veröffentlichte 2018 die Studie [10][„Life on the Frontline“] über
       die weltweiten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Wildhüter mit Ergebnissen
       einer Umfrage unter mehr als 1.300 Rangern in Afrika. Weniger als ein
       Viertel der Befragten gibt an, Zugang zu einer Waffe zu haben. Das Fazit
       der Studie lautet: Bessere Ausrüstung – von Schuhen über Funkgeräte bis hin
       zur Waffe – sowie bessere Ausbildung führen zu besseren Verhaltensweisen
       der Wildhüter.
       
       Ein wesentlicher Grund für den Rückgang der Wilderei seit 2016 ist laut
       CITES jedoch nicht die Aufrüstung der Wildhüter, sondern der Importstopp
       für Elfenbein in China, bislang größter Abnehmer weltweit. Seitdem die
       Volksrepublik Ende 2016 dem Washingtoner Artenschutzabkommen beigetreten
       ist, sind die Weltmarktpreise für Elfenbein gesunken. Außerdem werden
       zunehmend illegale Elfenbeinlieferungen entlang der Handelsrouten zwischen
       Afrika und China sichergestellt. Im Juli 2019 wurde am Hafen von Singapur
       eine Containerladung mit 8,8 Tonnen Elfenbein von über 300 Elefanten
       mithilfe von Informationen des chinesischen Zolls beschlagnahmt. Insgesamt
       haben Chinas Zollbehörden im Jahr 2019 rund 1.200 Tonnen Elfenbein
       sichergestellt.
       
       In Afrika loben hingegen die Akteure die Militarisierung als Grund für den
       Erfolg: Im Juni 2019 verkündete Tansanias Minister für Natürliche Rohstoffe
       und Tourismus, Hamisi Kigwangal, den „Sieg im Krieg gegen die Wilderei“. Er
       wiederum dankte nicht den Bemühungen des chinesischen Zolls, sondern lobte
       die lokalen Geheimdienstabteilungen und Anti-Wilderei-Einheiten, die gute
       Arbeit geleistet hätten, die „Multi-Millionen-Dollar-Tourismusindustrie des
       Landes zu schützen“, die zu 90 Prozent von den Wildtieren abhänge.
       
       Trotz des Zwischenfalls im Februar 2019 mit einem erlegten Elefanten rühmt
       sich auch Ugandas Wildtierschutzbehörde UWA, den sogenannten Krieg gegen
       die Wilderei gewonnen zu haben. „Bis 2016 hatten wir ein großes Problem mit
       der Wilderei für Elfenbein, nicht nur mit Speeren, sondern mit Gewehren“,
       erläutert Eduard Asalu, Direktor des Queen-Elisabeth-Nationalparks. Doch
       2016 sei das von CITES aufgelegte und von der EU finanzierte Projekt
       [11][MIKE] in Uganda eingeführt worden, wodurch Wildhüter ausgerüstet und
       trainiert wurden. „Damit konnten wir dann unsere Ranger losschicken, die
       den Elefantenherden gefolgt sind. Wer auch immer die Elefanten jagen
       wollte, traf auf unsere Ranger. Jetzt haben wir Frieden. Wir sitzen hier
       monatelang, ohne einen einzigen Schuss zu hören. Früher hörten wir sie
       täglich.“
       
       Vom Jagd- zum Maschinengewehr
       
       Bei der Militarisierung des Naturschutzes geht es nicht nur um die
       Ausrüstung mit Waffen. Sie umfasst auch Maßnahmen, die sich militärischer
       Taktiken, Überwachungstechnologien und militärischen Geräts bedienen, sowie
       die zunehmende Beteiligung – ausländischer wie nationaler – militärischer
       Akteure im Naturschutz- und Tourismussektor. In vielen Ländern sind die
       Wildtierschutzbehörden als paramilitärische Institutionen in die nationalen
       Sicherheitsstrukturen eingebunden. Zahlreiche Wildtierschutzbehörden haben
       für ihre Anti-Wilderei-Einheiten Offiziere der Armee angeheuert, die gegen
       Wilderer militärische Operationen planen und durchführen.
       
       Beraten werden diese mitunter [12][von privaten Sicherheitsfirmen].
       Außerdem investieren vermehrt afrikanische Armeegeneräle in Hotels und
       Lodges innerhalb der Nationalparks, um ihr aus Korruption erwirtschaftetes
       Geld zu waschen. In der führenden ugandischen Wildtierschutz-NGO UCF des
       britischen Elitesoldaten Keigwin sitzen sogar die höchsten Generäle im
       Aufsichtsrat und prägen die Entscheidungen mit.
       
       Der Begriff Militarisierung ist unter Naturschützer unbeliebt, weil er das
       positive Image ankratze, so der Forscher Christopher Day, der die
       Militarisierungstendenzen in verschiedenen Parks Afrikas untersucht hat.
       Naturschützer sprechen daher lieber von „Strafverfolgung“ im Sinne einer
       polizeiähnlichen Tätigkeit. Doch bei der Planung von
       Anti-Wilderei-Operationen würden viel mehr militärische Taktiken im Sinne
       der „Aufstandsbekämpfung“ benutzt.
       
       Es gibt mittlerweile zahlreiche Wissenschaftler*innen, die die
       Militarisierung im Naturschutz untersuchen. Führend ist darunter das
       Kollektiv [13][BioSec] an der Universität Sheffield, welches die
       Zusammenhänge zwischen Artenschutz und Sicherheit unter die Lupe nimmt.
       „Wir stellen fest, dass Naturschutz früher mehr ein ganzheitlicher Ansatz
       war“, so Francis Massé von BioSec. Doch seitdem zunehmend militärische
       Akteure die Entscheidungen treffen, verändere sich auch die Rolle der
       Wildhüter*innen. „90 Prozent seiner Zeit verbringt er [der Ranger] mit
       Anti-Wilderei-Operationen, fast alle finanziellen Mittel werden dafür
       eingesetzt und auch in der Ausbildung nehmen militärische Taktiken einen
       zunehmend größeren Stellenwert ein“, stellt Massé in seinen Erhebungen
       fest. „Die Geldflüsse der Geber gehen zunehmend in Anti-Wilderei-Maßnahmen,
       die jedoch teuer sind, sodass kaum mehr Mittel für Gemeindeprojekte übrig
       bleiben.“
       
       Die Forscher*innen von BioSec kritisieren, dass immer mehr
       kostenintensive Sicherheitstechnologien im Naturschutzbereich Anwendung
       finden. Dies sei die langfristige Folge der zunehmenden Kommerzialisierung
       des Naturschutzsektors, so ihre Schlussfolgerung: Wenn Schutzgebiete sowie
       deren Wildtierbestand wie ein Warenkorb als Einkommensfaktor eines Staates,
       einer NGO oder einer Puplic-private-Partnership betrachtet werden, dann
       müssten die „Produkte“ – also Flora und Fauna – mit allen Mitteln geschützt
       werden.
       
       Umso dringlicher wird dieser Schutz, wenn ein Großteil des Staatshaushalts
       vom Tourismussektor abhängt, sind sich die Wissenschaftler*innen
       einig. Das gilt vor allem in unsicheren Krisenregionen. Dies zeigt sich
       nicht zuletzt in Kenia nach den Terrorangriffen zwischen 2011 und 2013, als
       die Touristenzahlen rapide sanken, oder auch in Uganda, wo im April 2019
       eine amerikanische Touristin im Queen-Elisabeth-Park nahe der Grenze zum
       Kongo entführt wurde und die Geiselnehmer umgerechnet rund 450.000 Euro
       Lösegeld forderten. Im benachbarten, kongolesischen Virunga-Park waren im
       Mai 2018 zwei britische Touristen entführt worden. Daraufhin war der Park
       fast neun Monate geschlossen, was große Verluste erzeugte. Die
       Parkverwaltung investierte daraufhin in neue Sicherheitsmaßnahmen: eine
       speziell trainierte Leibwächtereinheit für Touristen, elektrische Zäune
       rund um die Lodges – Geld, das eigentlich dem Naturschutz dienen sollte.
       
       Ein ugandischer Ranger brachte diese Veränderung in seinem Berufsbild mit
       einem einzigen Satz auf den Punkt: „Meine Hauptaufgabe ist nicht, die Tiere
       zu schützen, sondern die Einnahmen der Regierung.“ Dafür sei er von der
       Regierung mit einer Waffe ausgestattet worden.
       
