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       # taz.de -- Suche nach Corona-Impfstoff: Wettlauf gegen das Virus
       
       > Pharmaunternehmen forschen auf Hochtouren nach einem Impfstoff gegen das
       > Coronavirus. Doch der Weg bis zur Zulassung ist lang.
       
   IMG Bild: Unter Druck: Eine Laborantin forscht am Impfstoff gegen Covid-19 in San Diego
       
       Berlin taz | Wann kommt der Impfstoff? Es ist eine der zentralen Fragen in
       der [1][Coronapandemie]. Von dem Zeitpunkt, ab dem ein Impfstoff verfügbar
       sein wird, hängt ab, wann Menschen präventiv vor der Infektion geschützt
       werden können. Allein: Eine verlässliche Antwort hat derzeit niemand. Eine
       Entwicklungszeit von neun bis zwölf Monaten prognostiziert das in
       Deutschland für die Zulassung von Impfstoffen zuständige
       Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Neun bis zwölf Monate – das wäre Anfang 2021.
       Frühestens.
       
       Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben sich weltweit 41
       Projekte der Suche nach einem Impfstoff gegen Sars-CoV-2 verschrieben; der
       Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) hat errechnet, dass es
       mindestens sechs weitere Vorhaben gibt, darunter zwei Projekte des
       Deutschen Zentrums für Infektionsforschung und eines des deutschen
       Pharmaunternehmens BioNTech in Zusammenarbeit mit dem Hersteller Pfizer.
       
       Die Liste ist rekordverdächtig; wohl nie zuvor haben so viele
       unterschiedliche Firmen zeitgleich versucht, eine immense Forschungsaufgabe
       im Kampf gegen ein und dasselbe Virus zu knacken. „Grundsätzlich ist das
       ein kompetitives Geschäft“, sagt der PEI-Präsident Klaus Cichutek. Dies sei
       begrüßenswert. Denn ein Impfstoff allein werde – schon aufgrund der
       aufwändigen Herstellung – niemals reichen, um die ganze Weltbevölkerung
       schnell zu versorgen.
       
       Ob ein Durchbruch gelingt und wer am Ende das Rennen machen wird, ist
       offen. Das liegt einerseits daran, dass die meisten Kandidaten für einen
       Impfstoff erst am Anfang des mehrstufigen Prozesses stehen, den sie
       durchlaufen müssen, bevor eine Versorgung der Bevölkerung im großen Stil
       möglich ist.
       
       ## 47 Kandidaten, 2 Test-Erlaubnisse
       
       Generell gilt: Erst nachdem das Virus analysiert und geeignete Bestandteile
       des künftigen Impfstoffs identifiziert wurden, kann der Impfstoff auf
       Wirksamkeit und Verträglichkeit getestet werden – zunächst nur an Tieren.
       Danach kommen klinische Studien an freiwillig teilnehmenden Menschen, die
       sich über Monate hinziehen, anschließend die Zulassung und schließlich die
       Produktion.
       
       Von den 47 Kandidaten haben bislang aber nur zwei die Erlaubnis, an
       zunächst sehr kleinen Gruppen mit jeweils rund 45 freiwilligen, gesunden
       Testpersonen erprobt zu werden; es sind die Firma CanSinoBIO aus China und
       das US-Biotechunternehmen Moderna, das mit dem National Institute of Health
       zusammenarbeitet.
       
       Vorige Woche bekamen die ersten Probanden am Kaiser Permanente Institute in
       Seattle eine Spritze mit dem Moderna-Impfstoff mRNA-1273 in den Arm. Sechs
       weitere Firmen, darunter das [2][Tübinger Unternehmen CureVac] und die
       Mainzer Firma BioNTech, haben angekündigt, zwischen April und dem
       Frühsommer ebenfalls mit ersten Tests an Menschen zu beginnen.
       
