URI: 
       # taz.de -- MH17-Prozess in den Niederlanden: 298-facher Mord
       
       > Der Prozessauftakt zum Abschuß von MH17 über der Ukraine findet ohne
       > Beschuldigte statt. Angeklagt sind vier Vertreter prorussischer
       > Separatisten.
       
   IMG Bild: Drei StaatsanwältInnen vor Prozessbeginn am Montag, dem 9. März in Schiphol
       
       Amsterdam taz | Fünfeinhalb Jahre nach dem Abschuss des Passagierflugs MH17
       auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur beginnt in den Niederlanden
       heute der Prozess gegen [1][vier Verdächtige]. Es handelt sich um drei
       russische und einen ukrainischen Staatsbürger in hohen militärischen
       Positionen innerhalb der prorussischen Rebellen. Weil beide Länder keine
       Staatsbürger ausliefern, wird die Angeklagtenbank vor dem speziell
       gesicherten Gerichtshof beim Flughafen Schiphol aller Wahrscheinlichkeit
       nach leer bleiben.
       
       Beim Abschuss des Malaysia-Airlines-Flugzeugs am 17. Juli 2014 über dem
       Kriegsgebiet in der östlichen Ukraine kamen alle 298 Insassen ums Leben,
       darunter allein 196 aus den Niederlanden, wo das Thema seither besonders
       brisant ist. Der langsame Fortgang der Ermittlungen sorgte zwischenzeitlich
       für viel Kritik an der Informationspolitik von Regierung und
       Staatsanwaltschaft.
       
       Auch aus Malaysia (43, darunter die 15-köpfige Crew) und Australien (27)
       stammten viele Opfer. Die Staatsanwaltschaften der drei Länder ermitteln in
       einem Joint Investigation Team (JIT) unter niederländischer Leitung
       gemeinsam mit der Ukraine und Belgien, das genau wie Deutschland vier
       Todesopfer zu beklagen hatte.
       
       Die Angeklagepunkte lauten auf Verursachung des Absturzes mit tödlicher
       Folge für alle Insassen sowie Mord an den 298 Passagieren. Der
       prominenteste der vier Verdächtigen ist Igor Girkin, der unter dem Namen
       “Strelkow“ einer der bekanntesten Köpfe der Separatisten war. Der frühere
       Geheimdienstler war Verteidigungsminister und Armeechef der selbsternannten
       Volksrepublik Donezk, über deren Gebiet der Abschuss stattfand.
       
       ## Direkter Kontakt zu Moskau
       
       Weiterhin geht es um seinen Stellvertreter Sergei Dubinsky, auch bekannt
       als “Khmuryi“, ein Angehöriger des militärischen Geheimdiensts GRU, und
       Oleg Pulatow, Mitglied einer GRU- Spezialeinheit und stellvertretender
       Geheimdienst-Chef in Donezk. Beim einzigen ukrainischen Staatsbürger
       handelt es sich um Leonid Kharchenko, der zum Zeitpunkt des Abschusses im
       Gebiet von Donezk eine militärische Einheit befehligte.
       
       Laut JIT standen Girkin und Dubnski [2][in direktem Kontakt mit der
       Russischen Föderation]. Die Ermittler sehen es als erwiesen an, dass die
       vier Verdächtigen eine Befehlskette bildeten, über die im Juli 2014 ein
       BUK-Telar-System in einem Konvoi aus der russischen Stadt Kursk in die
       Ukraine transportiert wurde.
       
       In einem Bericht vom Juni 2019 heißt es, die für den MH17-Abschuss
       verantwortliche Rakete stamme von der 53. russischen Luftabwehrbrigade aus
       Kursk. Laut Fred Westerbeke, der im Namen der niederländischen
       Staatsanwaltschaft die Ermittlingen leitete, “spielte sie eine wichtige
       Rolle beim Tod von 298 unschuldigen Bürgern“.
       
       Der Angeklagte Igor Girkin hat eine Schuld der Separatisten zurückgewiesen.
       Das russische Außenministerium kommentierte, die Befunde der Ermittler
       „zielten darauf ab die Russische Föderation in den Augen der
       internationalen Gemeinschaft zu diskreditieren“.
       
