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       # taz.de -- Abtreibung in Polen: Proteste mit Abstand
       
       > Die nationalpopulistische Regierung will erneut die Gesetze verschärfen –
       > bis hin zu einem totalen Verbot. Trotz Corona gehen Frauen auf die
       > Straße.
       
   IMG Bild: Warschau im Januar: Eine junge Frau demonstriert gegen die Abtreibungsgesetzgebung
       
       Warschau taz | Polens Frauen sind sauer: Am Mittwoch soll das Parlament
       schon wieder über ein totales Abtreibungsverbot abstimmen. Vor vier Jahren
       hatten Hunderttausende Polinnen mit ihren „[1][schwarzen Protesten]“
       (#czarnyprotest) dafür gesorgt, dass das Gesetzesprojekt in der Tonne
       landete.
       
       Vor zwei Jahren hatten sie vor dem Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus,
       Blechkleiderbügel gegeneinander geschlagen und vor einer brutalen
       „Selbsthilfe“ gewarnt, sollten Schwangere zum Austragen und Gebären
       schwerstbehinderter Kinder gezwungen werden.
       
       Jetzt aber, da Polens Regierung den Covid-19-Epidemie-Zustand ausgerufen
       hat, sind Demonstrationen streng verboten. Die Chance für Polens
       Nationalpopulisten von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sind groß,
       nun endlich diese Gesetzesverschärfung durchzusetzen.
       
       Schon jetzt ist ein Schwangerschaftsabbruch nur in drei Fällen legal: wenn
       Gefahr für Leben und Gesundheit der werdenden Mutter droht, bei einer
       schweren Missbildung des Fötus oder nach einer Vergewaltigung. Schon früher
       hatten stramm rechte Politiker unter Beifall von katholischen Priestern
       gefordert, ein bei einer [2][Vergewaltigung] gezeugtes Kind als ein
       „Geschenk Gottes“ zu sehen. Selbst 12-jährige Mädchen hätten so ein
       „Geschenk“ in Demut vor Gott anzunehmen.
       
       ## Ohne Schädeldecke
       
       Initiatorin der erneuten Gesetzesinitiative ist Kaja Godek und der Verein
       Stiftung Leben und Familie. Godek, die selbst Mutter eines leicht
       behinderten Kindes ist, behauptet, dass die Verschärfung des
       Abtreibungsrechts „vor allem eine Chance ist, die Diskriminierung von
       Behinderten zu beenden. Nach dem geltenden Gesetz haben sie kein Recht auf
       Leben.“
       
       Dass Polinnen bislang das Recht haben, sich für oder gegen die Geburt eines
       Kindes nach einer Vergewaltigung oder bei einer Schwerstbehinderung zu
       entscheiden, berücksichtigt Godek nicht. Manche Frauen entscheiden sich
       sogar dafür, Kinder ohne Gehirn und Schädeldecke zur Welt zu bringen und
       sie dann in ihren ersten und letzten Stunden im Arm zu halten.
       
       Laut einer Statistik des Gesundheitsministeriums nahmen polnische Kliniken
       2018 gerade mal 1.100 Abtreibungen vor. In rund 1.050 Fällen lautete die
       Diagnose „Fehlbildung des Fötus“, darunter knapp 200 Ungeborene mit dem
       Downsyndrom.
       
       Trotz des Verbots von Demonstrationen und Menschenansammlungen
       protestierten einige hundert Polinnen am Montag nicht nur im Internet,
       sondern auch auf der Straße. In Warschau rückten sie mit Autos an und
       blockierten hupend einen Verkehrskreisel im Zentrum der Stadt.
       
       ## Schwarze Schirme
       
       An anderen Orten hielten schwarzgekleidete Polinnen schwarze Schirme und
       Protestplakate hoch – wie 2016 und 2018 –, während sie sich mit gebotenem
       Abstand vor Lebensmittelläden anstellten.
       
       Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, schrieb auf
       Twitter, dass Polens Abgeordnete die Abtreibung nicht kriminalisieren
       sollten, sondern einen Abbruch auch auf Wunsch der Frauen in einer frühen
       Phase der Schwangerschaft legalisieren sollten.
       
       15 Apr 2020
       
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