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       # taz.de -- Das BMI äußert sich zur Grenzschließung: Asyl in Viruszeiten
       
       > Das Bundesinnenministerium betont nach einem Medienbericht, am
       > Asylverfahren habe sich nichts geändert. Die Linke widerspricht.
       
   IMG Bild: Deutsche Bundespolizisten kontrollieren den Einreiseverkehr aus der Schweiz
       
       Berlin taz | Das Bundesinnenministerium (BMI) dementiert einen Bericht des
       Focus, wonach die Einreisebeschränkungen nach Deutschland im Zusammenhang
       mit der Corona-Pandemie nun auch auf Asylsuchende ausgeweitet worden seien.
       „[1][Am bisherigen Asylverfahren hat sich keine Änderung] ergeben“, betonte
       eine Sprecherin des Ministeriums auf taz-Nachfrage. Auch in der
       Regierungspressekonferenz betonte ein Sprecher des Ministeriums, es gebe
       keinen Erlass und keine Anweisung an die Bundespolizei, Asylbewerber an der
       Grenze grundsätzlich abzuweisen.
       
       Zuvor hatte der Focus unter Berufung auf Regierungs- und Koalitionskreise
       berichtet, Asylbewerber*innen müssten damit rechnen, [2][„ab sofort an der
       Bundesgrenze abgewiesen zu werden“]. Bisher seien sie von den
       Einreisebeschränkungen ausgenommen gewesen und hätten ins Land gedurft.
       
       Über einen entsprechenden Erlass hätten die Parlamentarischen
       Staatssekretäre des BMI den Innenausschuss bereits am Montag informiert.
       Das Magazin zitierte die Ausschussvorsitzende, Andrea Lindholz (CSU), mit
       den Worten, Zurückweisungen an der Grenze seien „aus Gründen des
       Gesundheitsschutzes geboten und rechtlich zulässig“.
       
       Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke widersprach der Darstellung des BMI:
       „Ich kann bestätigen, dass Vertreter des Bundesinnenministeriums in einer
       Telefonkonferenz mit dem Innenausschuss am Montag von einer Anweisung an
       die Bundespolizei berichtet haben, wonach Asylsuchende an den
       EU-Binnengrenzen zurückgewiesen werden sollen“, sagte sie der taz.
       
       ## Scharfe Kritik von Linken und Grünen
       
       Die Zurückweisung von Asylsuchenden mit der Begründung, „dass diese
       pauschal eine Bedrohung für die ‚öffentliche Gesundheit‘“ darstellte, sei
       aus ihrer Sicht rechtswidrig, so Jelpke. „Das Grundrecht auf Asyl kann in
       Zeiten der Corona-Pandemie nicht einfach außer Kraft gesetzt werden.“
       
       Auch die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg kritisierte einen solchen
       etwaigen Beschluss. Es gebe „reichlich Möglichkeiten, die Ansteckungsgefahr
       zu minimieren ohne die Möglichkeit, Asylanträge zu stellen, vollständig
       auszuschließen“, sagte Amtsberg der taz. So könnten Schutzsuchenden an der
       Grenze in Quarantäne genommen und auf eine Coronainfektion getestet werden,
       bevor sie auf die Länder weiterverteilt werden. „Die Bundesregierung muss
       transparent machen, warum diese Maßnahmen aus ihrer Sicht nicht genügen.“
       
       Ein Erlass wie der Focus ihn beschreibt sei „den Mitgliedern des
       Innenausschusses nach meinem Kenntnisstand noch nicht zugegangen“, sagte
       Lars Castellucci, migrationspolitischer Sprecher der
       SPD-Bundestagsfraktion, der taz. „Wir müssen aber alle gerade mit
       Einschränkungen in unsere Grundrechte leben, und davon wird sicher auch das
       Asylsystem nicht unberührt bleiben.“
       
       Im Moment sei das Wichtigste für die Verbesserung der Situation von
       Asylsuchenden die gemeinsame Aktion mehrerer Staaten zur Entlastung
       Griechenlands. „Die muss umgehend umgesetzt werden und kann helfen, das
       europäische Asylsystem wieder in Gang zu bringen, wenn die Coronakrise
       wieder vorbei ist“, so Castellucci.
       
       ## Flächendeckende Tests
       
       Das BMI erklärte, Asylsuchende würden flächendeckend bei der „ohnehin
       erfolgenden medizinischen Untersuchung unverzüglich auch daraufhin in
       Augenschein genommen“, ob Anhaltspunkte für eine Corona-Infektion erkennbar
       seien und auf die Lungenkrankheit Covid-19 getestet.
       
       Die Sprecherin des Bundesinnenministeriums erklärte, Bund und Länder hätten
       „entschieden, dass die Verteilung der Asylsuchenden weiterhin erfolgen
       kann, wenn Gesundheitsuntersuchung und Corona-Test am Anfang des
       Asylprozesses durchgeführt oder nachgewiesen eine 14-tägige Separierung
       ohne Erkrankung der Asylsuchenden erfolgt ist.“ Das Bundesamt für Migration
       und Flüchtlinge (Bamf) habe zudem seine bisherige Verfahrensweise
       umgestellt: In dem kommenden Wochen sollen demnach Asylanträge primär in
       schriftlicher Form gestellt werden.
       
       Pro Asyl kritisierte Grenzschließungen für Geflüchtete am Freitag scharf
       und bezeichnete diese als „Skandal“. Es werde „eins der elementarsten
       Menschenrechte außer Kraft“ gesetzt, sagte Günter Burkhardt,
       Geschäftsführer der Organisation. „Die Genfer Flüchtlingskonvention sowie
       das völkerrechtliche Abschiebungsverbot gelten auch in Krisenzeiten und
       dürfen nicht einfach ausgesetzt werden.“
       
       27 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Fluechtlinge-in-der-Corona-Krise/!5672393/
   DIR [2] https://www.focus.de/magazin/kurzfassungen/focus-14-2020-deutschland-weist-asylbewerber-an-der-grenze-zurueck-seehofer-weitet-einreisebeschraenkungen-wegen-coronakrise-aus_id_11819021.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dinah Riese
       
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