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       # taz.de -- Wirtschaftsschäden durch Virus: Crash nach Corona-Schock
       
       > Erst Corona, dann stürzt der Ölpreis ab, dann brechen die Kurse ein. Das
       > ist keine Verkettung unglücklicher Umstände, sondern eine Krise der
       > Ölbranche.
       
   IMG Bild: What the...! Wertpapierhändler an der Wall Street in New York am 9. März
       
       Berlin taz | Am Montag durften die Computer an der Wall Street für 15
       Minuten ihre Rechnerei einstellen: Nach Panikverkäufen am Beginn des
       Handelstags der wichtigsten Börse der Welt brachen die Kurse um mehr als 7
       Prozent ein. Bei dem Wert gibt es eine automatische Zwangspause, damit sich
       die Gemüter beruhigen, wie die Analystin Jill Schlesinger auf CBS News kurz
       darauf erklärte. Am Montagvormittag gab es ähnliche Einbrüche auf anderen
       Börsenplätzen rund um die Welt, auch in Deutschland.
       
       Am Dienstag haben sich die Märkte weltweit stabilisiert. US-Präsident
       Donald Trump hat ein Maßnahmenpaket gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen
       der Corona-Krise angekündigt. Vorerst ein rein psychologischer Effekt, der
       allein schon ausreicht, weitere Panik zu verhindern. Für die breite
       Mehrheit der Menschen, die keine Wertpapiere besitzen, hat das Auf und Ab
       der Börsen und anderer Papiere wie Staatsanleihen ohnehin keine
       Auswirkungen.
       
       Der Absturz am Montag hat mehrere Gründe, an deren Beginn das Coronavirus
       steht. [1][Besonders China verbraucht seitdem deutlich weniger Öl], weil
       Fabriken stillstehen und der Verkehr vielerorts ruht. Die Ölförderer der
       Opec-Staaten drosselten deshalb die Förderung, Russland wollte am
       Wochenende nicht mitziehen, also platzte die Absprache. Am Montagmorgen war
       der Ölpreis so um 30 Prozent eingebrochen, das gab es zuletzt 1991 in so
       kurzer Zeit. Der saudische Konzern Saudi Aramco kündigte an, die Preise zu
       senken und noch mehr Öl zu fördern. Analysten sprachen von einem bewussten
       „Ölpreis-Krieg“ zwischen Russland und Saudi-Arabien.
       
       Medien spekulierten, Russlands Präsident Wladimir Putin wolle sich an den
       USA für Sanktionen rächen und habe deshalb die Gespräche scheitern lassen:
       ein niedriger Ölpreis schade den US-Ölfirmen am meisten, die besonders
       teuer fördern und an Absprachen nicht gebunden wären. Eine sehr
       unwahrscheinliche Analyse, Putins Staatshaushalt hing 2014 zu 44 Prozent am
       Verkauf von Öl und Gas.
       
       Für den [2][Crash an den Märkten] kursierten unterschiedliche Erklärungen,
       die alle eine Rolle spielen dürften: „Es gibt keinen Zweifel, dass
       automatisierte Verkäufe durch Computer den Ausverkauf beschleunigt haben“,
       sagte etwa Marktanalyst Jeffrey Halley von der Handelsplattform Oanda.
       Außerdem ist es wohl schlicht Unverständnis; für die aktuelle Disruption
       des Welthandels aufgrund des Coronavirus gibt es kein historisches
       Beispiel, keine Schablone, nach der sich handeln ließe. „Die Leute werden
       verrückt. Sie verstehen die ökonomischen Einflüsse des Virus nicht und
       verkaufen einfach alles“, sagte Analystin Schlesinger.
       
       Die Finanzanalystin Kathy Hipple vom Institute for Energy Economics and
       Financial Analysis in Cleveland, USA, geht einen Schritt weiter. Sie sieht
       auch ein strukturelles Problem der Ölindustrie. So sei die gesamte
       Fracking-Industrie in den USA in einer schrecklichen ökonomischen
       Verfassung. „Das Geschäftsmodell Fracking hat sich nie ausgezahlt“, sagt
       sie. Bereits vor dem Ölschock sei eine Welle von Pleiten unter den Firmen
       zu verzeichnen gewesen.
       
       ## Es drohen Arbeitsplatzverluste
       
       Ihr Institut analysierte die 30 wichtigsten Firmen, die in den USA seit
       zehn Jahren Öl und Gas fracken und maßgeblich dazu beigetragen haben, dass
       das Land heute von Ölimporten fast unabhängig ist. Bis auf wenige Ausnahmen
       würden alle diese Firmen permanent Verlust machen.
       
       Allein der Ölgigant ExxonMobil habe 2019 11,7 Milliarden Dollar investiert.
       Alle hätten mit stabilen oder steigenden Ölpreisen gerechnet. Jetzt sinken
       sie. [3][Die Auswirkungen] seien noch nicht abzusehen. Vermutlich werde es
       aber zu Arbeitsplatzverlusten kommen, darunter in politisch umstrittenen
       Regionen, die in den kommenden US-Wahlen besonders umkämpft sein werden.
       
       In Deutschland reagierten immerhin die Benzinpreise bereits auf das
       Überangebot. Der Durchschnittspreis für Super E10 in den 100 größten
       Städten hat in den vergangenen Tagen nachgegeben. Fachleute erwarten nun
       noch weiter fallende Preise. „Die Marktentwicklung macht sich auch beim
       Kunden an der Zapfsäule bemerkbar“, sagt ein Sprecher des
       Mineralölwirtschaftsverbands MWV. Die Kraftstoffsteuern bilden zwar einen
       unveränderlichen Sockel, doch die Ölkonzerne geben die Einkaufspreise
       ansonsten an die Verbraucher weiter.
       
       Für die Aktienmärkte wagt derzeit angesichts der eskalierenden Coronakrise
       niemand eine Prognose. Nach ähnlich hohen Verlusten im Februar gab es ein
       paar Tage später aber wieder Rekordgewinne.
       
       Mitarbeit: Finn Mayer-Kuckuk
       
       10 Mar 2020
       
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