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       # taz.de -- Schulden durch Corona: Risiko muss gerecht verteilt werden
       
       > Damit die wirtschaftlichen Lasten der Corona-Krise nicht nur
       > Gewerbetreibende treffen, muss der Gesetzgeber eingreifen. Vor allem bei
       > Schulden.
       
   IMG Bild: Der Betrieb stockt, die Miete läuft weiter: ein Lokal in Freiburg
       
       Berlin taz | Die [1][Corona-Krise] stört Geschäftsabläufe. Wer einen
       [2][Club] betreibt, eine Kneipe, ein Restaurant, ein Kino oder eine
       Eventhalle, vermutlich auch ganz andere Unternehmungen: Der hat einen
       Mietvertrag geschlossen, Kredite aufgenommen, Versicherungen abgeschlossen.
       Er hat Einbauten in den Räumen vorgenommen, Geschäftsausstattungen erworben
       und eingebracht. Als er das Geschäft geplant und die Verpflichtungen
       eingegangen ist, kannte er allerlei mögliche Risiken und konnte vorsorgen.
       Die Corona-Krise kannte er nicht. Die kannte auch nicht sein Vermieter,
       sein Kreditgeber, aber auch nicht der Versicherer.
       
       Solange der Mieter sein Geschäft nicht betreiben kann, weil es entweder
       durch die Seuchenordnungsbehörde untersagt oder faktisch unmöglich geworden
       ist, weil Frau Merkel empfohlen hat, die [3][sozialen Kontakte
       einzustellen], laufen alle diese Verpflichtungen (aus
       Dauerschuldverhältnissen) weiter.
       
       Wenn das nicht geändert wird, wird die Corona-Krise zu einer massiven
       Umstrukturierung der Wirtschaft und Umverteilung unter den Unternehmen
       führen: Die Mieter, Kreditnehmer etc. werden – voraussichtlich – über
       Monate, vielleicht Jahre keine Einnahmen erzielen, dafür aber Schulden
       anhäufen. Sie stehen in der Verpflichtung, Insolvenzen anzumelden, werden
       zahlungsunfähig. Das führt zu einer Umverteilung: Die gewerbetreibenden
       Dauerschuld-Schuldner häufen Schulden an, verlieren am Ende ihre
       Unternehmen, die Einbauten, das Inventar usw., das in die Hände der
       Vermieter oder Gläubiger fällt.
       
       Die Regierung verspricht Kurzarbeitergeld (ist sinnvoll, weil das die
       Arbeitsverhältnisse pflegt und erhält, und den Arbeitnehmern zugutekommt),
       die Stundung von Steuern (ist relativ sinnlos: Wer nichts verdient, muss eh
       keine Steuern zahlen) und Kredite (ist sinnvoll, führt aber – wenn die
       Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen weiterlaufen – in die
       Überschuldung, denn die Kredite müssen zurückgezahlt werden. Kredite
       beseitigen zudem die Konkursantragspflicht nicht, die für jeden Unternehmer
       auch besteht, wenn er überschuldet ist, aber aufgrund der Kredite noch
       zahlen kann).
       
       ## Anspruch auf Mietzahlungen verlieren
       
       Tatsächlich ist es nur gerecht, das Risiko zu teilen: Der Vermieter muss
       für die Dauer der Corona-Krise den Anspruch auf Mietzinszahlung verlieren,
       der Kreditgeber den Anspruch auf Zins- und Tilgungszahlung, der Versicherer
       den auf die Zahlung von Betriebsausfallrisikoversicherungsprämien usw. Der
       Dauerschuld-Schuldner muss das kraft Gesetzes verlangen dürfen.
       
       Am Ende dieser Nahrungskette gerät dann möglicherweise auch der Vermieter,
       der seine Immobilie fremdfinanziert hat, in Schieflage; der Versicherer
       kann sein Personal nicht bezahlen und seine Aktionäre nicht mit Dividenden
       versehen. Dann mag an der einen oder anderen Stelle die Subvention der
       Regierung einsetzen (sicher nicht beim Aktionär). Aber es sollten nicht
       Kredite dem Mieter gegeben werden, der gleichzeitig gezwungen wird, die
       Miete in voller Höhe weiter zu zahlen und sich zu verschulden.
       
       Der Bundesgesetzgeber – also die Bundesjustizministerin und der
       Bundeswirtschaftsminister, der Bundestag und der Bundesrat – muss die
       Aussetzung der Pflicht regeln, Dauerschuldverhältnisse, die während der
       Corona-Krise für die eine Seite ohne geschäftlichen Sinn sind,
       teilauszusetzen. Vergleichbare Einschnitte in bestehende
       Dauerschuldverhältnisse kennt die Rechtsordnung im Insolvenzrecht. Der
       Vorschlag ist also nicht rechtsordnungswidrig und hat nichts mit
       Sozialismus zu tun, sondern verlangt die gerechte Aufteilung von Risiken,
       die neu entstanden sind.
       
       Es gibt ein negatives historisches Vorbild: In der Inflationskrise der
       1920er Jahre gab es Versuche, den durch die Inflation Unterlegenen
       Anpassungsrechte nach Treu und Glauben durch die Rechtsprechung zu
       eröffnen. Funktioniert hat das damals nicht, die Inflation führte
       bekanntlich auch zu einer stabilitätsgefährdenden Umverteilung mit
       Verelendung der Verlierer dieser Wirtschaftsentwicklung (damals waren das
       auch Vermieter, die die Mietzinshöhe nicht anpassen konnten).
       
       Es muss daher sofort und ab Stichtag März 2020 das Recht des Schuldners im
       Dauerschuldverhältnis eingeführt werden, vom Gläubiger zu verlangen, die
       Zahllast zu reduzieren. Das hat der Schuldner zu begründen, dem Gläubiger
       muss ein Prüfungsrecht zustehen. Führt das Schuldnerbegehren zu Härten beim
       Gläubiger, muss ein Interessenausgleichsverfahren installiert werden,
       notfalls vor Gericht.
       
       Aber es muss – sofort – vom Bundesgesetzgeber geregelt werden, dass die
       Lasten der Corona-Krise nicht einseitig von den Dauerschuld-Schuldnern
       getragen werden, die Gläubiger hingegen im Falle ausbleibender Mietzahlung
       Kündigungsrechte, Pfandrechte am Inventar und Betrieb, Räumungsrechte und
       Zwangsvollstreckungsrechte behalten.
       
       16 Mar 2020
       
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