       Ein „Marshallplan für den Naturschutz“
       
       Die Ausbildung und Ausstattung von Wildhütern mit militärischen Methoden
       und Mitteln ist in Afrika nicht neu. Bereits in den ehemaligen britischen
       Kolonien – darunter Kenia, Uganda, Tansania – waren die Wildtierhüter –
       damals Einheiten der königlichen Marine – bewaffnet. Als diese Staaten in
       die Unabhängigkeit entlassen wurden, wurden die Ranger verfassungsrechtlich
       als eine Säule des Sicherheitsapparats integriert. In Uganda trugen sie zur
       Zeit der Unabhängigkeit einfache Jagdgewehre, um Elefanten zu töten, die
       ausbrachen und Äcker und Ernten der Bevölkerung zerstörten.
       
       Erst als sich in den 1990er Jahren bewaffnete Rebellen wie die Lord
       Resistance Army (LRA) im Murchison-Falls-Nationalpark oder die Allied
       Democratic Forces (ADF) im Rwenzori-Park verschanzten, wurden die Ranger
       mit Kalaschnikows ausgestattet. Bis vor wenigen Jahren wurde zur
       Verteidigung des Wildtierbestands in Uganda noch die reguläre Armee
       entsandt, so zum Beispiel auch bei den Militäroperationen 2006, durch
       welche die LRA aus dem Murchison-Falls-Nationalpark vertrieben wurde.
       Mittlerweile sind die Ranger der ugandischen Wildtierschutzbehörde UWA
       ähnlich gut ausgebildet und ausgestattet wie die Soldaten. Sie wurden
       [14][von britischen Militärs im Anti-Terror-Kampf trainiert].
       
       Am Beispiel des Virunga-Parks in der DR Kongo kann man die zunehmende
       Militarisierung ebenfalls gut nachverfolgen. Dort übernehmen die Ranger
       innerhalb des Parks fast vollständig die Aufgaben der Armee. Während der
       belgischen Kolonialzeit waren die meisten Parks in Belgisch-Kongo von
       Zoologen und Biologen gegründet worden, es gab zunächst keine bewaffneten
       Parkranger. In der Zeit des Diktators Mobutu, der die Parks als seine
       eigenen Jagdgründe betrachtete, wurde die Einheit der sogenannten Ecoguards
       als Leibgarde für seine Tiere aufgesetzt. Sie waren ihm direkt unterstellt,
       nicht der Armee.
       
       Erst in den 1970er Jahren, als zunehmend mehr Finanzmittel von außen in die
       kongolesischen Parks flossen, wurden die Ecoguards in der
       Naturschutzbehörde Institut Congolais pour la Conservation de la Nature
       (ICCN) in die Strukturen des Tourismusministeriums integriert. Sie trugen
       nur vereinzelt Waffen zum Selbstschutz. Als zum Ende der Mobutu-Ära 1994
       während des Völkermords in Ruanda Millionen von ruandischen Flüchtlingen
       aus dem Nachbarland in den Ostkongo eindrangen, waren die beiden
       Nationalparks – der Virunga sowie der Kahuzi-Biéga – entlang der Grenze
       quasi ungeschützt, sodass die Flüchtlinge Unmengen an Bäumen für Feuerholz
       abholzen konnten. Auch die ruandischen Völkermörder, die samt ihren Waffen
       in die DR Kongo geflohen waren, versteckten sich in den Wäldern und formten
       dort die Hutu-Miliz Forces Démocratiques de la Libération du Rwanda (FDLR),
       die bis heute den illegalen Holzkohlehandel kontrolliert. Laut Angaben der
       Virunga-Parkleitung [15][erwirtschaftet die FDLR daraus jährlich rund 27
       Millionen Euro].
       
       Die nationale Armee war mit dem Sturz Mobutus 1996 zerfallen. Es kam in der
       Folge zu zahlreichen Kriegen. Inmitten des dritten Kongo-Kriegs fanden 2007
       Wildhüter in den Bergen des Virunga die Kadaver einer Gorillafamilie,
       erschossen und verstümmelt von Rebellen, wahrscheinlich der FDLR. Der
       belgische Gorillaforscher de Merode, damals Chef der NGO WildlifeDirect im
       Kongo und später Leiter des Parks, mutmaßte, die FDLR wolle die Gorillas
       ausrotten, damit der Nationalpark aufgegeben werde und sie den
       Holzkohlehandel ausweiten könne. Die Bilder der toten Tiere erzeugten einen
       Aufschrei – und führten langfristig zu einem verstärkten finanziellen
       Engagement westlicher Geber für den Virunga. Von einer militärischen
       Aufrüstung war noch nicht die Rede.
       
       Der Schlüsselmoment für diese Entscheidung ereignete sich 2012. Damals
       schlugen Rebellen der Bewegung des 23. März (M23) mitten im Virunga-Park
       ihr Hauptquartier auf, direkt neben dem Hauptsitz der Parkverwaltung in
       Rumangabo. Doch anstatt die Gorillas zu massakrieren, boten die
       M23-Rebellen nun ausländischen Touristen Gorillatouren für einen
       Dumpingpreis von 360 Euro pro Person an und erwirtschafteten daraus
       Einnahmen. Der M23-Tourismusminister, Stanislas Baleke, rühmte sich damit,
       [16][seine Rebellenarmee würde die Gorillas besser schützen als die
       Parkverwaltung]. Zur selben Zeit verhandelte die britische Ölfirma SOCO in
       der Hauptstadt Kinshasa um Förderkonzessionen, um die Reserven unter dem
       Virunga-Park anzuzapfen. Der Park stand kurz vor dem Aus.
       
       „Einen Marshallplan für den Ostkongo“ nannte US-Milliardär und
       Ex-Coca-Cola-Direktor Howard Buffett damals seinen Rettungsplan. 2015
       erzählte er, wie er mit dem belgischen Prinzen de Merode, mittlerweile
       Direktor des Virunga-Nationalparks, im Jahr 2012 abends am Kamin in einer
       leeren Fünf-Sterne-Lodge die Idee ausgebrütet hatte. Es war das dritte Mal,
       dass der Hobbynaturschützer Buffett in den Kongo gereist war, um „endlich
       einmal die Gorillas zu sehen“. Vergeblich, denn wieder herrschte Krieg.
       „Wir konnten von Weitem das Feuergefecht hören“, [17][erinnert sich
       Buffett].
       
       Buffett erklärte: Der Park sei nur zu retten, wenn es Frieden gäbe, damit
       Touristen kämen. Doch dazu musste eine Lösung für die Rebellen gefunden
       werden. Die M23-Offiziere kamen abends in die Lodge zum Whiskeytrinken.
       Howard Buffett lud M23-Rebellenchef Sultani Makenga kurzerhand ein und bot
       ihm an, seine Rebellenarmee als Parkwächter einzustellen, um gegen
       rivalisierende Milizen wie die FDLR vorzugehen. Doch Makenga lachte nur:
       „Ich kämpfe für politische Ziele und nicht für Gorillas“, sagt er. Die Idee
       floppte. Buffett und de Merode entschieden daraufhin, eine spezielle
       Rangereinheit zu trainieren, die es mit den Rebellen aufnehmen konnte.
       
       Von britischen, belgischen und französischen Militärtrainern wurde
       daraufhin eine aus 300 Soldaten bestehende Spezialtruppe ausgebildet: die
       sogenannte Quick Response Unit (QRU), die „Schnelle Eingreiftruppe“. Sie
       wurde besser geschult als die Soldaten der Armee und war zu Beginn vom
       Verteidigungsministerium unabhängig. Ausgestattet mit
       Scharfschützengewehren, Raketenwerfern und Nachtsichtgeräten, wurden die
       Ranger in den Krieg geschickt. Dies machte das Verteidigungsministerium in
       Kinshasa hellhörig. Kongos führende Generäle argwöhnten, der
       US-amerikanische Milliardär und der belgische Parkdirektor würden eine
       Privatarmee aufbauen. Im Dokumentarfilm „Guns for Hire“ muss sich auch der
       Vertreter der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), die damals noch
       den Virunga unterstützte, die Frage gefallen lassen, ob er eine „Armee für
       Frankfurt“ im Kongo trainiere.
       
