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       # taz.de -- Deutsches Museum und Obersalzberg: Bayerns Großbauprojekte im Verzug
       
       > Trotz Corona wird im Freistaat an Großprojekten weitergebaut. Unabhängig
       > von der Pandemie steigen die Kosten und Zeitpläne verschieben sich.
       
   IMG Bild: München: das Deutsche Museum auf einer Insel in der Isar
       
       Es ist eine Paradoxie dieser Zeit: Während die Türen des [1][Deutschen
       Museums in München] zugesperrt sind, wie aktuell bei allen Kultur- und
       Bildungsstätten, wird drinnen mit Hochdruck gearbeitet. Handwerker,
       Ingenieure, Konstrukteure sind zugange – die Generalsanierung des 1925
       eröffneten Museums von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik
       läuft auf Hochtouren, wie der Sprecher Gerrit Faust bestätigt.
       
       „Nicht vollkommen störungsfrei“, sagt er, „aber nach wie vor gut.“ Es ist
       ein Vielfach-Millionen-Bauprojekt, das aber etwas unterhalb des Radars der
       Öffentlichkeit vonstattengeht. Doch die Generalrenovierung wird sehr viel
       teurer sein als ursprünglich geplant, so etwas gibt es auch beim
       Bundes-Primus Bayern.
       
       National und international zeigte man auf die Hamburger Elbphilharmonie,
       deren Errichtung von 77 Millionen Euro auf 866 Millionen emporgeschnellt
       war. Gerade Ministerpräsident Markus Söder von der CSU spottete einst immer
       wieder über den [2][Berliner Flughafen]. Die Botschaft: Bei uns in Bayern
       würde so etwas nicht passieren.
       
       Das Deutsche Museum, zum Zeitpunkt seiner Errichtung das Museum der Moderne
       schlechthin, sollte ursprünglich für 445 Millionen saniert werden, Beginn
       der Arbeiten war der Oktober 2015. Mittlerweile ist man bei 745 Millionen
       angelangt, zu gleichen Teilen bereitgestellt von Bund und Freistaat sowie
       einem kleineren Teilen aus dem Museumsetat und Spenden. Immerhin der
       Eröffnungstermin steht weiterhin: Am 7. Mai 2025 soll das Haus vollständig
       wiedereröffnet werden.
       
       ## Extreme Verteuerung durch extreme Fehlkalkulierung
       
       Bis dahin ist – wenn nicht gerade Corona herrscht – das Museum zur Hälfte
       zu besichtigen, während die andere Hälfte saniert wird. Der 7. Mai 2025 ist
       ein symbolträchtiges Datum. Genau 100 Jahre zuvor war das Haus eröffnet
       worden, zugleich ist es der 170. Geburtstag seines Begründers Oskar von
       Miller. Allein deshalb dürfte dieser Termin eingehalten werden, auch wenn
       bis dahin der eine oder andere Raum noch nicht fertiggestellt sein sollte
       und noch etliche Schrauben festzuziehen sind.
       
       Woran liegt die extreme Verteuerung, der ja eine extreme Fehlkalkulierung
       vorangegangen sein muss? Sprecher Faust nähert sich dem Problem von
       verschiedenen Seiten. So nennt er etwa „die stark gestiegenen Preise durch
       die florierende Baukonjunktur“. Auch habe sich der denkmalgeschützte
       Betonbau im Zuge der Renovierung als deutlich maroder erwiesen als anfangs
       angenommen.
       
       Der Raum, in den ein tonnenschweres Flugzeug hineingestellt werden soll,
       braucht einen tragfähigeren Spezialboden, damit er nicht einbricht. Andere
       Exponate sind auf Starkstromanschluss angewiesen. Nicht zu vergleichen ist
       das etwa mit einem Kunsthaus, wo sich Bilder und Skulpturen einfach
       umhängen und verschieben lassen. „Bauen im Bestand in einem
       denkmalgeschützten Gebäude ist unglaublich kompliziert“, sagt Faust.
       
       Das Museum hat dem leitenden Architekturbüro gekündigt, als man merkte,
       dass Zeitplan und realer Baufortschritt immer weiter auseinanderklafften
       und den kleinen die größeren Probleme folgten. Aus Kreisen des Landtags,
       der die zusätzlichen Finanzspritzen genehmigen musste, ist zu hören: „Es
       kam zu wenig und zu spät.“
       
       Mittlerweile sind die Architekten insolvent, übernommen hat jetzt das
       Düsseldorfer Büro RKW Architektur. Zudem bekommt Museums-Generaldirektor
       Wolfgang Heckl einen kaufmännischen Direktor oder eine Direktorin an die
       Seite gestellt. Die Stelle ist noch nicht besetzt.
       
       ## NS-Idyll: Obersalzberg
       
       Ein ganz ähnlicher Fall, wenngleich von erheblich kleinerer Dimension,
       findet sich 156 Straßenkilometer südöstlich von München im Berchtesgadener
       Land. Dort steht seit 1999 das NS-Dokumentationszentrum Obersalzberg.
       Historisch war der Ort eine wichtige Residenz Adolf Hitlers und des
       NS-Führungsstabs.
       
       Dort wurden Staatsgäste empfangen und wurde der Holocaust geplant. Die
       Dokumentation vor Ort war auf 35.000 Besucher im Jahr ausgelegt,
       mittlerweile sind es 170.000. Deshalb soll das Zentrum auf die vierfache
       Ausstellungsgröße erweitert werden und Seminarräume erhalten.
       
       Die Neubauten sollten ursprünglich einmal 14 Millionen Euro kosten, die
       Einweihung war für Ende 2020 geplant. Mittlerweile ist man bei 30 Millionen
       angelangt – was nicht die letzte Summe sein muss – und das bayerische
       Bauministerium rechnet mit der Fertigstellung im Winter 2021/22.
       
       Den verschiedenen Architektur- und Planungsbüros wurde gekündigt, da
       Leistungen „entweder gar nicht oder schlecht erbracht“ worden seien, wie
       die neue Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) sagt. Der Rohbau steht im
       Wesentlichen, auch jetzt wird weitergearbeitet, doch die Suche nach einem
       Nachfolgebüro läuft noch.
       
       ## Braune Verklärung der schönen Gebirgswelt
       
       Nur ziemlich ohnmächtig zuschauen kann dabei das Münchner Institut für
       Zeitgeschichte (IfZ), das das Zentrum Obersalzberg inhaltlich verantwortet.
       Denn für den Bau ist es nicht zuständig. Der Lernort hat immense Bedeutung
       gegen die auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch lange anhaltende [3][braune
       Verklärung] des Obersalzbergs inmitten der landschaftlich schönen
       Gebirgswelt.
       
       „Der Obersalzberg ist kein Ort wie jeder andere“, sagt Sven Keller, beim
       IfZ zuständig für die Dokumentation. „Es geht um die enge Verbindung zu
       Hitler, die vielen Propagandabilder vom Diktator im Bergidyll.“ Darüber
       informiere das IfZ historisch fundiert und zuverlässig. Schon weniger
       bekannt, aber wichtig für die Aufklärung sei auch „die enge Verbindung des
       Ortes mit Krieg und Massenverbrechen“.
       
       14 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
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