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       # taz.de -- Neue App des Robert-Koch-Instituts: Hört auf Expert*innen
       
       > Im Kampf gegen Corona ruft das RKI zu einer Datenspende via App auf. Doch
       > im Hinblick auf Datenschutz erfüllt die App nicht mal basale
       > Anforderungen.
       
   IMG Bild: Im Hinblick auf den Datenschutz erfüllt die App nicht den Anforderungen
       
       Das Wissen von Expert*innen leitet unser Handeln. Zumindest in
       [1][Krisensituationen] hören die meisten von uns auf informierten, mit
       Zahlen, Daten, Fakten belegten Rat. Wir bleiben zu Hause, soweit das mit
       dem Beruf vereinbar ist, vermeiden unnötige Kontakte, tragen erst [2][keine
       Masken], und wenn die qualifizierte Empfehlung korrigiert wird, setzen wir
       sie brav auf. Die Expertise des Robert-Koch-Instituts (RKI) gibt
       Orientierung im Umgang mit der Infektionsgefahr. Man darf unterstellen,
       dass alle ihr Bestes geben, Lücken möglichst schnell gestopft, Fehler zügig
       beseitigt werden.
       
       Eine Hilfestellung, um die das RKI seit Dienstag bittet, ist die Verwendung
       einer App, [3][die Daten zu den Vitalfunktionen] und Aktivitäten der
       Träger*innen von Wearables für eine Auswertung an das Institut
       weiterleitet. Zehntausende Nutzer*innen von Smartwatches und
       Fitnessarmbändern luden die Anwendung innerhalb weniger Stunden auf ihre
       Mobilgeräte. Die Idee, über Gesundheitsdaten wie den Ruhepuls potenziell
       Infizierte geografisch grob zuzuordnen und so Infektionsraten und -wege
       besser abschätzen zu können, ist einleuchtend. Die so erhobenen Daten sind
       zuverlässiger als beispielsweise Selbstauskünfte. Dass Patient*innen lügen,
       hat uns ja Doctor House jahrelang erklärt. Auch dass für eine ungefähre
       Übersicht keine individuellen Diagnosen nötig sind, sondern lediglich
       Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Trends, liegt auf der Hand.
       
       Der Wunsch des RKI, möglichst umfassendes Datenmaterial zur Verfügung zu
       haben, ist verständlich. Und die Bereitschaft zur „Datenspende“ ist
       angesichts der hohen Sensibilisierung in der Bevölkerung hoch. Nutzer*innen
       von Wearables sind dazu ohnehin offener als andere im Umgang mit den
       eigenen Daten.
       
       Schließlich ist deren Analyse und Vergleichbarkeit Teil des gewünschten
       Funktionsumfangs der Geräte. Eine repräsentative [4][Befragung des
       Allensbach-Instituts für die Friedrich-Ebert-Stiftung] aus dem vergangenen
       Jahr zeigt, dass mehr als die Hälfte der Nutzer*innen von Wearables ohne
       weitere Bedenken oder mit gewissen Einschränkungen bereit wären, ihre Daten
       der Krankenkasse oder Ärzt*innen weiterzugeben.
       
       Für diese Freigebigkeit sieht die Ebert-Stiftung übrigens zwei sehr
       unterschiedlich Motivationsmuster. Einerseits sind da Vorerkrankte, die
       sich mehr Sicherheit und Lebensqualität durch ein medizinisches
       Frühwarnsystem erhoffen. Auf der anderen Seite sind Fitnessbegeisterte, die
       sich wegen ihres zumindest gefühlt überdurchschnittlich gesunden
       Lebensstils perspektivisch Beitragsrabatte bei der Krankenversicherung
       erhoffen. Gemein ist beiden Gruppen, dass sie männlicher, vermögender und
       besser gebildet als der Bevölkerungsdurchschnitt sind.
       
