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       # taz.de -- Ex-Weltfußballer Ronaldinho im Knast: Eselei mit Ansage
       
       > Brasiliens Fußballlegende Ronaldinho ist 40 Jahre alt geworden. Seinen
       > Geburtstag hat er in einem Gefängnis in Paraguay verbracht.
       
   IMG Bild: Festnahme des Lächlers: Ronaldinho im Justizpalast von Asunción in Paraguay
       
       Wer den Schaden hat, und so weiter: Ronaldinho sei keineswegs bösartig –
       „er ist dumm“, zitierte die Folha de São Paulo den Anwalt des ehemaligen
       Weltfußballers, und schon weil es sich um eine renommierte Quelle handelt,
       muss man das wohl erst mal so stehen lassen. Auf den ersten Blick ist es ja
       wirklich schwer, sich einen anderen Reim darauf zu machen, dass ein immer
       noch A-Prominenter wie er mit einem gefälschten paraguayischen
       Personalausweis nach Paraguay einreisen wollte – und deshalb dort jetzt
       seit mittlerweile drei Wochen im Gefängnis sitzt.
       
       Auch wenn er sich seine legendär schiefen Zähne längst begradigen lassen
       hat: man kennt und erkennt ihn schon noch ganz gut. Name, Geburtstag und
       Geburtsort waren auch korrekt angegeben in dem Dokument mit vermeintlicher
       Gültigkeit bis zum 7. Januar 2030. Nicht tradiert war hingegen irgendeine
       Beziehung Ronaldinhos zu Paraguay, und die Grenzer kannten sicher auch das
       Gesetz, wonach es für die Staatsbürgerschaft mindestens drei Jahre festen
       Wohnsitz in ihrem Land braucht.
       
       Also wirklich eine Eselei – wenn man nicht eine andere Erklärung bemüht:
       Ronaldinho und sein mitreisender Berater-Bruder Roberto Assis (über den
       noch keiner sagte, er sei dumm), war glaubhaft versichert worden, dass es
       keine Probleme geben werde.
       
       ## Ein Steuersparmodell?
       
       Die Geschichte führt zu der obskuren Unternehmerin Dalia López, die den
       Fußballstar für einen Auftritt zugunsten einer Kinderinitiative für ihre
       christliche Stiftung engagiert hatte: das Foto auf den gefälschten
       Ausweisen ist dasselbe, das sie vorher auf den zugehörigen Werbeflyern
       verwandt hatte. Laut Darstellung seiner Anwälte hätten López und ihr
       brasilianischer Verbindungsmann die Assis-Brüder mit der Idee geködert, in
       Paraguay eine Firma gründen und damit Steuern sparen zu können.
       
       Nach Verdacht der Behörden soll die vermeintliche Wohltäterin freilich in
       Steuerhinterziehung, Geldwäsche und womöglich Drogenhandel verwickelt sein.
       Die Festsetzung Ronaldinhos gehört in den Kontext dieser Ermittlungen und
       kann als Warnsignal an die Korrupten im Land verstanden werden, kein freies
       Geleit mehr zu haben. López hält sich derzeit an unbekannter Stelle auf und
       hat sich wegen Corona-Angst, Diabetes und Hypertension für aussageunfähig
       erklärt. Insofern hat der Anwalt womöglich schon recht: Worauf sich
       Ronaldinho da eingelassen hat, dürfte er im Detail nicht überblicken.
       
       ## Leger und freigeistig
       
       Einst standen seine schiefen Zähne für grenzenlose Heiterkeit. Ronaldinho
       war in den 2000ern so etwas wie der Anti-Beckham – bei ihm musste Schönheit
       nicht stilisiert werden, sie kam von innen. Leger und freigeistig, der
       letzte Vertreter des brasilianischen „Futebol-Arte“. Pirouetten und Pässe,
       Tippkick-Tore, Freistöße unter der Mauer durch: für ein paar Jahre lebte
       die Illusion, dass dieser Sport auch im Hightech-Zeitalter noch mehr Kunst
       sein konnte als Körper.
       
       Zu seiner Glanzzeit beim FC Barcelona applaudierten ihm Madrider Estadio
       Santiago Bernabéu sogar die Fans des Erzrivalen Real – eine solche
       Respektbekundung wurde nicht mal Lionel Messi zuteil, und der
       Instagram-Hedonist Neymar ist bislang sowieso nur ein Abklatsch. 
       
