# taz.de -- Neue Untersuchung zu Insektensterben: Glühwürmchen in Gefahr
> In England gibt es immer weniger der leuchtenden Käfer. Auch in
> Deutschland ist der Schwund hoch. Schuld sind vor allem Pestizide.
IMG Bild: 2000 Arten weltweit, aber immer seltener: das Glühwürmchen
Berlin taz | Früher leuchteten sie an Sommerabenden an Wegesrändern und auf
Feldern, doch heute muss man gezielt suchen, um die Glühwürmchen zu finden.
Die Lampyridae werden in Deutschland immer seltener, und mit ihnen geht ein
Stück Naturromantik verloren.
In Südengland hat eine neue [1][Langzeitstudie der Londoner Royal
Entomological Society] festgestellt, dass zwischen 2001 bis 2018 ein
jährlicher Rückgang von 3,5 Prozent gezählt wurde – insgesamt sind das
annähernd 75 Prozent weniger in 18 Jahren.
Als Gründe für diesen Schwund nennt die Studie vor allem das wärmere und
trockenere Klima. Ein leitender Wissenschaftler der Studie, Tim Gardiner,
bezeichnete den Anblick von Glühwürmchen als „magisch“ und fragte: „Wäre es
nicht traurig, wenn es diese Lebewesen nicht mehr gäbe?“
Das findet auch Werner Schulze, Sprecher des Bundesfachausschusses für
Entomologie des Naturschutzbunds (NABU). Er sieht die Schuld für das
Verschwinden der Insekten aber vor allem am flächendeckenden Einsatz von
Pestiziden. Der Rückgang an Beobachtungen der Insekten sei so deutlich, da
ihr Lebensraum schwinde.
## 75 Prozent weniger Insekten
Schulze ist sicher, dass auch die Glühwürmchen in Deutschland vom
allgemeinen [2][Insektenschwund] betroffen sind. Wissenschaftlichen
Erkenntnissen zufolge sollte der Klimawandel in Mitteleuropa eigentlich zu
einer Zunahme nicht nur an Insektenarten, aber auch an ihrer Biomasse
führen. Während die Artenzunahme zu beobachten ist, zeigte die grundlegende
Krefelder Studie 2017 aber, dass die Masse in Deutschland im Zeitraum
zwischen 1989 und 2015 um über 75 Prozent zurückgegangen war.
Dem flächendeckenden Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln wird
dabei eine besondere Rolle zugeschrieben. Schulze bezeichnete die
„generelle Auswirkung von Pestiziden“ als „dramatisch“, ebenso wie den
allgemeinen Insektenschwund.
Um das Insektensterben abzumildern, müssten sowohl Abläufe in der
Landwirtschaft als auch in der Gesellschaft verändert werden. Allerdings
merkt er auch an, dass Landwirte besser bezahlt werden und Lebensmittel
mehr kosten müssten, um mehr nachhaltige Landwirtschaft zu ermöglichen.
Während es weltweit über 2.000 Arten von Glühwürmchen gibt, sind es in
Mitteleuropa nur 3, die sich vor allem durch ihre Größe unterscheiden. In
Deutschland können sie nur im Juni und Juli beobachtet werden. Generell
können nur die männlichen Käfer fliegen. Das Leuchten der Glühwürmchen wird
durch einen chemischen Prozess im Unterleib verursacht und dient nach
bisherigen Erkenntnissen vor allem der Partnersuche.
Der große Leuchtkäfer sowie der Kurzflügel-Leuchtkäfer sind in Deutschland
nur wenig verbreitet, bei ihnen könnten keine genauen Angaben zu einem
Rückgang gemacht werden, sagt Schulze. Bei dem am häufigsten vorkommenden
kleinen Leuchtkäfer sind laut dem Insektenkundler die Verbreitungsräume
[3][besonders durch Land- und Forstwirtschaft] sowie durch
Lichtverschmutzung zurückgegangen. An vielen Orten sei er verschwunden.
Noch zu beobachten sei er bevorzugt auf Wiesen und in Gebüschen, aber vor
allem an Waldrändern und Feuchtgebieten.
6 Mar 2020
## LINKS
DIR [1] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/icad.12407
DIR [2] /Runder-Tisch-zu-Insektenschutz/!5666419
DIR [3] /Streit-zwischen-EU-und-Deutschland/!5660011
## AUTOREN
DIR Frederik Schmidt
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