       Moderna allerdings hat die ersten Menschen bereits geimpft, bevor die
       Tierversuchsphase beendet war. Weil die Mäuse, an denen der Impfstoff
       ursprünglich getestet werden sollte, immun waren gegen das Virus und
       folglich als Probanden ausschieden, hätte man zunächst andere Mäuse züchten
       müssen. Das dauerte offenbar zu lange – auch der WHO.
       
       ## Neun von Zehn Wirkstoffen fliegen raus
       
       Bei einem Treffen im Februar in Genf war man sich einig, dass die globale
       Bedrohung durch das Virus größer sei als das Risiko, etwa drei Dutzend
       gesunde Menschen in der ersten klinischen Erprobungsphase möglicherweise
       akut zu gefährden. Zumal diese Menschen doch freiwillig und nur nach
       entsprechender Aufklärung teilnehmen würden. Ethische Einwände? Mühevoll
       erkämpfte Forschungsstandards? Alles vom Tisch?
       
       „Das Risiko ist schwer zu beziffern“, sagt der Bioethiker Daniel Strech,
       Vizedirektor des QUEST-Center am Berlin Institute of Health der Charité,
       das die Einhaltung von Standards in der präklinischen und klinischen
       Forschung erforscht. Von allen Arzneimitteln, die in Tierversuchen
       erfolgreich waren, so Strech zur taz, scheiterten 90 bis 95 Prozent
       anschließend in der klinischen Erprobung.
       
       Mehr als jeder neunte Wirkstoff fliegt also raus, sobald er an Menschen
       getestet wird. „Allerdings“, sagt Strech, „scheitern sie in der Regel
       aufgrund fehlender Wirksamkeit – und nicht aufgrund fehlender Sicherheit.“
       
       ## Milliarden Euro bis zur Zulassung
       
       Es ist nicht nur die Eilfertigkeit, mit der die Forschung vorangetrieben
       wird, die aufhorchen lässt, es ist auch die neue Technologie, die bei
       einigen Projekten, unter anderem denen von Moderna, CureVac und BioNTech,
       zum Einsatz kommen soll: Ihre Impfstoffkandidaten enthalten ausgewählte
       Gene des Coronavirus in Form synthetisch hergestellter messenger RNA
       (mRNA).
       
       Der Körper, so die Hoffnung, bildet sodann ungefährliche Virusproteine, die
       schließlich wie bei einem konventionellen Impfstoff aus Tot- oder
       Lebendviren den Immunschutz aufbauen. „Unsere Technologie eignet sich
       besonders für eine schnelle Reaktion auf virale Ausbrüche wie den
       aktuellen“, sagt Mariola Fotin-Mleczek, Chefentwicklerin bei CureVac.
       
       Tatsächlich lassen sich genbasierte Impfstoffe schneller produzieren. Auch
       besteht die Aussicht, dass, sollte die Coronavirusimpfung gelingen, ihr
       Grundbaustein, also die mRNA, gegen künftige Erreger verwendet werden
       könnte. Impfstoffe könnten noch schneller hergestellt werden. Allein:
       Erfahrung gibt es damit nicht.
       
       2,8 Milliarden Euro, teilte die Bundesforschungsministerin Anja Karliczek
       (CDU) mit, seien bis zur Zulassung eines Impfstoffs nötig. Ihr Ministerium
       stelle zusätzliche 145 Millionen Euro für die Forschung bereit. Ein
       Großteil soll in die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations, kurz
       Cepi, fließen. Diese internationale Impfstoff-Allianz aus öffentlichen,
       privaten und zivilgesellschaftlichen Organisationen wurde 2017 als Reaktion
       auf die Ebola-Epidemie in Westafrika gegründet. In der aktuellen Krise
       unterstützt Cepi sechs Impfstoffprojekte. Zu den Geldgebern zählen neben
       Deutschland oder Japan auch die Gates-Stiftung und der „Wellcome Trust“.
       
       24 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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