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       # taz.de -- Coronakrise und Ferienwohnungen: Airbnb geht in die Knie
       
       > Ein großer Verlierer der Krise ist Airbnb. Ohne Touristen flüchten die
       > Anbieter. In Berlin sind bereits 10 Prozent der Inserate verschwunden.
       
   IMG Bild: Da steckt so mancher Schlüssel, ungenutzt
       
       Berlin taz | Jede Krise produziert Gewinner und Verlierer. So etwa ging aus
       der Finanzkrise ab 2008 die Ferienwohnungsplattform Airbnb als Sieger
       hervor. Von den USA bis Südeuropa führte die folgende Wohnungskrise zu
       einer Neuverteilung des Wohnungsmarkts, Investoren und Fonds machten sich
       breit, in ihrem Schlepptau Airbnb. Mit dem Kapital aus dem Silicon Valley
       gelang es in den Folgejahren, weltweit eine schier unangreifbare Marktmacht
       aufzubauen. Dieses Jahr wollte Airbnb sich seinen Wert von zuletzt
       geschätzten 35 Milliarden Dollar mit einem Börsengang vergolden lassen.
       
       Von New York bis Berlin standen auf der anderen Seite die Verlierer dieser
       Entwicklung: neben jenen, die ihre Wohnung gleich ganz verloren, all jene
       BewohnerInnen touristisch attraktiver Innenstädte, für die das Angebot an
       bezahlbaren Wohnungen infolge der Touristifizierung ihrer Kieze immer
       kleiner wurde und deren Mieten auch unter dem Druck Tausender
       Ferienapartments immer weiter stiegen. Auch Regulierungsversuche wie in
       Berlin durch das Zweckentfremdungsverbot konnten nicht verhindern, dass
       sich Airbnb nahezu ungehemmt ausbreiten konnte.
       
       In der Coronakrise allerdings wendet sich das Blatt – zuungunsten von
       Airbnb. Plötzlich gehört der Konzern aus San Francisco zu den größten
       Verlierern. Weil die Grenzen geschlossen sind und der Tourismus nahezu
       komplett zusammenbricht, stehen weltweit Hunderttausende Ferienwohnungen
       leer. Nach Daten der Plattform Airdna brach der Umsatz in Deutschland von
       31 Millionen Euro Mitte Februar auf 13 Millionen in der vergangenen Woche
       ein. Die bis zu 20 Prozent, die Airbnb bei jeder Buchung als Provision
       einstreicht, entfallen. Ein Börsengang von Airbnb wird damit
       unwahrscheinlich.
       
       ## Alle Angebote gerade frei
       
       Man kann lange in den Anzeigen für Berliner Ferienwohnungen stöbern –
       nahezu alle Angebote sind für die nächsten Monate frei. Den Gästen erlaubte
       Airbnb die kostenlose Stornierung – zum Ärger vieler Anbieter. Deren
       Einnahmeausfälle könnten sich nun sogar positiv auf den Wohnungsmarkt
       auswirken, wenn sich die Vermieter gezwungen sehen, ihre Wohnungen wieder
       an normale Mieter zu vermieten. In Dublin etwa stieg das Angebot von
       Wohnungsinseraten innerhalb des vergangenen Monats um 64 Prozent, vor allem
       ehemalige Touristenapartments mit einem oder zwei Zimmern werden wieder
       vermietet. Angesichts des größeren Marktes und des parallel in Kraft
       getretenen Mietendeckels lässt sich dieser Vergleich zu Berlin nicht
       ziehen.
       
       Doch ein Blick auf die Daten von Inside Airbnb zeigt eine deutliche
       Tendenz. Mitte März hatte das Portal 22.552 Airbnb-Angebote in Berlin
       gefunden. Ein Monat zuvor waren es dagegen noch 25.197 Angebote – ein
       Verlust um mehr als 10 Prozent. Dass die ehemaligen Airbnb-Wohnungen jetzt
       auf dem Wohnungsmarkt angeboten werden, ist damit nicht in jedem Fall
       gesagt, aber eine wahrscheinliche Option. So sind etwa Kleinanleger, die
       Kredite für ihre Zweitwohnung über Airbnb refinanzieren, auf Einnahmen
       angewiesen.
       
       Womöglich haben manche Anbieter auch Angst vor einer Beschlagnahmung. Dies
       hatten etwa das Mietenwahnsinn-Bündnis, die Berliner Obdachlosenhilfe und
       andere in einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Michael
       Müller (SPD) gefordert und wird auch in Teilen der Landespolitik
       diskutiert. Immerhin sind bei Airbnb noch mehr als 10.000 ganze Wohnungen
       gelistet – ein ausreichendes Angebot, um alle zuletzt gezählten 2.000
       Obdachlosen der Stadt sicher unterzubringen. Oder auch Frauen, die vor
       häuslicher Gewalt infolge der Quarantäne flüchten müssen.
       
       Doch das Problem Airbnb wird durch die Krise nicht einfach verschwinden, so
       die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katalin
       Gennburg. „Es ist eine Herausforderung, dass sich Airbnb nicht erneut
       saniert.“ Gennburg verweist auf die intransparente Datenpolitik, womit der
       Konzern sein Geld macht. Eine weitere Verschärfung des Berliner
       Zweckentfremdungsverbots ist in der Diskussion, nötig seien auch Regelungen
       auf Staats- und EU-Ebene. Verhindert werde müsse etwa, dass die geplante
       Neufassung der E-Commerce-Richtlinie in der EU den
       Plattformökonomiekonzernen „weitere Beinfreiheit verschafft“.
       
       26 Mar 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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