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       # taz.de -- Kritik an privilegierten US-Sportlern: Die Ellenbogen-Sache
       
       > Im US-Sport wird über unsinnige Operationen in Zeiten des Notstands
       > diskutiert, vor allem aber über Pitcher Noah Syndergaard.
       
   IMG Bild: Hauptsache hart: Pitcher Noah Syndergaard von den New York Mets in Aktion
       
       [1][Noah Syndergaard] ist 27 Jahre alt, verdient 9,7 Millionen Dollar im
       Jahr und trägt den passenden Spitznamen „Thor“, weil er 1,98 Meter groß
       ist, lange blonde Haare besitzt und einen Baseball bis zu 120
       Stundenkilometer schnell werfen kann. Letzte Woche aber hat sich der
       Star-Pitcher der New York Mets operieren lassen. Syndergard ließ sich am
       Ellbogen seines rechten Wurfarms ein Band ersetzen. Bis er wieder zu alter
       Form zurückkehren wird, dürfte es ungefähr ein Jahr dauern.
       
       Die kommende Saison, deren Beginn wegen der Corona-Epidemie bis auf
       weiteres verschoben ist, wird Syndergaard also auf jeden Fall verpassen.
       Trotzdem ist die sogenannte Tommy-John-Operation, benannt nach dem
       Baseball-Profi, der sie 1974 zum ersten Mal über sich ergehen ließ, in den
       letzten Jahren für Pitcher und ihre hoch belasteten Ellbogen zur Routine
       geworden. Manche lassen sich sogar vorsorglich operieren in der Hoffnung,
       nach der Genesung sogar noch härter werfen zu können. Syndergaard ist denn
       auch nicht der einzige Großverdiener, der sich dieser Tage unters Messer
       begab.
       
       ## Das „Tommy-John-Dilemma“
       
       Chris Sale von den Boston Red Sox und Tyler Beede von den San Francisco
       Giants bekamen kürzlich ebenfalls ihre Tommy-John-OP. Business as usual,
       wäre da nicht: Corona. Denn wie bei uns sind während der Pandemie auch in
       den USA die Krankenhäuser angewiesen, nur lebensnotwendige Operationen
       durchzuführen, um sich um Covid-19-Kranke kümmern zu können. Folgerichtig
       ist in der amerikanischen Öffentlichkeit nun eine Diskussion entbrannt, ob
       Spitzensportler unbedingt eine komplexe, medizinisch aber nicht dringend
       nötige Operation durchführen lassen sollten, während auf Parkplätzen oder
       im New Yorker Central Park die US-Army Zelte für Not-Hospitäler errichtet.
       
       Dass in den USA ein Mangel an Corona-Tests herrscht, aber die teuren
       Athleten von der NBA über den Baseball bis zum Football bevorzugt
       untersucht und behandelt werden, war schon zuvor ein beliebtes Thema in den
       sozialen Medien. Nun fragen sich nicht nur User, ob in diesen schweren
       Zeiten privilegierte Millionäre weiter begünstigt werden sollten, sondern
       auch das altehrwürdige Wall Street Journal. Auch der renommierte Boston
       Globe kommentierte das „Tommy-John-Dilemma“, und ein Vertreter der Red Sox
       fühlte sich gezwungen zu versichern, dass die Tommy-John-OP ihres
       Aushängeschilds Chris Sale durchgeführt wurde, „ohne eine zusätzliche
       Belastung für das Gesundheitssystem zu sein“.
       
       ## „Nicht unbedingt nötig“
       
       Auch das Boulevardblatt New York Post sah sich gezwungen, Syndergaard und
       den Mets zu bestätigen, dass sie „nicht gegen Corona-Vorschriften
       verstoßen“ hätten. Sports Illustrated, immerhin das größte
       [2][Sport-Magazin] des Landes, rief wiederum bei ein paar Medizinern an,
       damit die bestätigten, dass die Tommy-John-OP „aus medizinischen Gründen
       nicht unbedingt nötig ist“. Eine Diskussion, die allerdings schnell in die
       große US-Politik führt und zu einem ihrer umstrittensten Themen: dem
       US-Gesundheitssystem. Das ist bekanntlich nicht eben das beste der Welt,
       was nun im Angesicht der Corona-Katastrophe umso deutlicher wird. Dass es –
       wie im Rest der Welt – nicht zuletzt an Atemschutzmasken fehlt, hat nun ein
       anderer prominenter Sportler erkannt.
       
       Der ehemalige Basketball-Profi Stephon Marbury will dafür sorgen, dass die
       Krankenhäuser seiner Heimatstadt New York mit zehn Millionen Masken
       versorgt werden. Importiert werden soll das Equipment aus China, wohin
       Marbury gute Kontakte hat. Bis vor zwei Jahren spielte der 43-Jährige, der
       zuvor in der NBA unter anderem für die New York Kicks tätig war, noch als
       Aufbauspieler für die Beijing Fly Dragons. Seit dem vergangenem Jahr ist er
       nun Trainer des Lokalrivalen Beijing Royal Fighters. Die Chinese Basketball
       Association (CBA) bereitet sich dieser Tage darauf vor, die Saison, die
       Mitte Januar wegen des Corona-Ausbruchs unterbrochen wurde, fortzusetzen,
       vielleicht schon Ende April, wenn sich die Lage in der Volksrepublik weiter
       entspannt.
       
       Deshalb hält sich Marbury gerade in Peking auf, ließ Medien aber per
       Telefon wissen: „Ich komme aus Brooklyn, ich habe Verwandtschaft in New
       York, die von Corona betroffen sind. Deshalb weiß ich, wie wichtig
       Atemmasken sind.“ Wie wichtig die nach Tommy John benannte Operation ist,
       bleibt allerdings weiter umstritten.
       
       3 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Noah_Syndergaard
   DIR [2] https://www.si.com/mlb/2020/03/30/is-it-wrong-for-mlb-pitchers-to-get-tommy-john
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Winkler
       
       ## TAGS
       
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