       ## Interesse des Herstellers
       
       Diese Avantgarde hat nun die Möglichkeit, ihre Geräte im Interesse der
       Allgemeinheit einzusetzen. Und wer weiß, vielleicht steigt ja auch der
       Umsatz der Hersteller. Denn wer will schon hinten anstehen, wenn es um den
       Kampf gegen das Virus geht. Der Wunsch, etwas beizutragen, mag für einige
       ihr bisheriges Unbehagen oder Desinteresse an der digitalen Durchdringung
       der Lebenswelt überwinden helfen. Gerade im Zuge eines solchen Sprungs in
       der Entwicklung und Akzeptanz neuer Anwendungen und Geräte ist es besonders
       wichtig, dass das RKI als Anbieter bei der Erhebung und Verarbeitung des
       Materials allerhöchsten Sicherheits- und Datenschutzstandards genügt.
       
       Der Chaos Computer Club (CCC) hat im Zuge der [5][Diskussion über eine
       „Contact Tracing“-App einige Anforderungen zusammengestellt], die erfüllt
       werden müssten, um eine sichere und datenschutzkonforme Anwendung zu
       gewährleisten. Auch wenn einige der Hinweise sich konkret auf die
       Funktionalität der Rückverfolgung vergangener Kontakte beziehen, sind
       andere doch so grundlegend, dass sie auch auf die jetzt vorgestellte
       Datenspende-App bezogen werden können.
       
       Ein herausragender praktisch selbsterklärender Punkt ist dabei, dass die
       Weitergabe der Daten nicht einfach nur auf Vertrauensbasis erfolgen kann,
       sondern hinreichend dokumentiert und technisch nachprüfbar erfolgen muss.
       
       Allein diese basale Anforderung erfüllt die App nicht. Ihr Code ist
       proprietär statt Open Source, also gerade nicht öffentlich dokumentiert und
       prüfbar. Das RKI verlässt sich im Wesentlichen auf das Vertrauen der
       Nutzer*innen und verweist darauf, dass der hauseigene
       Datenschutzbeauftragte grünes Licht gegeben habe und der
       Bundesdatenschutzbeauftragte beratend an der Entwicklung beteiligt. Der
       jedoch sah sich genötigt, [6][in einer Stellungnahme darauf hinzuweisen,
       dass ihm vor deren Veröffentlichung nicht einmal eine fertig Version der
       App vorgelegen habe].
       
       ## Unerhörte Expert*innen
       
       Andere Forderungen des CCC, wie wirkliche Anonymität, Datensparsamkeit,
       Vermeidung zentraler „allwissender“ Server und Schutz vor unbefugten
       Zugriff durch zum Beispiel Mobilfunkbetreiber sind entweder ganz
       offensichtlich nicht erfüllt oder zumindest unklar. Das [7][RKI erklärt in
       seinen eigenen Materialien] nicht einmal, zu welchen Daten der technische
       Dienstleister, mit dem die App entwickelt wurde, Zugang hat. Und Interesse
       hat die Firma Thryve sicher an diesem Datenpaket, um es „im Einklang mit
       dem geltenden Datenschutzrecht zu verarbeiten“. Schließlich ist es das
       Geschäftsmodell des Start-ups, umfassende Gesundheitsprofile zu erstellen,
       um damit Behandlung besser individualisieren zu können – und Versicherungen
       Informationen über den Lebensstil ihrer Kund*innen zu liefern.
       
       Nichts Gutes verheißt dieses mit der heißen Nadel gestrickte Projekt für
       die noch kommende App zum Contact Tracing. Vielleicht ist es an der Zeit,
       dass das RKI lernt, auch auf Expert*innen zu hören und sein Handeln von
       denen leiten zu lassen. Jene Expert*innen, die Ahnung von den anderen
       Viren haben, von Datenschutz und von Sicherheit im digitalen Raum. Deren
       Meinung zum Infektionsschutz wiegt gerade sicher nicht so schwer, die zu
       den Apps aber umso mehr.
       
       8 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
   DIR [2] /Baumwollmasken-machen-Sinn/!5670920
   DIR [3] /Physiker-ueber-Corona-Ausbreitung/!5675769
   DIR [4] http://library.fes.de/pdf-files/wiso/15883.pdf
   DIR [5] https://www.ccc.de/de/updates/2020/contact-tracing-requirements
   DIR [6] https://www.bfdi.bund.de/SiteGlobals/Modules/Buehne/DE/Startseite/Kurzmeldung_Link/HP_Text_Kurzmeldung.html
   DIR [7] https://corona-datenspende.de/faq/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniél Kretschmar
       
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