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       # taz.de -- Die Bundeswehr in der Coronakrise: Keine Lorbeeren zu holen
       
       > Lokale Behörden wollen, dass die Bundeswehr eine Flüchtlingsunterkunft in
       > Suhl bewacht. Aber die Streitkräfte haben darauf nicht so richtig Lust.
       
   IMG Bild: Polizei im Einsatz in der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl
       
       Berlin taz | Ein Amtshilfeantrag an die Bundeswehr, die
       Flüchtlingsunterkunft im thüringischen Suhl zu bewachen, zeigt die
       Schwächen wertiger Sicherheitsvorsorge in der [1][Corona-Pandemie].
       Zunächst vom Verteidigungsministerium abgelehnt, wird der Antrag nun erneut
       geprüft, so ein Sprecher des Landeskommandos Thüringen. Die Bundeswehr
       hatte den Antragssteller – das Landesverwaltungsamt – zuvor aufgefordert,
       sein Ersuchen zu präzisieren.
       
       Das Amt hätte gerne zehn Bundeswehr-Soldaten, um im Schichtdienst das
       Hausrecht in dem Flüchtlingsheim in Suhl durchzusetzen, das [2][unter
       Corona-Quarantäne steht]. Um eine bewaffnete Wache ginge es dabei nicht, so
       der zuständige Referatsleiter Mathias Reinhardt. Seine Sicht: „Die sollen
       keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen wie Ausweiskontrollen, sondern nur
       normale Bewachung – sprich Pförtnerdienste.“
       
       Das Problem in Suhl: Die Quarantäne hat auch die Mannschaft der zivilen
       Wachfirma massiv ausgedünnt. Am Markt bekommt die Firma niemanden, um ihre
       Ausfälle zu kompensieren. Für fast 500 Flüchtlinge seien deshalb nur vier
       Wachleute tagsüber, zwei in der Nacht verfügbar. Das reicht nicht für die
       Torlogistik, wie den Empfang von Nahrungsmitteln und die ernsthafte
       Begehung der zwei Wohnkomplexe. Hier geht es im Wesentlichen darum, Streit
       zu schlichten und zu wissen, wo sich die Menschen aufhalten, sollte ein
       Feuer ausbrechen.
       
       Vor Kurzem rückte die Landespolizei [3][mit einem Großaufgebot an], um eine
       Gruppe Flüchtlinge aus der Unterkunft zu holen, die gegen die Quarantäne
       aufbegehrte. Dort hatte es einen mit dem Coronavirus Infizierten gegeben,
       worauf eine 14-tägige Isolation bis Ende dieser Woche verhängt wurde. Die
       Störer seien weg; doch der Vorfall verbunden mit imaginären Ängsten in der
       Bevölkerung vor massenhaft Corona-Infizierten im Heim habe dieses zum
       „Angstobjekt“ gemacht, so Mathias Reinhardt vom Referat für Flüchtlinge
       beim Landesverwaltungsamt.
       
       ## Auch der Landespolizei fehlen wohl die Ressourcen
       
       Seit den Querelen ist die Landespolizei vor Ort, um mögliche Störer
       festzunehmen und Quarantäne-Ausbrüche zu unterbinden. Die normale Wache zu
       übernehmen, lehnt sie aber ab, so ein Sprecher der Landespolizeidirektion
       auf Anfrage. Die eigenen Kräfte seien durch die Gesamtlage der
       Corona-Pandemie bereits ausgereizt. Neben Suhl würde die
       Quarantäne-Bewachung der separierten Störer in einem anderen Landkreis
       nochmals Polizisten binden.
       
       Zu ihren eingesetzten Personalstärken will sich die Landespolizei nicht
       äußern. An Bereitschaftspolizei – die für solche Unterstützungsaufgaben
       zuständig ist – hat Thüringen drei Einsatzhundertschaften. Eine rund um die
       Uhr Überwachungseinsatz größerer Objekte wie in Suhl dürfte bereits eine
       solche Hundertschaft binden.
       
       Reichen die Kräfte einer Landespolizei in Krisenzeiten nicht mehr aus, wäre
       eine Verstärkung aus anderen Bundesländern nebst Bundespolizei der nächste
       Schritt. Denn es gilt das Subsidiaritätsprinzip der Verfassung. Jenes
       besagt, dass bei der Amtshilfe, zuvorderst die nächst bestgeeigneten
       Behörden beispringen.
       
       Doch ein solches Ersuchen wurde wohl unterlassen. Denn für die Organisation
       der Sicherheitsvorsorge der Flüchtlingsunterkunft sehen sich weder das
       Innen- noch das Migrationsministerium Thüringens verantwortlich. Sprecher
       dieser Ministerien verweisen jeweils auf eine Zuständigkeit des anderen
       Ressorts.
       
       ## Eine unattraktive Aufgabe
       
       Nun also die Anfrage an die Streitkräfte durch die lokalen Behörden. Dass
       die Bundeswehr zur Katastrophenhilfe beiträgt, sieht das Grundgesetz vor.
       Der Beistand mit zivilen Mitteln – vor allem Logistik – hat Tradition; wie
       bei der Elbeflut 2002. Auch in der Corona-Pandemie liegt dort der
       Schwerpunkt, mit der Aufstockung von Sanitätsmaterial ziviler
       Krankenhäuser.
       
       Geht es jedoch in Richtung Eingriffsrechte, beispielsweise das Absperren
       und Kontrollieren, darf die Bundeswehr nur nach Vorgabe der jeweiligen
       Landespolizei agieren, so die gängige Rechtsauffassung. Ein für die
       Streitkräfte unattraktives Prozedere.
       
       Bisher zeigte die Bundeswehr kein gesteigertes Interesse, sich auch als
       Ergänzungs-Ordnungshüter in der Katastrophenhilfe zu profilieren. Selbst
       auf ihrer Fähigkeitsliste für Groß-Terrorlagen hat die Armee nur den
       Objektschutz als einzige hoheitliche Aufgabe gelistet.
       
       Hierunter versteht die Bundeswehr die Bewachung kritischer Infrastruktur
       wie Wasserwerken, nicht von Objekten mit kritischen sozialen Gefügen wie
       Flüchtlingsheimen. Auch einem normalen Wachdienst dort dürften die
       Streitkräfte somit eher abgeneigt sein. Zumal Lorbeeren in der
       Öffentlichkeit hier kaum zu holen sind; eher droht Ärger. Für rechte wie
       linke Politiker wäre ein Wachdienst von Soldaten bei Flüchtlingen wohl eine
       Steilvorlage.
       
       25 Mar 2020
       
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