       Ende 2014, kurz nach der Oscarnominierung des [18][Netflix-Films
       „Virunga“], geriet de Merode mitten im Park in einen Hinterhalt. Er
       überlebte nur knapp mit fünf Kugeln im Leib. Als er wenige Monate später
       wieder Interviews gab, wurde er von zwölf schwer bewaffneten Leibwächtern
       begleitet. Sie trugen Maschinengewehre und Panzerfäuste. Aus dem
       Naturschützer war der Kommandant einer paramilitärischen Truppe geworden.
       
       Durch ein Dekret des Premierministers wurde 2015 schließlich das
       kongolesische Naturschutzinstitut ICCN reformiert und ebenfalls unter die
       Hoheit des für Korruption und Kriegsverbrechen berüchtigten
       Verteidigungsministeriums gestellt. Sämtliche Ecoguards wurden dadurch in
       die nationalen Sicherheitsstrukturen integriert. Es wurde das Ziel
       formuliert, die Zahl der Ecoguards landesweit von 4.000 auf 10.000 zu
       erhöhen. Oberste Funktionen der neu ausgebildeten QRU-Einheiten sei der
       „Kampf gegen die Wilderei“ und „andere Verbrechen“ in den Schutzgebieten,
       [19][so das Dekret]. Mittlerweile planen und exekutieren die QRU-Offiziere
       entweder eigenständig oder gemeinsam mit der Armee militärische Operationen
       gegen Milizen innerhalb des Parks, wobei die QRU-Offiziere auch gegenüber
       der Armee die Befehlshoheit innehaben. Kongos einst unbewaffnete Ecoguards
       ziehen mittlerweile mit Panzerfäusten durch den Dschungel.
       
       Viele Wildhüter im Virunga-Park sagen, ihre Arbeit habe sich durch diese
       Reform grundlegend geändert: „Ich wollte Ecoguard werden, wie mein
       Großvater und mein Vater“, so einer der QRU-Ranger. „Doch anstatt die Natur
       und die Tiere zu schützen, haben sie mich zur Kampfmaschine gemacht.“ Heute
       – nach über zwei Jahren Kampferfahrungen – ist er ernüchtert: Er leide an
       posttraumatischem Stress. „Mit Naturschutz hat mein Job fast gar nichts
       mehr zu tun“, klagt er. In seinen zwei Dienstjahren habe er keinen einzigen
       Gorilla zu Gesicht bekommen, dafür aber unzählige Menschen erschossen.
       
       Elfenbein – das weiße Gold des Dschihads
       
       Zur gleichen Zeit, als die Schnelle Eingreiftruppe (QRU) der
       Naturschutzbehörde ICCN gegründet wurde, wurden 2012 im ostkongolesischen
       Garamba-Nationalpark die Kadaver von 26 Elefanten entdeckt. Anstatt ihrer
       Stoßzähne klafften blutige Stümpfe. Es war eines der größten Massaker der
       jüngsten Zeit. Der Garamba-Park galt einst als Kronjuwel unter Diktator
       Mobutus Jagdgebieten. Auch der ehemalige bayrische Ministerpräsident Franz
       Josef Strauß war in den 1980er Jahren dort zur Elefantenhatz.
       
       2005 hatte die Naturschutz-NGO [20][African Parks], die mittlerweile 16
       Parks auf dem afrikanischen Kontinent verwaltet und diese als
       Public-private-Partnership zu profitorientierten Unternehmen
       umstrukturiert, den Garamba-Park übernommen und wollte ihn mithilfe des
       Tourismus finanziell auf Vordermann bringen. Dann hatten sich 2006 die
       LRA-Rebellen in den dichten Wäldern eingenistet, nachdem sie aus Uganda
       geflohen waren. Kurz nach der Entdeckung der Kadaver bezeichnete
       [21][African Parks den Garamba als „Ground Zero“].
       
       Schnell wurden Vermutungen laut, LRA-Rebellen hätten die Elefanten erlegt.
       Die ugandische Miliz war gerade von US-Behörden zur Terrororganisation
       deklariert worden. Es war die Hochphase des weltweiten Kriegs gegen den
       Terror, auch in Afrika. 2010 hatte die somalische islamistische Miliz
       [22][al-Shabaab in Ugandas Hauptstadt Kampala Bomben gezündet und 74
       Menschen getötet]. 2011 waren US-Spezialeinheiten über Uganda und die DR
       Kongo in die Zentralafrikanische Republik vorgerückt, um Konys LRA zu
       zerschlagen. Von seinen Stützpunkten am Horn von Afrika aus flog das
       US-Militär Drohnenangriffe auf Al-Shabaab-Einheiten in Somalia. 2013 griff
       die Miliz, die allem Anschein nach Kontakte zu al-Qaida in Afghanistan
       unterhielt, das von israelischen Geschäftsleuten aufgebaute
       [23][Einkaufszentrum „Westgate“ in Kenias Hauptstadt Nairobi] an und tötete
       71 Menschen. Westliche Botschaften gaben Reisewarnungen heraus. Als Folge
       brach Kenias Tourismussektor ein, [24][der immerhin rund 10 Prozent des
       Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht].
       
       Inmitten dieser Ereignisse wurde im Mai 2012 der britische Zoologe und
       Gründer der NGO Save the Elephants, Iain Douglas-Hamilton, nach Washington
       eingeladen. Der für Afrika zuständige Senatsausschuss hielt eine Sitzung
       zur Problematik der Wilderei und der Sicherheit in Afrika ab. [25][In
       seinem „Zeugnisbericht“ nannte Douglas-Hamilton] Umsatzzahlen im
       Elfenbeinhandel von bis zu 9 Milliarden Euro pro Jahr. Dies sei mehr, als
       durch illegalen Waffen- oder Drogenhandel gewonnen würde. Als Akteure
       nannte er asiatische Syndikate, die nun vermehrt in Afrika tätig seien,
       sowie afrikanische Wilderer, die Beziehungen zu „kriminellen Gangs und
       Milizen in Ländern wie Sudan und Somalia“ unterhielten.
       
       Gemeint waren die islamistische Al-Shabaab-Miliz in Somalia, die
       Dschandschawid-Milizen in Sudans Bürgerkriegsregion Darfur sowie die
       ugandische LRA unter ihrem vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH)
       gesuchten Anführer Joseph Kony, der sich zu jener Zeit in den dichten
       Wäldern zwischen der DR Kongo, Sudan und der Zentralafrikanischen Republik
       verschanzt hatte.
       
       Der Elefantenforscher stützte seine Aussagen auf Recherchen, die Nir Kalron
       und Andrea Crosta zwischen 2010 und 2012 in Kenia durchgeführt hatten,
       einem Transitland für Elfenbein. Ihr 2011 nur in Auszügen veröffentlichter
       Bericht mit dem Titel „Africa’s White Gold of Jihad“ besagte, dass sich
       diese afrikanischen Terrorgruppen durch den Elfenbeinhandel finanzierten.
       Angeblich handle [26][al-Shabaab mit rund drei Tonnen Elfenbein pro Monat].
       
       Der Israeli Nir Kalron ist bis heute eine der einflussreichsten
       Persönlichkeiten im Krieg gegen die Wilderei. Bereits sein Vater hatte als
       Oberst der israelischen Luftwaffe die kenianischen Piloten der
       Wildtierschutzbehörde Kenya Wildlife Services (KWS) trainiert. Der
       39-jährige israelische Ex-Elitesoldat, Sicherheitsberater sowie
       Waffenhändler war letztlich 2013 nach einem weiteren Elefantenmassaker in
       der Zentralafrikanischen Republik und Kamerun nach Afrika gerufen worden.
       Muslimische Rebellen hatten im Dzanga-Sangha-Nationalpark über 20 Elefanten
       erlegt, mit Maschinengewehren und Raketenwerfern. WWF-Projektmanager
       Jean-Bernard Yarissem kam gerade so mit dem Leben davon, er floh in den
       Dschungel und versteckte sich dort im Unterholz.
       
       Der Park war gerade dabei gewesen, sich für den Tourismus zu öffnen, und
       hatte im Rahmen des trinationalen Fonds FTNS [27][Gelder aus Deutschland]
       erhalten. Verwaltet wird der Dzanga-Sangha-Park vom WWF Deutschland und der
       US-NGO Wildlife Conservation Society (WCS) – die durch die Präsenz der
       Rebellen ihre Projekte in Gefahr sahen.
       
