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       # taz.de -- Ausgangssperren in Bayern wegen Corona: Schleich di!
       
       > In Bayern gibt es erste lokale Ausgangssperren, um Corona einzudämmen.
       > Auch andere Bundesländer schließen das nicht mehr aus.
       
   IMG Bild: Halt, Ausgangssperre: Ein Polizist kontrolliert am 19. März 2020 in Mitterteich die Ortseinfahrt
       
       Mitterteich/Berlin taz | Polizeifahrzeuge sperren die Zufahrtsstraßen nach
       Mitterteich ab. „Nur wer einen guten Grund hat, darf noch rein oder raus“,
       sagt Stefan Grillmeier, zweiter Bürgermeister der oberpfälzischen Stadt mit
       6.600 Einwohnern, gegenüber der taz. Seit Mittwoch herrscht Ausgangssperre
       wegen Corona, die erste in Deutschland. Am Donnerstag folgten weitere in
       Bayern: Zwei Gemeinden im Nachbarlandkreis Wunsiedel sind nun auch
       abgeriegelt, Hohenberg an der Eger sowie der Schirndinger Ortsteil
       Fischern. „Alle Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Orten müssen sich
       ab sofort in ihrer häuslichen Umgebung aufhalten“, schreibt das Landratsamt
       auf seiner Website.
       
       Die bislang schärfste Maßnahme gegen die Pandemie stützt sich auf Paragraf
       28 im Infektionsschutzgesetz, wonach Behörden Personen verpflichten können,
       „den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr
       bestimmte Orte nicht zu betreten“. Womöglich wird sie bald in ganz Bayern
       in allen Städten und Kommunen eingeführt.
       
       Diese Möglichkeit hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Donnerstag in
       seiner Regierungserklärung sehr deutlich angesprochen: „Wenn sich viele
       Menschen nicht beschränken“, sagte er, „dann bleibt am Ende nur die
       bayernweite Ausgangssperre. Das muss jedem klar sein.“
       
       Das bedeutet: Bürger dürfen ihre Wohnung oder ihr Haus nur aus dringenden
       Gründen verlassen. Etwa, um Lebensmittel einzukaufen, zur Arbeit, zum Arzt
       oder zur Apotheke zu gehen. Treffen von mehreren Personen im Freien oder in
       Gebäuden sind nicht erlaubt und werden von der Polizei aufgelöst. Wer die
       Gemeinde verlassen oder betreten will, braucht eine Bescheinigung des
       Arbeitgebers. Nach Verkündung der Ausgangssperre fuhren Feuerwehr und Rotes
       Kreuz mit Lautsprechern durch die Straßen, um die Nachricht zu verbreiten.
       Jeder Haushalt bekam ein Flugblatt in den Briefkasten geworfen.
       
       „Die Bevölkerung ist sehr diszipliniert“, berichtet Bürgermeister
       Grillmeier. „Man sieht sehr wenige Leute auf der Straße.“ Für besonders
       gefährdete Einwohner ab 65 Jahren wurde eine Hotline eingerichtet: Über die
       können Bestellungen aufgegeben und etwa Pakete zugestellt werden. Die
       Sperre gilt vorerst bis 2. April. Bis Mittwochnachmittag gab es im
       Landkreis Tirschenreuth 47 bestätigte Corona-Fälle, davon 25 in Mitterteich
       – eine ungewöhnliche Häufung.
       
       In starkem Verdacht steht das Starkbierfest am 7. März, das nicht abgesagt
       worden war und wo sich traditionell die halbe Stadt trifft. Zusammenkünfte
       solcher Art sind derzeit in ganz Deutschland verboten. Doch nach Ansicht
       von Markus Söder treffen sich die Bürger weiterhin privat zu oft, zu nah
       und in zu großen Gruppen. Damit begründet er seine Überlegungen für eine
       bayernweite Ausgangssperre: „Viele halten sich eben nicht an die
       Empfehlungen. Das schöne Wetter verführt zum Rausgehen, zum Treffen mit
       Freunden an der Isar, am Englischen Garten, am Tegernsee.“ Die Politik
       könne „dabei nicht endlos zuschauen“.
       
       ## Drastischer Einschnitt
       
       Auch in anderen Bundesländern schließen die Landesväter die Ausgangssperre
       nicht mehr aus. Und zwar quer durch die Parteien, von
       [1][NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU)] über seinen
       baden-württembergischen Kollegen Winfried Kretschmann (Grüne) bis hin zu
       Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD).
       
       Dabei ist der Nutzen dieses drastischen Eingriffs in die Grundrechte
       zweifelhaft. „Aus Sicht der Epidemiologie gibt es dafür, dass man nicht
       mehr rausdarf an die frische Luft, kein Argument“, sagt der Mikrobiologe
       Alexander Kekulé. Christian Drosten von der Berliner Charité sieht es
       ähnlich: Nach derzeitigen Erkenntnissen zirkuliere das Virus nur wenige
       Minuten und falle dann recht schnell zu Boden. „Es ist also nicht so, dass
       wenn man sich beim Spazierengehen begegnet, sofort infiziert“, sagt der
       Virologe in seinem NDR-Podcast.
       
       [2][Die Bundesregierung jedenfalls will nun erst mal abwarten], wie sehr
       die bisherigen Maßnahmen fruchten. Steigt die Zahl der Infizierten weiter
       stark an, könnten nach Schul- und Ladenschließungen auch die
       Ausgangssperren folgen. Auch Kanzlerin Angela Merkel hat weitere Maßnahmen
       in ihrer TV-Ansprache am Mittwoch nicht ausgeschlossen: „Wir werden als
       Regierung stets neu prüfen, was sich wieder korrigieren lässt, aber auch,
       was womöglich noch nötig ist.“
       
       19 Mar 2020
       
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