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       # taz.de -- Coronavirus in Irland: Alleine saufen
       
       > Am Nationalfeiertag bleiben die Bürgersteige hochgeklappt. Die Regierung
       > verschärft Maßnahmen. Behörden rechnen mit 15.000 Erkrankten bis
       > Monatsende.
       
   IMG Bild: Dieses Jahr ist nichts los: Rauchen am irischen Nationalfeiertag in Dublin
       
       Dublin taz | Am Vormittag sind die Alten unter sich. In den irischen
       Filialen der deutschen Supermarktkette Lidl dürfen seit Dienstag nur
       Menschen ab 65 Jahren zwischen 9 und 11 Uhr einkaufen. Damit soll
       gewährleistet werden, dass sich diese am meisten gefährdete Altersgruppe in
       Corona-Zeiten nicht in überfüllten Geschäften um die Ware balgen muss.
       
       Nachdem [1][die Regierung], die geschäftsführend im Amt ist, vorige Woche
       drastische Maßnahmen verkündet hatte, um die Verbreitung des Virus zu
       verlangsamen, setzte ein Ansturm auf die Läden ein. In Dublin versuchten
       mehr als 2.000 Menschen, einen Supermarkt zu stürmen, so dass die Polizei
       eingreifen musste. Die hat eine laut Polizeiführung „vorübergehend
       dauerhafte Sondereinheit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“
       aufgestellt.
       
       Andererseits haben sich binnen zwei Tagen Tausende von Freiwilligen bei
       einer erst am Wochenende eingerichteten Webseite angemeldet, auf der sie
       anderen Menschen ihre Hilfe anbieten, die wegen möglicher Kontakte mit
       Infizierten zwei Wochen lang in Selbstisolation leben müssen.
       
       Das irische Gesundheitsamt prophezeit, dass die Corona-Fälle – bisher sind
       es knapp 300 – täglich um 30 Prozent steigen werden, so dass man bis
       Monatsende mit 15.000 Erkrankten rechnen müsse. Die Regierung will deshalb
       ein Gesetz verabschieden, das es der Polizei nicht nur erlaubt,
       Veranstaltungen zu schließen, sondern auch Menschen zum Wohle der
       allgemeinen Gesundheit festzusetzen.
       
       ## Völlig überlastet
       
       Im 80.000 Zuschauer fassenden Stadion Croke Park, in dem die irischen
       Nationalsportarten Gaelic Football und Hurling ausgetragen werden, will die
       Regierung ein Zentrum für Corona-Tests einrichten.
       
       Das irische Gesundheitssystem ist bereits in normalen Zeiten völlig
       überlastet, Hunderte von Patienten liegen auf Notbetten in den Gängen der
       Krankenhäuser. Sollte sich Corona explosionsartig ausbreiten, würde man mit
       der Situation nicht fertig. Die Regierung will im Notfall Lagerhallen in
       temporäre Krankenhäuser umwandeln und Hotelbetten beschlagnahmen, um
       Infizierte isolieren zu können.
       
       Die Hotels und Pensionen sind ohnehin leer, da keine Touristen mehr kommen.
       Bis Ende dieser Woche werden 340.000 Menschen ihre Jobs in der
       Tourismusindustrie und im Einzelhandel verloren haben.
       
       Am Dienstag ist Dublin eine Geisterstadt. In normalen Zeiten säumen am
       [2][St. Patrick’s Day], dem irischen Nationalfeiertag, Zigtausende die
       Straßen der Innenstadt, sie schauen der Parade zu und betrinken sich danach
       zünftig zu Ehren des Schutzheiligen, der im fünften Jahrhundert das
       Christentum in Irland verbreitet und die Schlangen vertrieben haben soll.
       Da die Pubs seit Mitternacht am Sonntag geschlossen sind, müssen sie das
       nun zu Hause tun.
       
       Die Alten haben mit ihrer exklusiven Einkaufszeit freilich schlechte
       Karten: An Sonn- und Feiertagen darf Alkohol erst ab 12:30 Uhr verkauft
       werden.
       
       17 Mar 2020
       
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