       Maisha bedeutet Leben
       
       In Tel Aviv sah Kalron die Bilder der Elefantenkadaver im Fernsehen und
       stieg kurz entschlossen ins Flugzeug. Der ehemalige Elitesoldat sollte im
       Auftrag von WWF und WCS in den Dschungel vorrücken und Rebellen verjagen.
       [28][Gemeinsam mit einer Handvoll Kameraden der israelischen
       Spezialeinheiten durchkämmte er den zentralafrikanischen Dschungel].
       
       Nur wenige Monate später war das Problem offenbar unter Kontrolle –
       zumindest im Dzanga-Sangha-Park. Was genau in diesen Tagen in den dichten
       Wäldern des Bürgerkriegslandes geschah, lässt sich bis heute nicht
       nachvollziehen. Bekannt ist, dass der WWF 2014 ein siebenwöchiges Training
       für Anti-Wilderei-Einheiten finanzierte, das von Kalrons Elitesoldaten
       durchgeführt wurde, auch im Umgang mit Waffen. 2015 meldete der WWF:
       [29][„Friede ist eingekehrt im Dzanga-Sangha“].
       
       „Maisha bedeutet Leben“, wird auf der Webseite der [30][Maisha Group Ltd.]
       erklärt. Kalrons private Sicherheitsfirma, die er Ende 2012 mit Sitz in Tel
       Aviv gründete, ist mittlerweile die erste Adresse für die Ausbildung von
       Anti-Wilderei-Einheiten in Afrika. „Wir operieren nicht als private Armee
       oder unterlaufen die staatliche Souveränität der Länder“, erklärt Kalron
       seine Geschäftsidee. „Wir arbeiten mit Partnern wie der WCS in
       verschiedenen Hotspots zusammen, bauen Verbindungen zu staatlichen Stellen
       auf, um spezielle Trainings zu geben, Geheimdienstinformationen zu teilen
       oder gemeinsame Operationen durchzuführen.“ In einem Interview erklärte er:
       „Wir hatten das Gefühl, dass die Situation mit den Elefanten uns zu den
       Waffen gerufen hat.“
       
       In seinem mittlerweile multinationalen Team habe er Experten für jegliche
       Disziplin, so Kalron: „Analysten aus israelischen Geheimdiensten,
       Spezialkräfte, Technikexperten.“ Sie sprächen Arabisch, aber auch
       afrikanische Sprachen wie Hausa und Somali. Die meisten seien jedoch keine
       einfachen Söldner, sondern arbeiteten für Maisha, „weil sie emotional
       involviert sind“.
       
       Auch Kalrons Co-Autor, der in den USA wohnhafte Italiener Andrea Crosta,
       stieg in das Wildtiergeschäft ein. Der damalige Sicherheitsberater für
       verschiedene Regierungen in Sachen Piratenbekämpfung gründete 2012 die NGO
       Elephant Action League in Kalifornien, die später in [31][Earth League
       International (ELI)] umbenannt wurde. Seit 2014 betreibt sie die
       Internetseite [32][„Wildleaks“], eine Whistleblower-Plattform gegen
       Wilderei, die eine „mögliche finanzielle Zuwendung von der US-Regierung“
       für Informationen über Wilderei verspricht. Sein Team bestehe aus
       Geheimdienstlern und ehemaligen Mitgliedern der Strafverfolgungsbehörden
       wie des Federal Bureau of Investigation (FBI), so Crosta. Er bezeichnet ELI
       als „innovative gemeinnützige Organisation, die die Welten der
       Geheimdienste und des Naturschutzes zusammenbringen – im Dienste der
       Wildtiere, der Ozeane, der Wälder und der Menschen, die sie verteidigen“.
       
       Mittlerweile sind zahlreiche Sicherheitsfirmen dieser Geschäftsidee gefolgt
       und haben sich auf Wildtierschutz spezialisiert. Die meisten dieser Firmen
       werden von ehemaligen Militärs betrieben, die ihre militärischen
       Fähigkeiten auf dem globalen Markt anbieten und den Naturschutzsektor als
       Nische für sich entdeckt haben.
       
       Ruf zu den Waffen
       
       Die meisten Naturschutzorganisationen haben inzwischen die Behauptung einer
       Verbindung zwischen Terror und Elfenbeinhandel unhinterfragt übernommen –
       dabei ist sie längst widerlegt. Die Akademikerin [33][Natasha White, die
       2014 einen kritischen Artikel verfasste], in dem sie die Zusammenhänge
       zwischen dem Krieg gegen den Terror und dem Krieg gegen die Wilderei
       untersuchte, kam hinsichtlich Kalrons und Crostas Engagement zu dem
       Schluss: „Die Rechtfertigung des Kriegs gegen die Wilderei basierte auf
       einer Serie unhaltbarer Annahmen.“
       
       Wie sich herausstellte, stützten Kalron und Crosta ihre Thesen, die LRA
       sowie die al-Shabaab würden sich vom Elfenbeinhandel finanzieren, lediglich
       auf ein Gespräch mit zwei anonymen Informanten in einem Hotel in Nairobi.
       ELI veröffentlichte erst [34][2016 in einer aktualisierten Version des
       Berichts] den einsichtigen Kommentar: „Elfenbein spielte im Gesamtbudget
       von al-Shabaab eine relativ kleine Rolle.“
       
       Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kam 2015 auch der LRA-Experte [35][Ledio
       Cakaj in seinem Bericht „Tusk Wars“] für die NGO Enough Project. Er fragte
       LRA-Deserteure nach dem Elfenbeinhandel. Sie bestätigten: LRA-Führer Kony
       würde Elfenbein gegen Waffen und Munition eintauschen. Die konkrete Menge
       sei schwer nachvollziehbar, aber „die Schätzungen sind recht gering im
       Vergleich zu anderen Wilderer-Netzwerken in der Region“. Die Deserteure
       nannten eine Zahl, die weit unter den im Bericht geschilderten drei Tonnen
       jährlich liegt, nämlich „insgesamt ungefähr 100 Stück“.
       
       Unhaltbare Annahmen sind das eine Problem. Das andere ist die gezielte
       Manipulation von Informationen durch militärische Akteure, um militärische
       Operationen zu rechtfertigen – ähnlich der Propaganda im Krieg gegen den
       Terror. Wie sich nämlich im Nachhinein herausstellte, waren die 26
       Elefanten im Garamba-Nationalpark gar nicht von der LRA erlegt worden. Sie
       wiesen Schusswunden von Scharfschützengewehren im Schädel auf. Offenbar
       waren sie vom Hubschrauber aus erlegt worden.
       
       Die UN-Mission im Kongo (MONUSCO) ist im Besitz von Radaraufzeichnungen von
       ugandischen Armeehubschraubern, die zu jener Zeit unerlaubt in den
       kongolesischen Luftraum eingedrungen waren. Der Helikopter mit der
       Registrierungsnummer AF 605 gehörte zu Ugandas Luftwaffe, die zu jener Zeit
       unter amerikanischer Beratung bereits die Militäroperationen gegen die LRA
       jenseits ihrer eigenen Landesgrenzen anführte. LRA-Experte [36][Titeca
       kommt 2019 wie viele andere Forscher zum Schluss], dass all die
       Falschaussagen eine „klare Agenda [haben] – nämlich Lobbyarbeit zu leisten
       für ugandische und amerikanische Militärs, um ihnen Zugang zur DR Kongo zu
       ermöglichen“.
       
       Und diese Agenda hat Erfolg: Nur wenige Tage nach dem Elefantenmassaker
       2012 verkündete die Afrikanische Union (AU) die Entsendung einer regionalen
       Eingreiftruppe bestehend aus 5.000 Soldaten. Mit Ugandas Spezialeinheiten
       an der Spitze und von 100 Beratern der US-Streitkräfte unterstützt, wurde
       die Jagd auf Kony letztlich zum gigantischen Plünderungsfeldzug im
       ressourcenreichen Drehkreuz zwischen Uganda, der DR Kongo, Südsudan und der
       Zentralafrikanischen Republik. Sowohl [37][ugandische als auch
       südsudanesische Militärs bereicherten sich am Elfenbein, ließen
       systematisch den Regenwald abholzen], suchten in den Minen im Wald nach
       Gold. Ugandas Armee verneint die Vorwürfe vehement.
       
