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       # taz.de -- Brandanschlag in der Ukraine: Spur nach Deutschland
       
       > Drei Polen werden wegen eines „Terrorakts“ verurteilt. Ermittelt wird
       > noch gegen einen rechtsextremen Deutschen, der gute Kontakte zur AfD
       > pflegte.
       
   IMG Bild: Anstifter Ochsenreiter?
       
       Berlin taz | Über ein Jahr lang hat der Prozess vor dem 2. Strafsenat des
       Bezirksgerichts von Krakau-Podgórze gedauert, jetzt haben die Richter ein
       Urteil gefällt. Sie haben drei Polen laut Medienberichten wegen eines
       [1][„Terrorakts“] in der Ukraine mit Haftstrafen bis zu drei Jahren
       verurteilt. Doch die Spur der Ermittler führt von der Ukraine über Polen
       weiter nach Deutschland. Hier soll der Financier des Anschlags sitzen.
       
       Zwei der Täter haben in der Nacht auf den 4. Februar 2018 in Ushgorod, im
       äußersten Westen der Ukraine gelegen, [2][einen Brandanschlag auf das Büro
       der Transkarpatischen Gesellschaft für Ungarische Kultur verübt] und dieses
       mit Hakenkreuzen beschmiert. Das Ziel der Aktion: Spannung im Verhältnis
       der Nachbarländer zu schüren und die Ukraine, ganz im Sinne Russlands,
       weiter zu destabilisieren.
       
       Nach ihrer Verhaftung haben die beiden gestanden und Michal P. als
       Auftraggeber genannt. P., Hauptangeklagter in dem Prozess, ist Anfang 30
       und ein Milizionär mit bewegter Neonazi-Vita. Er soll Mitglied der
       polnischen Faschistengruppierung Falanga sein, die den prorussischen
       Rebellen nahesteht und mit ihnen bereits gegen die Ukraine gekämpft hat.
       
       P. wiederum sagte vor Gericht aus, er sei angestiftet worden – von einem
       Deutschen: dem rechtsextremen Publizisten Manuel Ochsenreiter. Ochsenreiter
       hatte zu dieser Zeit gute Kontakte in die AfD, für einige Monate hat er für
       den AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier als Fachreferent für
       wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gearbeitet. Alle drei – P.,
       Ochsenreiter und Frohnmaier – bewegen sich seit Langem in radikal rechten
       Netzwerken mit prorussischem Geist. Als der Vorwurf bekannt wird, lösen
       Frohnmaier und Ochsenreiter das Arbeitsverhältnis auf.
       
       ## Wie der Plot eines durchgeknallten Politthrillers
       
       Was sich einerseits wie der Plot eines durchgeknallten Politthrillers
       anhört, hält der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin durchaus für
       möglich. Auf Facebook sprach dieser damals von „russischen Hybridmethoden“.
       Der Anschlag hätte also im Sinne Russlands für Unruhe in der Westukraine
       gesorgt, die bislang – anders als die annektierte Krim und Teile der
       Ostukraine – noch unabhägig von Russland ist. Und tatsächlich verschärften
       sich damals die Spannungen zwischen Ungarn und der Ukraine.
       
       Während der Anschlag von westlichen Medien kaum wahrgenommen wurde,
       berichtete Zuerst!, das rechtsextreme Blatt aus dem Hause des Verlegers
       Munier, dessen Chefredakeur Ochsenreiter ist. „Wegen Anschlag auf Zentrale
       der ungarischen Minderheit: Budapest fordert OSZE-Mission in der
       Westukraine“, hieß es dort am Tage des Anschlags. Der Spin, ganz nach
       russischem Geschmack: Die Ukraine ist der Aggressor.
       
       Die Krakauer Staatsanwaltschaft glaubt P.: Sie hält Ochsenreiter für den
       Finanzier der Aktion. Dafür spreche nicht nur P.s Aussage, sondern darauf
       deuteten auch WhatsApp-Chats zwischen P. und seiner Frau hin, die die
       Staatsanwaltschaft in den Prozess einführte. Demnach hat sich P. Anfang
       Februar 2018 mit Ochsenreiter am Flughafen in Berlin-Tegel getroffen.
       Dieser soll ihm dort 1.000 Euro übergeben haben, eine Anzahlung von
       weiteren 500 Euro soll Ochsenreiter schon zuvor nach Polen geschickt haben.
       
       Hinzu kommt: P. und Ochsenreiter kennen sich erwiesenerweise schon seit
       Jahren. So hat zum Beispiel die taz P. bei [3][einer Reportage über
       paramilitärische Gruppen in Polen] im Sommer 2016 getroffen, anderthalb
       Jahre vor dem Anschlag in Ushgerod. Ganz von sich aus erwähnte P. damals
       Ochsenreiter. Ideologisch verbindet die beiden viel: P.s extrem rechtes
       Gedankengut verbunden mit großer Nähe zu Putins Russland – das ist auch
       Ochsenreiters Linie.
       
       Dieser aber streitet die Vorwürfe ab. Dies hat er bereits, als sie bekannt
       wurden, auf der Website von Zuerst! publiziert. Nachfragen der taz ließ er
       unbeantwortet. Die Ermittlungen gegen Ochsenreiter als Anstifter der Tat
       aber gehen weiter. In Krakau und Berlin.
       
       24 Mar 2020
       
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