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       # taz.de -- Landrat von Heinsberg: Restdeutschland Wochen voraus
       
       > Im Kreis Heinsberg startete das Coronavirus vor einem Monat seinen Weg
       > durch Deutschland. Seitdem ist Landrat Stephan Pausch (CDU) omipräsent.
       
   IMG Bild: Sein Landkreis ist am schwersten betroffen: Stephan Pausch aus Heinsberg
       
       Aachen taz | Stephan Pusch, der Landrat des Kreises Heinsberg, ist überall.
       In Talkshows, Schaltkonferenzen, Interviews. Bis vor Kurzem wusste kaum
       wer, wo Heinsberg liegt (nördlich von Aachen), geschweige denn, wer da
       politisch verantwortlich ist.
       
       Der CDU-Politiker ist zum Fachmanager für Corona-Fragen geworden. In seinem
       Dorf Gangelt-Langbroich startete das Virus (nach dem eingedämmten
       Intermezzo in Bayern) heute vor einem Monat seinen Weg durch Deutschland.
       
       Der 51-jährige Rechtsanwalt und Vater (drei Kids im Kita-Alter), seit 16
       Jahren im Amt, gibt täglich auf Facebook zehnminütige Videobotschaften an
       „meine lieben Mitbürger und Mitbürgerinnen“, frei gesprochen, immer vor dem
       Hintergrund eines Bildes der alten Zeche Sophia-Jacoba in Hückelhoven.
       
       Klare Aussagen, klage Ansagen, immer verständnisvoll, mitfühlend, Mut
       machend. Ein Mahner, der gut zuredet und auch von seinem Leben berichtet.
       Schlusswort immer: „#HSbestrong“. Das Corona-Motto der Gemeinde, das längst
       viral geht.
       
       ## Keine Angst vor „Großen Tieren“
       
       [1][Einmal erzählte Pusch] seinen gut 250.000 MitbürgerInnen, wie er völlig
       erschöpft unter der Dusche stand, ihm diese hoffnungsstiftenden Lieder von
       Udo Lindenberg in den Sinn kamen („hinterm Horizont geht’s weiter...“).
       Also hat er ihn eingeladen für ein Soli-Konzert und gleich am nächsten Tag
       wie ein kleiner Junge Lindenbergs mutmachende Antwort vorgelesen. Nur,
       klar, mit dem Auftritt wird es derzeit nichts.
       
       Ungerührt beklagt sich der kompakte, eher klein gewachsene Mann über
       Parteifreund Armin Laschet, weil die Landesregierung nicht genügend
       Schutzmaterial liefere. Und er schimpft über Markus Söders Satz: „[2][Wir
       wollen kein zweites Heinsberg]“ – unangemessene Diskriminierung, “das macht
       mich wütend“.
       
       Schöner Nebeneffekt: „Man verliert den Respekt vor großen Tieren.“ Und
       Pusch rügt, dass es „keine Fehlerkultur in der Politik“ gebe: „Ich hätte
       kein Problem damit, den Leuten zu sagen: Da hab ich Scheiße gebaut.“
       
       Manches wirkt vielleicht nach anbiedernder Effekthascherei. Das Komische:
       Man nimmt es dem Regional-Popstar spontan fast immer ab. Pusch gelingen
       auch Sätze von großer Tiefe, etwa zu Hamsterkäufen: „Die Angst ist da am
       größten, wo die echte Betroffenheit am geringsten ist.“
       
       ## Immer ein paar Wochen voraus
       
       Und er kann schlagfertig sein. Gefragt zu skurrilen Tipps gegen das Virus,
       etwa Luft anhalten: „Dann machen Sie das lange genug. Dann hat sich das
       Thema Corona erledigt.“
       
       Wenn der Virologe Christian Drosten, so die Zeit, zum Bundeskanzler auf
       Zeit geworden ist, ist Pusch sein Innenminister. Der weiß heute schon, wie
       das alles mit der Epidemie läuft: Der Kreis Heinsberg ist Restdeutschland
       in allem zwei bis drei Wochen voraus.
       
       Pragmatismus als Gebot der Stunde. Als vor einer Woche in seinen
       Krankenhäusern die Masken wirklich knapp wurden, schrieb Pusch als Erster
       die Bundeswehr an. Erst hieß es Nein, Pusch insistierte, am Samstag kam ein
       Lkw mit Depotware. Motto: Nicht abwarten und keine kleinen Lösungen.
       
       Und warum nicht ganz groß denken? Am Montag schrieb Pusch eine Eilbitte um
       Schutzkleidung und Masken „an die Regierung von China“, via Botschaft in
       Berlin.
       
       ## Heinsberg featuring Wuhan
       
       Spinnt der jetzt völlig? Am Nachmittag rief der Generalkonsul in Düsseldorf
       schon zurück: Man werde das Begehr nach Peking weiterleiten. Schon sieht
       man den großen Vorsitzenden Xi Jinping im Nationalem Volkskongress
       umherfragen, was das denn für einer ist im deutschen Fernstwest, der sein
       Milliardenvolk um Hilfe bittet.
       
       Und niemand würde sich wundern, wenn auf der Nato-Airbase
       Geilenkirchen-Teveren (Kreis Heinsberg) bald ein voller Großraumflieger
       einschwebt. „Ich würde das eigenhändig ausladen, das können Sie mir
       glauben.“
       
       Und für die Zeit danach? Hat Pusch der chinesischen Führung eine
       Solidaritäts-Städtepartnerschaft Wuhan–Heinsberg angeregt. Ganz ernsthaft.
       
       25 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.facebook.com/kreisheinsberg/videos/223775015438404/
   DIR [2] https://www.tagesschau.de/inland/ausgangssperre-deutschland-101.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Müllender
       
       ## TAGS
       
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