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       # taz.de -- Streik bei US-Versandhändlern: Corona-Protest bei Amazon & Co
       
       > Lieferdienste und Versandhäuser sind Corona-Gewinner. Aber die
       > Beschäftigten sind kaum geschützt. Jetzt kommt es in den USA zu Streiks.
       
   IMG Bild: Viel zu tun, aber kaum geschützt: Amazon-Lieferfahrer in Kalifornien, USA
       
       New York taz | „Unsere Gesundheit ist ebenfalls unentbehrlich“, stand auf
       dem Transparent, das Christian Smalls am Montagmittag vor einer Lagerhalle
       von Amazon hochhielt. Mit mehreren Dutzend KollegInnen verlangte er eine
       zweiwöchige Schließung der Anlage und eine sorgfältige Reinigung. Nachdem
       sich mehrere Beschäftigte in der Lagerhalle mit dem Coronavirus infiziert
       haben, geht die Angst um. Noch am selben Nachmittag feuerte Amazon den
       jungen Mann.
       
       Der Konzern begründete die Entlassung damit, der 31-Jährige habe sich nicht
       an die Regeln von [1][Social Distancing] und Quarantäne gehalten. Christian
       Smalls betrachtet das als reine Vergeltungsmaßnahme. Und der Chef der
       Gewerkschaft „Retail, Wholesale and Department Store Union“, Stuart
       Appelbaum, erklärt: „Amazon sollte sein Covid-19-Problem lösen, anstatt
       Beschäftigte zu feuern.“
       
       In der Lagerhalle im New Yorker Bezirk Staten Island sind beinahe 5.000
       Menschen mit dem Verpacken und Verschicken von Waren für Amazon
       beschäftigt. Seit dem Ausbruch der Coronaepidemie in den USA explodieren
       ihr Arbeitsvolumen und -rhythmus. Zugleich wächst in der Halle die Angst
       vor Ansteckung. Der Konzern gibt zu, dass zwei Beschäftigte aus der
       Lagerhalle das Virus haben. Doch die Beschäftigten in Staten Island wissen
       von zehn Infizierten in ihren Reihen. Und sie befürchten, dass es
       zahlreiche weitere und bislang unerkannte Infizierte gibt.
       
       Sie alle berühren dieselben Türklinken, Wasserhähne und Geländer. Seit
       Tagen sprechen sie über unzureichende Sicherheitsvorkehrungen und mangelnde
       Transparenz. „Ich berühre mindestens 2.000 Dinge pro Stunde, und ich habe
       keinen Schutz“, sagt der Beschäftigte Terrell Worm bei dem Protest am
       Montag, zu dem sich nur knapp 50 Beschäftigte trauten. „Das hat keinen
       Einfluss auf die Produktion“, verlautete aus dem Unternehmen.
       
       ## Entlassungswelle hier, Einstellungsboom dort
       
       Amazon beschäftigt rund 800.000 Menschen in den USA. Nach dem Beginn der
       Epidemie hat der Konzern angekündigt, mehrere Hunderttausend weitere
       anzuheuern. Mindestens eine seiner Lagerhallen in Kentucky musste bereits
       wegen des Virus geschlossen werden.
       
       Auch bei Instacart streikten Beschäftigte am Montag wegen der
       Arbeitsbedingungen und der Ansteckungsgefahr. Das Unternehmen lässt seine
       Mitarbeiter bei verschiedenen Supermärkten einkaufen, die Waren werden den
       KundInnen an die Haustür geliefert. Weil sie potenziell infizierte
       Einkaufswagen und Lebensmittel berühren müssen, verlangen die Beschäftigten
       Desinfektionsmittel und Handschuhe, wollen eine Gefahrenzulage und ein
       Mindesttrinkgeld von 5 Dollar pro Auftrag. Auch das Geschäftsvolumen von
       Instacart ist seit dem Ausbruch der Epidemie explodiert. Der Konzern
       spricht von 250.000 Menschen, die sich gemeldet haben, um für ihn zu
       arbeiten.
       
       Auch in anderen Bereichen der [2][krisengeplagten Wirtschaft] rumort es. In
       einem Call-Center in Arizona, wo Menschen in 15-Personen-Gruppen
       zusammensitzen, obwohl selbst das Weiße Haus 10 Leute für die maximal
       vertretbare Größe hält, sprechen Beschäftigte von einem „großen Viruspool“.
       Und bei der Fastfood-Kette Chipotle skandierten Beschäftigte auf der 6th
       Avenue in New York: „Wenn wir krank sind und arbeiten, werdet ihr krank.“
       
       Bei General Electrics, das Tausende entlassen will, weil die
       Düsentriebwerksproduktion gegenwärtig nicht funktioniert, sind Beschäftigte
       in Massachusetts am Montag mit einem anderen Slogan auf die Straße
       gegangen. Sie verlangen, die Produktion auf die Herstellung von dringend
       benötigten Beatmungsgeräten umzustellen.
       
       31 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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