       Im Gegensatz zum Dzanga-Sangha-Park, wo die Wilderei unter Kontrolle
       gebracht wurde, gingen die Elefantenmassaker im Garamba-Park im großen Stil
       weiter. Dabei war auch hier Maisha von African Parks angeheuert worden, die
       Wilderer aktiv zu bekämpfen und die Ranger zu trainieren. Obwohl afrikaweit
       die Zahl der getöteten Elefanten nach 2016 deutlich zurückging, wurden
       allein im Garamba-Park 2017 rund 120 Elefantenkadaver gezählt. Mittlerweile
       sind im Garamba-Nationalpark gerade noch 1.200 Elefanten übrig. Forscher
       wie Titeca sind sich sicher: „Der Garamba ist ein Honigtopf für Wilderer.“
       Doch die meisten von ihnen tragen Armeeuniformen der ugandischen oder
       südsudanesischen Streitkräfte.
       
       Erst nachdem die Militäroperationen 2017 vorbei waren, ging die Zahl der
       getöteten Elefanten zurück. „In nur 18 Monaten ging die Wilderei auf
       Elefanten um 50 Prozent zurück – im Jahr 2018 wurden bislang nur zwei
       getötet“, heißt es auf der [38][Webseite anlässlich des 80-jährigen
       Bestehens des Parks im Jahr 2018]. Die Erzählung, nach der Terroristen mit
       Kampfhubschraubern Elefanten jagen würden, hat sich jedoch bis heute
       gehalten.
       
       ## Töten und Gutes tun
       
       Die vom Westen finanzierte Militarisierung des Natur- und Artenschutzes
       geht mittlerweile so weit, dass ein Teil der Spezialausbildung für die
       Anti-Wilderei-Einheiten Ostafrikas direkt von westlichen Militärs
       durchgeführt und zum Teil aus deren Verteidigungsbudgets finanziert wird.
       
       Der Militärattaché der britischen Botschaft in Uganda erklärt: „Wir
       trainieren nur – die Ausrüstung kommt von den Amerikanern.“ Er habe seit
       2017 acht Trainingspakete für jeweils rund 30 Ranger der verschiedenen
       Parks in Uganda organisiert. Die Wildhüter bekämen von der ugandischen
       Armee zuerst eine zehnwöchige Grundausbildung, anschließend würden drei
       britische Militärinstrukteure aus der Infanterie die Offiziere sowie
       Spezialeinheiten ausbilden.
       
       Die Briten müssen gar nicht von weit her einfliegen: Im Rahmen des Krieges
       gegen den Terror sind britische Ausbilder in Kenia stationiert. Sie kommen
       regelmäßig nach Uganda, um Soldaten der ugandischen Armee (UPDF) für ihren
       Friedenseinsatz im Auftrag der Afrikanischen Union (AU) in Somalia fit zu
       machen. Danach reisen sie in die Nationalparks, um dort die Ranger in
       denselben Methoden zu unterrichten. Man erhoffe sich neben Geldern aus dem
       Verteidigungsbudget mehr Unterstützung aus dem ugandischen
       Umweltministerium (DEFRA) oder von dritten Partnern, so der Attaché. DEFRA
       bezahlt mittlerweile das 2018 in Malawi gestartete Trainingsprojekt für die
       dortigen Parkranger durch britische Soldaten sowie ein ähnliches Projekt in
       Gabun. Hier fließen internationale Gelder, die für den Naturschutz
       vorgesehen sind, direkt in militärische Unternehmungen im Rahmen des Kriegs
       gegen den Terror.
       
       In Tansania hatte die Ausbildung der Anti-Wilderei-Einheiten einen
       schlechten Start. 2012, kurz nach Douglas-Hamiltons Rede im US-Senat,
       entschied sich eine kleine Gruppe US-Soldaten, ihre Kampferfahrungen in
       Ostafrika anzubieten. Sie gründeten die NGO [39][Veterans Empowered to
       Protect African Wildlife (VETPAW)], um „die unbestrittenen Fähigkeiten und
       Erfahrungen der 9/11-Veteranen zu nutzen“, wie es auf der Internetseite
       beschrieben wird. Ihre Mission: den Wildtierbestand in Tansania zu retten.
       
       Die vom Sender Animal Planet produzierte Dokumentarserie „Blood Ivory“, die
       die Veteranen in die tansanische Savanne begleitet, erzählt von jungen
       Männern und Frauen mit unbehandelter posttraumatischer
       Stresssyndrom-Symptomatik (PTSD). VETPAW-Gründer Ryan Tate, damals gerade
       einmal 30 Jahre alt, erklärte, [40][er habe sich in Afrika zu einem neuen
       „Krieg“ gemeldet]: „Jeder leidet unter PTSD, wenn er aus einem Krieg
       zurückkehrt […]. Es gibt all diese Veteranen, die mit Milliarden von
       US-Dollar ausgebildet wurden, aber die Regierung braucht sie nicht mehr –
       ich habe Verwendung für sie gefunden.“
       
       Seine Verwendung ließ sich täglich auf den sozialen Medien verfolgen,
       wodurch VETPAW mehr Spenden einwerben wollte. Kurz bevor die ehemalige
       Mechanikerin der US-Armee, Kinessa Johnson, 2015 ins Flugzeug nach
       Ostafrika stieg, gab sie in den USA ein TV-Interview. Sie erklärte: „Wir
       werden ein paar schlimme Jungs töten und was Gutes tun!“
       
       Diese Medienöffentlichkeit wurde VETPAW letztlich zum Verhängnis. Tansanias
       Ministerium für Natürliche Ressourcen und Tourismus sowie die Polizei
       hatten VETPAW zuerst das Okay gegeben, die Ranger im
       Ngorongoro-Schutzgebiet und im Rungwa-Game-Reserve zu trainieren. Mit ihrer
       Hilfe wurden 25 Wilderer festgenommen – ein Erfolg, der von VETPAW medial
       ausgeschlachtet wurde. Doch damit wurden die Medien auch auf das Zitat von
       Johnson aufmerksam. Im Mai 2015 wurde VETPAW-Chef Tate morgens um drei Uhr
       in New York aus dem Bett geklingelt. Tansanias Tourismusminister Lazaro
       Nyalandu gab in Daressalam eine Pressekonferenz: Er sei „erschüttert“ und
       „enttäuscht“ über diese Aussage und erklärte die Zusammenarbeit mit VETPAW
       für beendet. Angaben auf der VETPAW-Internetseite zufolge ist die NGO nach
       wie vor in Afrika aktiv. Wo genau, das wird allerdings nicht beschrieben.
       
       US-Botschafter Mark Childress in Tansania ließ nach dem Skandal das 403.
       Bataillon für zivile Angelegenheiten vom US-amerikanischen Afrika-Kommando
       (AFRICOM) einfliegen. „Ich sage euch eins“, [41][erklärte er in seiner
       Kampfansage], „wenn ich ein Wilderer in Tansania wäre und morgens aufwachen
       würde und in den Nachrichten hören würde, dass AFRICOM hier ist – dann wäre
       das für mich eine wirklich schlechte Nachricht.“
       
       Von 2015 bis 2018 bildeten US-Militärs mit umgerechnet rund 13 Millionen
       Euro aus dem Budget der Entwicklungsagentur USAID eine 300-Soldaten-starke
       Anti-Wilderei-Einheit für die tansanische Wildtierschutzbehörde Tansania
       Wildlife Management Agency (TAWA) aus. [42][Rekrutiert wurden die Wildhüter
       durch die tansanische Armee]. Neben Stiefeln, Ferngläsern, Taschenlampen
       und Uniformen erhielt TAWA Patrouillenfahrzeuge und
       Telekommunikationssysteme aus den USA.
       