       Nach seinen Weltfußballerauszeichnungen 2004 und 2005 verlor Ronaldinho
       bald den großen Drive, aber nie das Lachen. Er zeigte es halt nur besonders
       gern nachts. Plötzlich kam er nicht mehr an den Gegenspieler vorbei, ganz
       ohne Körper geht es im Sport dann eben doch nicht, und die letzten Jahre
       bis zu seinem offiziellen Karriereende 2018 kickte und tingelte er bloß
       noch durch die Gegend.
       
       Aber so eine Kurve gehört bei brasilianischen Stars ja fast schon zum guten
       Ton. Ronaldo landete während seiner legendären Ausschweifungen sogar bei
       Transvestiten – heute ist er Geschäftsmann und Eigentümer des spanischen
       Erstligisten Real Valladolid. Von Romário stammt zu aktiven Zeiten in
       Spanien der Satz: „Die Nacht war immer meine Freundin: Ich bin vorgestern
       ausgegangen, gestern auch, ich werde heute ausgehen und nächste Woche
       genauso“ – heute ist er Politiker, derzeit als Senator für den Bundesstaat
       Rio de Janeiro.
       
       Ronaldinho ist: Maskottchen. Sein Bruder – Manager wie Ersatz für den früh
       verstorbenen Vater – verhökert ihn an jeden und alles. Oft skurril, wie
       sein Cameo als Polizist in einer Reality-Show am Persischen Golf, bisweilen
       auch mit Geschmäckle: Während Brasiliens letztem Präsidentschaftswahlkampf
       partizipierte Ronaldinho für knapp 200.000 Euro an einem Hobbykick einer
       Kaufhauskette, deren Eigentümer dem Rechtspopulisten Jair Bolsonaro
       nahesteht. Zwei Tage später [1][rief Ronaldinho in den sozialen Netzwerken
       zur Wahl Bolsonaros auf, des heutigen Präsidenten].
       
       ## Im Griff des Bruders
       
       Womöglich als Dankeschön ernannte ihn die staatliche Tourismusbehörde
       voriges Jahr zum brasilianischen Destinationsbotschafter. Das sorgte für
       Staunen: Ronaldinho (und sein Bruder) hatten zu diesem Zeitpunkt nicht mal
       einen brasilianischen Pass. Er war ihnen entzogen worden, weil sie sich
       seit Jahren weigerten, diverse Strafen in Gesamthöhe von über 1,5 Millionen
       Euro wegen illegaler Bebauung eines Naturschutzgebietes zu begleichen.
       
       Auch bekamen sie ein Verfahren wegen des Verdachts auf Betrug durch eine
       Kryptowährung („Ronaldinho Soccer Coin“) an den Hals. Doch sein Ehrenamt
       übte offenbar den gewünschten Druck auf die Justiz aus. Ende letzten Jahres
       erhielten die Brüder ihre Papiere zurück. Vielleicht hätten sie es damit,
       was Ausweisangelegenheiten betrifft, lieber bewenden lassen sollen. 
       
       Ihr aktuelles Zuhause liegt nun am Rande der Hauptstadt Asunción. In dem
       Spezialgefängnis folterte Ex-Diktator Stroessner einst Oppositionelle, nun
       sitzen vor allem Kriminelle in Nadelstreifen ein. Die Ankunft des Weltstars
       sorgte für so viel Begeisterung, dass die Anstaltsleitung sogar Treffen mit
       Angehörigen anderer Insassen arrangierte. Bald kickte Ronaldinho bei den
       Futsal-Spielen zwischen Wärtern und Gefangenen mit, es gibt Videos davon.
       Er zauberte und freute sich wie eh und je.
       
       Der frühere paraguayische Nationalmannschaftkapitän Carlos Gamarra
       berichtete nach einem Besuch, dass Ronaldinho gesagt habe: „Ich komme von
       unten, ich kenne das Leiden und muss das jetzt aushalten. Sorgen mache ich
       mir nur um meine Mutter.“ Zuletzt berichten die Medien allerdings von
       gedämpfter Stimmung. Am Samstag feierte er seinen 40. Geburtstag, doch
       wegen Corona ist jetzt auch im Gefängnis nicht mehr viel los. Die meiste
       Zeit soll er in der Zelle mit seinem Bruder verbracht haben. Selbst
       Ronaldinho scheint das Lachen allmählich zu vergehen.
       
       23 Mar 2020
       
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