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       # taz.de -- Rechtslage im Corona-Alltag: Paragraphen gegen Viruswidrigkeiten
       
       > Das Coronavirus trifft ArbeitnehmerInnen und Eltern, Kleinselbstständige
       > auf unterschiedliche Weise. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
       
   IMG Bild: Tja. Umsatzrückgänge in einem Hotel, Restaurant oder Taxiunternehmen gelten als „Betriebsrisiko“
       
       Schulen oder Kitas haben wegen Corona geschlossen, einige Kinder müssen zu
       Hause bleiben, Mütter oder Väter können daher unter Umständen nicht
       arbeiten gehen. Kriegen sie trotzdem den vollen Lohn? 
       
       Ist die Kita oder Schule geschlossen und müssen Mutter oder Vater deswegen
       zu Hause bleiben, liegt eine „unverschuldete persönliche Verhinderung“ im
       Sinne des Paragrafen 616 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vor, heißt es in
       einem Merkblatt des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Aufgrund dieser
       Verhinderung hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin einen Anspruch
       auf eine bezahlte Freistellung, es sei denn, der Paragraf 616 ist durch
       Tarif- oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen.
       
       Die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) weist allerdings in ihrem
       Infoblatt zu Corona darauf hin, dass ein Elternteil laut Rechtsprechung
       zumindest die „Obliegenheit“ hat, sich versuchsweise um eine
       Ersatzbetreuung, etwa durch die Großeltern, zu kümmern, um doch noch zur
       Arbeit erscheinen zu können. Ist das Kind erkrankt, gelten die allgemeinen
       Regeln: Die Eltern haben das Recht, bis zu zehn Tage im Jahr, bei
       Alleinerziehenden 20 Tage, bezahlt freizunehmen, um den kranken Nachwuchs
       zu betreuen.
       
       Können ArbeitnehmerInnen einfach so zu Hause bleiben, wenn sie leichte
       Erkältungssymptome haben? 
       
       Für eine Krankschreibung muss man zum Arzt, der dann womöglich zu einer
       Anlaufstelle für einen Test auf Corona weiterschickt. Bei einem positiven
       Testergebnis gilt die Lohnfortzahlung wie bei allen Krankschreibungen.
       
       Für eine reine [1][Quarantäne zu Hause] braucht man einen schriftlichen
       Bescheid vom Gesundheitsamt, dass man zu den möglichen
       „Ansteckungsverdächtigen“ gehört, [2][etwa nach einer Italienreise]. Auch
       in der Quarantäne bekommt man den Lohn weitergezahlt, hier greift das
       Infektionsschutzgesetz mit der Lohnfortzahlung, die sich der Arbeitgeber
       dann aber vom Gesundheitsamt wieder holen kann. Auch Selbstständige haben
       im Fall eines konkreten und bescheinigten Ansteckungsverdachts das Recht
       auf einen Einkommensersatz durch das Gesundheitsamt.
       
       Ohne Krankschreibung oder Bescheid vom Gesundheitsamt kann man nur dann zu
       Hause bleiben, wenn es eine entsprechende Einigung mit dem Arbeitgeber
       gibt, etwa über eine Tätigkeit von zu Hause aus. Sonst besteht kein
       Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
       
       Was ist mit ReiseleiterInnen, Ausstellern, GastronomInnen, die jetzt hohe
       Einkommenseinbußen haben? Gibt es eine Entschädigung?
       
       Für den Ausfall von Großveranstaltungen und deren Folgen gibt es erst mal
       keinen Entschädigungsanspruch gegenüber dem Staat. Bei Corona schält sich
       die Begründung „höhere Gewalt“ heraus. Bei „höherer Gewalt“ bleiben
       VertragspartnerInnen zunächst auf ihren Kosten sitzen. Haben sich
       Veranstalter gegen Ausfälle versichert, kommt es auf die Ausschlussklauseln
       an. „Es zählt immer auch der einzelne Vertrag“, sagt Ralf Wickert,
       Fachanwalt für Unternehmensrecht in Koblenz.
       
       Laut dem Paragrafen 65 im Infektionsschutzgesetz gibt es zwar einen
       „Entschädigungsanspruch“ bei behördlichen Maßnahmen zum Infektionsschutz,
       die einen „nicht nur unwesentlichen Vermögensnachteil“ bewirken. Ungeklärt
       ist aber, inwieweit dieser Paragraf auch auf die Absage eines Events wegen
       einer Epidemie zutrifft.
       
       Wer Tickets für eine Großveranstaltung besitzt, bekommt dafür aber in der
       Regel das Eintrittsgeld zurückerstattet, heißt es bei der Berliner
       Verbraucherzentrale.
       
       Kann eine Firma einfach Leute entlassen oder Kurzarbeit anordnen mit dem
       Hinweis auf Umsatzrückgänge durch die Corona-Folgen? 
       
       Umsatzrückgänge in einem Hotel, Restaurant oder Taxiunternehmen gelten als
       „Betriebsrisiko“ und deren Folgen sind vom Unternehmen zu tragen.
       Arbeitgeber können daher auch nicht einfach „Zwangsurlaub“ für die
       Belegschaft anordnen, nur weil gerade etwas weniger zu tun ist, darauf
       weist der Gaststättenverband Dehoga hin.
       
       Allerdings werden die Voraussetzungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld
       erleichtert. Union und SPD hatten in der Nacht zum Montag in Berlin
       beschlossen, dass Betriebe das Kurzarbeitergeld schon nutzen können, wenn
       nur 10 Prozent der Beschäftigten von einem Arbeitsausfall betroffen sind,
       statt wie bisher ein Drittel. Der Arbeitsausfall muss mehr als 10 Prozent
       der sonst üblichen Arbeitsmenge betragen.
       
       Das Kurzarbeitergeld für die ausgefallenen Arbeitsstunden in Höhe von 67
       Prozent (60 Prozent für Kinderlose) des entgangenen Nettolohns zahlt die
       Bundesagentur für Arbeit. Die Sozialbeiträge für ausgefallene
       Arbeitsstunden sollen den Arbeitgebern durch die neue Regelung voll
       erstattet werden.
       
       9 Mar 2020
       
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