       Mit deutscher Hilfe wurden zur selben Zeit in Tansania die
       Wildtierschutzbehörde und Strafverfolgungsbehörden umorganisiert. Seit 2016
       gibt es ein Komitee, in dem sich sowohl Vertreter der Wildtierbehörde TAWA
       als auch des WWF, der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), der
       deutschen Entwicklungsbank KfW sowie der tansanischen Regierung und
       Vertretern der lokalen Bevölkerung vierteljährlich treffen. Das
       Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) hat über die KfW
       dafür [43][18 Millionen Euro für vier Jahre bereitgestellt].
       Haupteinnahmequelle der TAWA soll jedoch in Zukunft der Tourismus sein, so
       der für Tansania zuständige WWF-Vertreter Johannes Kirchgatter. Das Land
       hat mittlerweile ein Viertel seiner Fläche zum Schutzgebiet deklariert.
       
       In Tansania ist die Trendwende geschafft. Symbolisch steht dafür das Urteil
       in einem Prozess gegen den womöglich größten Wilderer-Ring Afrikas: 15
       Jahre Haft und eine Geldstrafe von umgerechnet 11,6 Millionen Euro – so
       lautet der [44][Richterspruch im Fall der sogenannten Elfenbeinkönigin im
       Februar 2019]. Das Gericht in Daressalam verurteilte sie zudem wegen
       Führung einer kriminellen Vereinigung.
       
       Die Chinesin Yang Fenglan galt jahrzehntelang als die Patin eines
       Mafiarings aus chinesischen Investoren und Politikern, der den
       Elfenbeinhandel aus Ostafrika nach China und Vietnam wie ein Kartell
       dominierte und über 2,25 Millionen Euro Profit erwirtschaftet hatte. Laut
       Gerichtsurteil hatte sie 840 Stoßzähne zwischen 2000 und 2014 außer Landes
       geschmuggelt – dafür wurden 420 Elefanten getötet.
       
       Im Zuge des Verfahrens wurde auch die Zusammenarbeit der Chinesen mit
       tansanischen Offiziellen im Geschäft um das Elfenbein bekannt: Als 2014 der
       Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas Xi Jinping auf seiner
       ersten Auslandsreise nach Tansania geflogen war, verdoppelten sich die
       Elfenbeinpreise am Tag vor seiner Ankunft auf umgerechnet 631 Euro pro
       Kilo. Tausende Kilogramm Elfenbein wurden im Diplomatengepäck der
       Präsidentenmaschine nach China ausgeflogen. Ohne die tief verwurzelte
       Korruption in der politischen Elite in Tansania wären solche Geschäfte
       unmöglich, so Rebeca Sandoval von EAGLE, einer NGO, die sich gegen
       Korruption im Wildtiergeschäft einsetzt. Sie erklärt: „Im Handel mit
       Wildtierprodukten ist Korruption überall zu 100 Prozent garantiert.“
       
       Die Game Rangers Association of Africa lobte [45][in einer Pressemitteilung
       zwar das zunehmende Engagement ausländischer Ausbilder im Wildtierschutz],
       klagte jedoch: „Auch wenn es sich um ehrenwerte Intentionen handele, gebe
       es zunehmend Bedenken.“ Der Hauptkritikpunkt: Die Arbeit der Ranger
       unterscheide sich kaum noch von der eines Soldaten oder einer Soldatin in
       einem Kriegsgebiet. Der Gebrauch von Scharfschützengewehren sollte aber im
       Einsatz gegen Wilder*innen unmittelbar zur Verhaftung der Ranger führen,
       denn „Ranger müssen stets die grundlegenden Menschenrechte respektieren,
       wenn sie mit Verdächtigen umgehen“, so die Empfehlung.
       
       ## Naturschutz 2.0
       
       Bereits Elefantenforscher Douglas-Hamilton hatte in seiner Rede vor dem
       US-Senat 2012 ein ganzes militärisches Arsenal für die Parks verlangt:
       Hubschrauber, Flugzeuge, Drohnen, GPS-Sender, die in Wildtiere eingepflanzt
       werden, um via Satellitenverbindung ihre Bewegung zu verfolgen, sowie
       andere „Hightechlösungen“. Konkret nannte er Softwareanwendungen, die seine
       NGO gerade entwickle: „Ein Algorithmus, der Verletzungen und Tod“
       feststellen [46][und dann automatisch Patrouillen alarmieren könne].
       
       Seine Forderungen waren erfolgreich: 2016 wurde in den USA das [47][Globale
       Anti-Wilderei-Gesetz] verabschiedet, welches letztlich die
       US-Entwicklungsagentur USAID beauftragte, auch in Afrika gegen die Wilderei
       vorzugehen. Die meisten Projekte werden von der US-NGO [48][Wildlife
       Conservation Society (WCS)] [49][umgesetzt]. In Paragraf 401 des Gesetzes
       heißt es ausdrücklich: „Die USA sollen weiterhin militärische Güter (jedoch
       keine signifikante Ausrüstung), Verteidigungsdienste und relevante
       Ausbildung von angemessenen Sicherheitskräften in die afrikanischen Länder
       liefern, die dem Zweck des Kampfes gegen den Wildtierhandel und die
       Wilderei dienen.“
       
       Wer heute den Kontrollraum eines modernisierten afrikanischen Nationalparks
       betritt, glaubt seinen Augen kaum. „Es erinnert an einen James-Bond-Film
       oder an ‚Jurassic Park‘“, so Politikwissenschaftler Chistopher Day. Auf
       Bildschirmen lässt sich die Bewegung von Tieren nachvollziehen, die mit
       GPS-Sendern ausgestattet sind. An strategischen Wasserstellen, wo sich
       Tiere in großen Herden sammeln und eine leichte Beute für Wilderer
       darstellen, sind Überwachungskameras installiert. Ranger tragen ebenso
       GPS-Sender, um auch ihre Bewegung zu überwachen und sie im Notfall per Funk
       zu verständigen.
       
       Dank ausgefeilter Überwachungstechnologie lassen sich Eindringlinge
       aufspüren: Betritt eine Wilderin oder ein Wilderer mit Handy den Park,
       registrieren die Funkmasten ein nicht identifiziertes Signal. Drohnen
       werden gestartet, um die Person ausfindig zu machen. Mittels
       Kleinflugzeugen, Hubschraubern oder Geländewagen können dann
       Anti-Wilderei-Einheiten losgeschickt werden. Diese sind mit schusssicheren
       Westen, Scharfschützengewehren, Nachtsicht- sowie Wärmebildkameras
       ausgestattet. So viele Hightechgeräte haben manch afrikanische Armeen und
       Geheimdienste nicht.
       
       All diese Ausrüstung ist teuer. Ihre Anschaffung wird in der Regel über
       internationale Gelder zur Anti-Wilderei-Bekämpfung finanziert. Die
       nationalen Budgets vieler Wildtierschutzbehörden sind aus
       Sicherheitsgründen nicht für die Öffentlichkeit einsehbar. Daher ist es
       schwer zu sagen, wie viel in jeden Park investiert wird; nicht nur in die
       Anschaffung, sondern auch in die Wartung der Geräte sowie die Ausbildung
       von Experten, die mit der Technik auch umgehen können. [50][Ugandas
       „Elephant Actionplan“ von 2016 bis 2026], den die Wildtierschutzbehörde UWA
       im Rahmen des von der Europäischen Union (EU) finanzierten
       [51][MIKE-Projekts von CITES] aufgesetzt hat, ermöglicht einen Einblick:
       Allein das Budget für die Ausbildungsprogramme – von Hundestaffeln über
       Geheimdienstabteilungen bis hin zu Gemeinde-Pfadfindern in den Dörfern, die
       den Behörden Informationen über potenzielle Wilderer liefern – umfasst 4,5
       Millionen Euro.
       
       Finanziert wird dies fast ausschließlich von westlichen Gebern. In den acht
       ostafrikanischen Fokusländern, die von CITES für das MIKE-Projekt
       auserkoren wurden – unter anderem Kenia, Tansania und Uganda –, wurde die
       Anschaffung der Überwachungstechnologien über ein Projekt der EU finanziert
       und vom [52][Büro der Vereinten Nationen für Drogen und
       Verbrechensbekämpfung (UNODC) sowie der WCS implementiert]. USAID hat über
       die WCS wiederum von der israelischen Sicherheitsfirma Maisha durchgeführte
       Trainings bezahlt. Die NGO Save the Elephants setzte gemeinsam mit WCS
       sowie der Stiftung Earth Alliance von Leonardo DiCaprio den Elephant Crisis
       Fund auf, der „schnell die besten Ideen fördert“, wie auf der Webseite
       angepriesen wird. In den vergangenen Jahren wurden in diesem Rahmen
       umgerechnet [53][rund 18 Millionen Euro ausgezahlt, um 257
       Anti-Wilderei-Projekte in Afrika zu ermöglichen].
       
