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       # taz.de -- Stipendiat in Rom: „Wie in einem Science-Fiction-Film“
       
       > Die Leipziger Künstlergruppe Famed arbeitet derzeit in Rom in der Villa
       > Massimo. Eingeschränkt bewegungsfähig wegen des Coronavirus.
       
   IMG Bild: Sebstian M. Kretzschmar und Jan Thomaneck, gemeinsam Famed, vor ihrem Atelier in Rom
       
       Seit September 2019 arbeitet das Leipziger Künstlerduo Famed in Rom als
       Stipendiaten der renommierten Villa Massimo. Noch im Februar eröffneten sie
       eine Ausstellung in der Galerie der Villa, nun dürfen sie das Gelände nur
       noch zum Einkaufen verlassen und denken darüber nach, wie Kunst dennoch
       gezeigt werden kann. Per E-Mail beantworten beide Fragen zur Situation. 
       
       taz: Wie sieht derzeit der Alltag in der Villa Massimo aus? 
       
       Famed: Seit mehr als einer Woche befinden wir uns in kollektiver
       Quarantäne. Alle Veranstaltungen wurden abgesagt, die Villa ist für Gäste
       nicht mehr zugänglich und fast alle Mitarbeiter befinden sich im
       Homeoffice. Lediglich die Direktorin, Julia Draganović, und zwei
       Mitarbeiter, die ebenfalls auf dem Gelände wohnen, arbeiten vor Ort und
       treffen sich täglich mit uns, um die aktuelle Lage zu besprechen.
       
       Ein kompletter Shutdown, auch das Gelände darf nicht mehr verlassen werden,
       nur noch, um das Notwendigste einzukaufen. Dafür muss man ein Schreiben in
       Form einer Selbstauskunft bei sich tragen, damit bei Polizeikontrollen
       festgestellt werden kann, dass man sich in unmittelbarer häuslicher
       Umgebung bewegt. Seit Freitag vor einer Woche fliegen auch keine Flugzeuge
       mehr und um die Villa herum herrscht eine gespenstische Stille.
       
       Menschen mit Masken und Handschuhen, leere Busse auf fast leeren Straßen,
       es fühlt sich an wie in einem Science-Fiction-Film. Aber es ist Frühling
       und Quarantäne hier in der Villa lässt sich dann doch ziemlich gut
       aushalten! Schwierig ist es dagegen für jene, die wenig Platz zur Verfügung
       haben oder die sich in einer problematischen sozialen Lage befinden. 
       
       Sind Mitarbeiter*innen oder andere Stipendiat*innen am Coronavirus
       erkrankt oder müssen in Quarantäne, weil sie Kontakt zu Erkrankten hatten? 
       
       Nein, bisher ist zum Glück noch niemand erkrankt. Lediglich ein Stipendiat
       ist zusammen mit seiner Familie in eine freiwillige Quarantäne gegangen, da
       sie zuvor in einer Region in Italien unterwegs waren, in der vermehrt
       Coronafälle aufgetreten sind. Aber die Quarantäne ist inzwischen beendet,
       keiner hatte sich infiziert. 
       
       Wie reagieren die Stipendiat*innen auf die Situation? Gibt es
       Reaktionen, Aktionen? 
       
       Auf die Situation haben wir uns als Stipendiat*innen mittlerweile
       eingestellt. Da das Angebot an öffentlichen Veranstaltungen ausgesetzt
       werden musste, wird nun über Alternativen auf verschiedenen
       Social-Media-Kanälen nachgedacht. Darüber hinaus wird es ein Screening mit
       Beiträgen der Stipendiat*innen vom Gelände der Villa Massimo geben. Dafür
       wurde extra eine Leinwand aufgestellt, die man von der Straße und aus den
       Wohnblocks gegenüber sehen kann.
       
       Wir wollen sichtbar machen, dass Kunst trotz dieser Einschränkungen
       weiterhin gezeigt und durchaus auch neu gesehen werden kann. Weitere
       Aktionen und Reaktionen werden sicherlich noch folgen, da davon ausgegangen
       werden kann, dass die Quarantäne über den 3. April 2020 hinausgehen wird. 
       
       Werden Sie die Situation künstlerisch verarbeiten? 
       
       Wir versuchen unseren Arbeitsalltag so gut es geht aufrechtzuhalten, was
       für einige von uns allerdings schwierig ist, da zum Beispiel der Zugriff
       auf notwendige Materialien kaum möglich ist. Künstlerbedarfsläden und
       Baumärkte, aber auch Bibliotheken und Museen sind geschlossen.
       Nichtsdestotrotz werden wir die Situation künstlerisch verarbeiten. Eine
       derartige Ausnahmesituation kann nicht spurlos an einem vorbeigehen. Wir
       planen gerade eine größere Textarbeit sowie eine mobile Skulptur im
       Außenraum, auf die dieser Zustand bereits Einfluss nimmt. 
       
       Auch in Deutschland wird das öffentliche Leben immer weiter eingeschränkt.
       Was raten Sie in dieser Situation? 
       
       In Rom fällt uns sehr positiv auf, dass die Menschen sehr rücksichtsvoll
       miteinander umgehen. Auch beim Einkaufen im Supermarkt wirkt der Umgang mit
       der Situation unaufgeregt und vernünftig. Auch wenn die Regale manchmal
       etwas leerer sind als gewohnt, entsteht keine Panik. Von den wenigen
       Menschen auf der Straße tragen die meisten eine Atemmaske.
       
       Das ist immer noch befremdlich und wirkt sich auch auf die eigene Psyche
       aus. Aber es zeigt auch, dass die Lage ernst ist und Schutzmaßnahmen
       notwendig sind. Das italienische Lebensgefühl, das auch wir in den letzten
       Monaten genießen durften, ist de facto zum Erliegen gekommen. Das ist
       traurig zu beobachten und sehr einschränkend. Dennoch ist die Akzeptanz für
       die Maßnahmen bemerkenswert. Vielleicht kann man sich daran ein Beispiel
       nehmen.
       
       31 Mar 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sarah Alberti
       
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