       ## Manipulierte Beweise
       
       Das JIT habe „zweifelhafte Informationsquellen“ und von der Ukraine
       manipulierte Beweise mit einbezogen und von Russland angebotenes
       Beweismaterial ignoriert. Auch dass die Ukraine Teil des internationalen
       Ermittlungsverbunds ist, stößt in Russland auf Kritik.
       
       Die Ermittlungen der vergangenen Jahre waren geprägt von starken Spannungen
       zwischen den JIT-Ländern und Russland. Exemplarisch dafür steht die
       ursprünglich von Moskau vertretene Version, das Flugzeug sei von einem
       ukrainischen Kampfjet abgeschossen worden. Das russische Staatsfernsehen
       präsentierte dazu vermeintliche Satellitenbilder, hat inzwischen aber
       eingeräumt, dass diese gefälscht waren.
       
       Auch beim nun beginnenden Prozess, zu dem sich gut 400 Journalisten aus 20
       Ländern akkreditiert haben, werden diese Umstände sichtbar sein. Die
       niederländische Staatsanwaltschaft machte kürzlich bekannt, dass 13 Zeugen
       wegen “erheblicher Risiken“ anonym bleiben werden.
       
       9 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Abschuss-der-Boeing-MH17/!5601774
   DIR [2] /Russland-zum-Abschuss-von-MH-17/!5212589
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Müller
       
       ## TAGS
       
   DIR MH17
   DIR Niederlande
   DIR Prozess
   DIR Ukraine
   DIR Russland
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Niederlande
   DIR Flug MH17
   DIR Flug MH17
   DIR Niederlande
   DIR Ukraine
   DIR Flug MH17
   DIR Malaysia Airlines
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Prozess um MH17-Abschuss: Mord über den Wolken
       
       Wer ist für den Tod von 298 Menschen verantwortlich? Seit Jahren geht ein
       Amsterdamer Gericht dieser Frage nach. Am Donnerstag soll das Urteil
       fallen.
       
   DIR Abschuss von Passagierflug MH17: Anklage fordert lebenslange Haft
       
       298 Menschen wurden 2014 getötet, als das Passagierflugzeug MH17 über der
       Ostukraine abgeschossen wurde. Die Staatsanwaltschaft fordert
       lebenslänglich.
       
   DIR MH17-Prozess in den Niederlanden: Das Hauptverfahren beginnt
       
       2014 wurde ein Flugzeug über der Ukraine abgeschossen. Nun stehen erste
       Anhörungen im MH17-Prozess an. Die Angeklagten sind abwesend.
       
   DIR Prozess um MH17-Abschuss in Ukraine: Leben mit der Erinnerung
       
       Bald sechs Jahre sind vergangen, seit Hans de Borst seine Tochter verlor.
       Bei aller Trauer schöpft er neue Kraft: Am Montag beginnt der Prozess
       
   DIR Abschuss der Boeing MH17: Vier Haftbefehle wegen Mordes
       
       Niederländische Ermittler beschuldigen drei Russen und einen Ukrainer, 2014
       ein Passagierflugzeug über der Ostukraine abgeschossen zu haben.
       
   DIR Abschuss der MH 17 in der Ostukraine: BUK-Rakete stammt aus Russland
       
       Ein Ermittlerteam präsentiert einen Zwischenstand der Untersuchungen. Der
       Kreis der möglichen Täter wurde weiter eingegrenzt.
       
   DIR Bericht über MH-17-Abschuss: Spuren führen nach Russland
       
       Abgeschossen über der Ostukraine: Eine Internationale Kommission sieht die
       prorussischen Separatisten in der Verantwortung.
       
   DIR Niederlande nach dem Flugzeugabsturz: „Was für ein Horror“
       
       Nach dem Flugzeugabsturz in der Ukraine trauern die Niederländer um die
       Opfer. Noch am Freitag sollen Experten zur Absturzstelle reisen.