       Mit der zunehmenden Technologisierung des Naturschutzes sehen mittlerweile
       auch Techkonzerne in Afrikas Naturschutzbehörden ihre zukünftigen Kunden:
       Gemeinsam mit dem WWF und einer Spende von über 4,5 Millionen Euro von
       Google wurden 2017 Bathawk-Drohnen an African Parks geliefert, um ein
       umfassendes Experiment in Malawi zu starten, welches die Wirksamkeit von
       Drohnen im Kampf gegen die Wilderei untersuchen soll. Seit 2017 arbeitet
       die Onlineplattform Instagram mit Naturschutz-NGOs wie WWF und
       [54][TRAFFIC] zusammen und meldet ihnen, [55][wenn Nutzer Suchmeldungen
       eingeben, die in Zusammenhang mit Wilderei gebracht werden können].
       
       Der WWF ist mittlerweile ein großer Kunde für die Drohnentechnologie. Seit
       2012 testet die NGO im Rahmen seines Projekts Wildlife Crime Technology die
       Anwendung von Hochtechnologien im Artenschutz. [56][Die Erfolgsgeschichten
       werden auf der WWF-Webseite veröffentlicht]. Auch aus Deutschland werden
       über den WWF neue Technologien geliefert. Drohnen, Nachtsicht- und
       Infrarotkameras seien zwar effektiv, aber nur das i-Tüpfelchen, so
       Kirchgatter vom WWF Deutschland, nachdem die Wildhüter, Fahrzeuge und
       Stromanschluss bezahlt seien. Oft fehle es an Gummistiefeln. „Eine
       Militarisierung ist nicht Ziel und Lösung des Problems“, erklärt er
       dennoch.
       
       ## Neue Kunden der Rüstungsindustrie
       
       Afrikas führendes Rüstungsunternehmen hat die Parkbehörden als neue Kunden
       gewinnen können. Ivor Ichikowitz ist der Gründer und Geschäftsführer der
       südafrikanischen Paramount Group und einer der reichsten Unternehmer des
       Kontinents. Seine Firma produziert Kampfhubschrauber, Kampfflugzeuge,
       Kriegsschiffe und gepanzerte Fahrzeuge. Zu seinen Abnehmern gehören Regime
       wie in Saudi Arabien und Kasachstan und neuerdings auch afrikanische
       Nationalparks.
       
       Ichikowitz' Familienstiftung will sich in Zukunft für den Artenschutz in
       Afrika einsetzen, verkündete der Milliardär auf einem Forum in Griechenland
       zu Beginn 2019. Bereits 2016 lieferte Paramount Kampfhubschrauber zur
       Wildereibekämpfung an die National Parks Agency in Gabun. Auf der
       [57][Webseite der Stiftung] prangt eine lange Liste afrikanischer
       Parkbehörden und NGOs, die von Paramount mit Trainings und Ausrüstung
       versorgt wurden. Berühmt geworden ist die weltweit erste K9-Hundestaffel
       zum Aufspüren von Wilderern, die mithilfe von Fallschirmen aus dem Flugzeug
       oder Hubschrauber heraus abspringen kann.
       
       Mittlerweile sind auch deutsche Rüstungsunternehmen an den afrikanischen
       Nationalparks interessiert. Der führende Rüstungskonzern Rheinmetall AG hat
       2016 ein Gesamtkonzept für die Rundumüberwachung der Parks entworfen:
       Drohnen, Satellitenüberwachung sowie elektrische, mit Sensoren
       ausgestattete Zäune. Der ehemalige Entwicklungsminister und heutige
       Cheflobbyist von Rheinmetall, Dirk Niebel, hat dem BMZ im Jahr 2016 ein 20
       Millionen Euro umfassendes Konzept für den Etosha-Park in Namibia
       vorgelegt, wofür sich das Unternehmen eine Anschubfinanzierung aus
       deutschen Steuergeldern erhoffte.
       
       Auch mit WWF, GIZ, KfW und dem US-Außenministerium habe Niebel gesprochen.
       „Wir stellen wie in einem Warenhaus vor, was möglich ist“, so Niebel, ein
       Baukastensystem, „in dem man dann modulartig aussuchen kann, was man haben
       möchte und was man gebrauchen kann.“ Namibia sei ein „gutes Umfeld“, um die
       „teure Variante des Wildtierschutzes“ anzuwenden, heißt, die präventive
       Verhinderung der Wilderei sowie die Wilderer dingfest zu machen und
       einzusperren. „Es gibt andere Länder, da kostet die Bekämpfung der Wilderei
       den Preis einer Patrone.“ Das BMZ stellt jedoch auf Anfrage klar, die
       Rheinmetall-Vorschläge würden nicht weiterverfolgt.
       
       Vonseiten des BMZ heißt es klar: Es werden keine militärischen Geräte
       geliefert. [58][Als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei listet
       die Bundesregierung die Gegenstände auf], die sie seit 2009 in Kooperation
       mit der ZGF bereitgestellt habe. Darunter sind Kleinflugzeuge, Motorräder
       und Lastwagen, Satelliten‐Internet‐Verbindungssysteme, Rangeruniformen,
       Wärmebildkameras, Navigationsausrüstung, Funkgeräte sowie
       Ausrüstungsgegenstände zum Aufbau von Artenschutz‐Spürhundeeinheiten.
       
       ## Ein Schießbefehl auf Wilderer?
       
       In ihrem Aufsatz [59][„Waging War to Save Biodiversity“] kommt die
       Wissenschaftlerin Rosaleen Duffy von der Forschergruppe [60][BioSec] zum
       Schluss: Die Zunahme militärischer Akteure im Naturschutzsektor führte in
       den vergangenen Jahren zu einem grundlegenden Richtungswechsel in den
       Naturschutzansätzen. Waren in den 1980er und 1990er Jahren noch mehr
       partizipative Ansätze gepflegt worden, mit denen die lokale Bevölkerung in
       den Naturschutzes mit einbezogen werden sollte, werden die Menschen
       mittlerweile zunehmend als Feinde betrachtet und die Schutzgebiete mithilfe
       ausgefeilter Überwachungstechnologien wie Festungen verteidigt.
       
       Die mutmaßliche Verbindung zwischen Wilderern, Rebellen und Terroristen
       rechtfertigte zudem den Einsatz brutaler Methoden, der schon vor
       Jahrzehnten eigentlich als unhaltbar galt. Bereits 1988 hatte der damalige
       kenianische Präsident Daniel Arap Moi der kenianischen
       Wildtierschutzbehörde (KWS) einen Schießbefehl gegen Wilderer erteilt. In
       Simbabwe und Tansania wurden in den 1980er und 1990er Jahren gezielte
       Operationen gegen Wilderer in den Parks und den umliegenden Gemeinden
       durchgeführt, ebenfalls mit der Erlaubnis zu schießen.
       
       Berühmt geworden ist die 1987 in Südafrika durchgeführte „Operation Lock“,
       die vom WWF als Anti-Wilderei-Mission finanziert wurde. Der WWF heuerte
       damals die private südafrikanische Sicherheitsfirma KAS Enterprises an, die
       enge Beziehungen zum Apartheidregime unterhielt. Sie nutzten
       Kampfhubschrauber, um mutmaßliche Wilderer in den Parks aufzustöbern.
       Bereits damals wurde bekannt, dass die KAS-Söldner vor allem Jagd auf
       Mitglieder der Antiapartheidbewegung, also auf politische Gegner, machten.
       
       In Ländern wie Botswana ist diese „Shoot to Kill“-Politik, die dort 2013
       ausgerufen wurde, aber keine gesetzliche Grundlage hat, nach wie vor
       aktuell. 2015 wurde publik, dass botsuanische Wildhüter 30 Namibier und 22
       Simbabwer getötet hatten, [61][die sie in den grenznahen Parks als Wilderer
       angetroffen hatten]. Tshekedi Khama, Botswanas Umwelt- und
       Tourismusminister und Bruder des damaligen Präsidenten Ian Khama, erklärte:
       [62][„Wenn du nach Botswana kommst, um zu wildern, dann besteht die
       Möglichkeit, dass du nicht lebend zurückkehren wirst.“]
       
       Diese Politik hatte Erfolg: Jahrelang wurde in Botswana kein Elefant
       erlegt. Die botsuanischen Parks galten als so sicher, dass ganze Herden aus
       den Nachbarländern migrierten. Das Land beherbergt mittlerweile die größten
       Elefantenbestände Afrikas. Als Botswanas neuer Präsident Mokgweetsi Masisi
       2018 diesen Schießbefehl wieder aufhob und die Parkranger radikal
       entwaffnen ließ, wurden kurz darauf rund 90 Elefantenkadaver gefunden. In
       einer Pressemitteilung kritisierte die Regierung Medienberichte, wonach die
       Wilderer wieder nach Botswana gekommen seien, da dort die Ranger keine
       Waffen mehr tragen würden. Vielmehr sei [63][mittlerweile die Armee
       beauftragt worden, gegen Wilderer vorzugehen], so die Erklärung der
       Regierung. Die „Shoot to kill“-Politik wurde also gar nicht aufgegeben,
       statt den Wildhüter übernimmt aber nun das Militär diese Aufgabe.
       
       2018 wurde im Queen-Elizabeth-Park in Uganda eine Gruppe unbewaffneter
       Wilderer, die einen Büffel mit Fallen erlegt hatte, von den Rangern
       erwischt und erschossen. Präsident Yoweri Museveni bekräftigte daraufhin
       bei einem Besuch des Parks die „Shoot to kill“-Politik, tadelte aber den
       Parkchef Eduard Asalu mit den Worten: „Wenn jemand eine Waffe trägt, dann
       sollt ihr schießen – doch wenn sie nur Speere und Netze tragen, warum tötet
       ihr sie?“ Auch Asalu bestätigt im Interview: „Diejenigen, die bewaffnet in
       den Park kommen, die kann man nicht einfach verhaften. Ich denke, Sie
       wissen das“, sagt er und deutet damit an, dass es in diesem Fall üblich
       ist, auf bewaffnete Eindringlinge zu schießen.
       
       10 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://ugandacf.org/
   DIR [2] https://cites.org/
   DIR [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Washingtoner_Artenschutz%C3%BCbereinkommen
   DIR [4] https://www.iucn.org
   DIR [5] https://cites.org/eng/news/pr/African_elephant_poaching_down_ivory_seizures_up_and_hit_record_high_24102017
   DIR [6] http://www.iucnredlist.org/species/39999/17989719
   DIR [7] https://fzs.org/de/
   DIR [8] http://www.wwf.de
   DIR [9] http://www.iucn.org/content/rising-murder-toll-park-rangers-calls-tougher-laws
   DIR [10] http://d2ouvy59p0dg6k.cloudfront.net/downloads/wwf_rangers_survey_report_181005_hires_page_2.pdf
   DIR [11] https://cites.org/eng/prog/mike/proj/mikes
   DIR [12] /!5669805/
   DIR [13] http://www.biosecproject.org
   DIR [14] /!5669805/
   DIR [15] /Das-Geschaeft-mit-der-Holzkohle/!5019603
   DIR [16] /Kongos-Rebellen-im-Tourismusgeschaeft/!5081256
   DIR [17] /Der-Virunga-Nationalpark-und-seine-Hueter/!5204085
   DIR [18] https://www.imdb.com/title/tt3455224/
   DIR [19] http://extwprlegs1.fao.org/docs/pdf/Cng175058.pdf
   DIR [20] https://www.africanparks.org/
   DIR [21] http://www.africanparks.org/garamba-story-resilience-and-hope
   DIR [22] /Anschlaege-in-Uganda/!5139173
   DIR [23] /Geiselnahme-in-Kenia/!5058442
   DIR [24] https://theconversation.com/how-kenyas-tourism-industry-has-felt-the-impact-of-terrorist-attacks-110151
   DIR [25] http://www.govinfo.gov/content/pkg/CHRG-112shrg76689/html/CHRG-112shrg76689.htm
   DIR [26] https://web.archive.org/web/20130525175158/http://elephantleague.org/project/africas-white-gold-of-jihad-al-shabaab-and-conflict-ivory/
   DIR [27] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5671719
   DIR [28] http://www.conservation-watch.org/2016/11/04/how-wwf-and-wcs-came-to-hire-a-private-security-firm-in-dzanga-sangha-central-african-republic/
   DIR [29] http://www.wwf-congobasin.org/?239452%2FPeace-has-returned-to-Dzanga-Sangha-but-the-battle-to-conserve-its-wildlife-goes-on
   DIR [30] https://www.maisha-group.com/
   DIR [31] https://earthleagueinternational.org/
   DIR [32] https://wildleaks.org/
   DIR [33] https://journals.uair.arizona.edu/index.php/JPE/article/view/21146
   DIR [34] https://earthleagueinternational.org/wp-content/uploads/2016/02/Report-Ivory-al-Shabaab-Oct2016.pdf
   DIR [35] https://enoughproject.org/files/Tusk_Wars_10262015.pdf
   DIR [36] http://www.conservationandsociety.org/text.asp?2019%2F17%2F3%2F258%2F261497
   DIR [37] http://www.observer.ug/news/headlines/17456-updf-in-kony-hunt-accused-of-rape-looting
   DIR [38] http://www.africanparks.org/press-release/garamba-park-80-year-anniversary-commemoration
   DIR [39] http://www.vetpaw.org
   DIR [40] http://www.theguardian.com/environment/2017/may/30/us-army-veterans-find-peace-protecting-rhinos-poaching-south-africa
   DIR [41] http://www.hoa.africom.mil/video/10592/africom-provides-supplies-and-training-for-game-rangers-in-tanzania
   DIR [42] http://www.thecitizen.co.tz/News/1840340-4856190-j08xqz/index.html
   DIR [43] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/135/1813552.pdf
   DIR [44] /Kampf-gegen-Elfenbeinhandel-in-Afrika/!5575038
   DIR [45] http://www.gameranger.org/news-views/media-releases/170-media-stat
   DIR [46] http://www.govinfo.gov/content/pkg/CHRG-112shrg76689/html/CHRG-112shrg76689.htm
   DIR [47] https://www.congress.gov/bill/114th-congress/house-bill/2494
   DIR [48] https://www.wcs.org/
   DIR [49] http://www.govtrack.us/congress/bills/114/hr2494/text
   DIR [50] /pdf/2016_bis_20126_UWA_Elephant_Conservation_Action_Plan_for_Uganda.pdf
   DIR [51] https://cites.org/eng/prog/mike/proj/mikes
   DIR [52] https://sdg.iisd.org/news/eu-funds-cites-unodc-and-cms-collaboration-on-wildlife-conservation/
   DIR [53] https://assets.takeshape.io/207c4ff8-bdf4-4529-970e-b992d4539152/dev/114333f4-1d26-424c-8d05-ed54b1c4d21c/Elephant%20Crisis%20Fund%202018%20Overview.pdf
   DIR [54] https://www.traffic.org/
   DIR [55] http://www.inc.com/bonnie-burton/how-drones-instagram-googles-ai-are-helping-endangered-animals.html
   DIR [56] https://www.worldwildlife.org/projects/wildlife-crime-technology-project
   DIR [57] https://ichikowitzfoundation.com/index.php/conservation/
   DIR [58] https://kleineanfragen.de/bundestag/19/8418-aktuelle-entwicklungen-in-von-deutschland-finanzierten-schutzgebieten-in-afrika
   DIR [59] http://eprints.whiterose.ac.uk/109071/1/Duffy-Int%20Affairs%20pre%20publication%20version.pdf
   DIR [60] http://biosecproject.org
   DIR [61] https://africasustainableconservation.com/2018/06/01/botswana-masisi-ends-shoot-to-kill-approach-to-conservation/
   DIR [62] http://www.washingtonpost.com/news/morning-mix/wp/2018/09/04/its-open-season-for-poachers-nearly-90-elephants-killed-for-tusks-near-botswana-wildlife-sanctuary/?noredirect=on
   DIR [63] http://www.conservation-watch.org/2018/09/11/the-strange-story-of-botswanas-elephant-massacre/
       
       ## AUTOREN
       
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