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       # taz.de -- Debatte um Infektionsschutzgesetz: NRW und Bayern preschen vor
       
       > Nach Bayern will auch NRW ein eigenes Infektionsschutzgesetz schaffen.
       > Anderswo hält man das Vorgehen der beiden Länder für verfassungswidrig.
       
   IMG Bild: Wie den Coronavirus in NRW kontrollieren? Hier ein Test bei einem Polizisten in Köln
       
       Freiburg taz | Der Düsseldorfer Landtag hat das NRW-Epidemiegesetz an
       diesem Mittwoch zunächst nur diskutiert, aber nicht beschlossen. Die
       Opposition aus SPD, Grünen und AfD konnte einen Aufschub um eine Woche
       durchsetzen. Und wahrscheinlich wird bis dahin sogar noch die geplante
       Zwangsverpflichtung von Ärzten gekippt.
       
       Die Landesregierung hatte den Gesetzentwurf erst am Wochenende vorgelegt.
       Er sieht vor, dass bei Personalmangel wegen der [1][Coronakrise] künftig
       Mediziner und Pflegekräfte zwangsverpflichtet werden können. Außerdem soll
       die Beschlagnahme von medizinischen Materialien wie Atemgeräten und
       Schutzausrüstung möglich werden. Voraussetzung ist eine Epidemie „von
       landesweiter Tragweite“, die vom Landtag festgestellt werden müsste.
       
       Das geplante NRW-Landesgesetz folgt dem Beispiel Bayerns, wo vor einer
       Woche ein Landes-Infektionsschutzgesetz beschlossen wurde. Auch dort wurden
       Zwangsverpflichtungen und Beschlagnahmen ermöglicht. Bayern geht damit
       weiter als der Bund. In dessen [2][Infektionsschutzgesetz] waren
       entsprechende Befugnisse für Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nach
       Protesten der Länder wieder gestrichen worden.
       
       Bayern und NRW stehen mit ihren Vorhaben wohl allein. Aus anderen
       Bundesländern sind keine derartigen Pläne bekannt. In Niedersachsen hält
       man solche Landesgesetze sogar für verfassungswidrig. Der Bund habe von
       seiner Kompetenz in vollem Umfang Gebrauch gemacht, deshalb hätten die
       Länder „keinen Spielraum mehr“, heißt es im Hannoveraner Sozialministerium.
       
       ## „Kein Ausdruck von Wertschätzung“
       
       Am Mittwoch wurde der NRW-Gesetzentwurf im dortigen Landtag diskutiert. Vor
       allem aus der AfD kam der Vorwurf, Ministerpräsident Laschet (CDU) wolle
       mit dem Epidemiegesetz nur seinem bayerischen Kollegen Söder (CSU)
       nacheifern, um Tatkraft zu zeigen und seine Chancen auf die
       Unions-Kanzlerkandidatur zu wahren.
       
       Zunächst musste Laschet aber zurückrudern. Der Versuch, das Epidemiegesetz
       am gleichen Tag im Landtag einzubringen und zu beschließen, war mit der
       Opposition nicht zu machen.
       
       Auch in der Sache gab es heftig Contra, vor allem bei der geplanten
       Möglichkeit zur Zwangsverpflichtung im Gesundheitswesen. „Viele Ärzte und
       Pflegekräfte arbeiten schon seit Wochen an der Grenze und darüber hinaus,
       damit die Krise bewältigt wird“, erinnerte SPD-Fraktionschef Thomas
       Kutschaty, „und jetzt sollen diese Menschen zur Arbeit verpflichtet werden?
       – Das ist kein Ausdruck von Wertschätzung.“
       
       Auch Monika Düker, Fraktionschefin der Grünen, hielt eine
       Zwangsverpflichtung für „nicht erforderlich und unangemessen, also
       unverhältnismäßig“. Mit Freiwilligkeit komme man viel weiter als mit einem
       derartigen „Affront“.
       
       ## Widerstand auch in FDP-Fraktion
       
       „Jetzt ist Zeit des Handelns, nicht des Zauderns“, sagte dagegen Bodo
       Löttgen, der Fraktionsvorsitzende der CDU, „wollen wir zusehen, wenn sich
       die Situation zuspitzt? Wenn es im Altenheim keinen Arzt und keine
       Pflegekräfte mehr gibt?“
       
       Der CDU-Gesundheitspolitiker Peter Preuß relativierte die Pläne der
       Landesregierung. Es gehe um „Hunderte“ von Ärzten, die jetzt in der
       Gesundheitsverwaltung arbeiten. Und um das medizinische Personal von
       Praxen, die wegen Corona dichtgemacht haben. „Niemand wird gegen den Willen
       des Arbeitgebers zwangsverpflichtet“, so Preuß.
       
       Vermutlich wird die Möglichkeit zur Zwangsverpflichtung von Medizinern und
       Pflegekräften aber wohl noch gestrichen. Christof Rasche, Fraktionsschef
       der FDP, sprach von „sehr lauten Rufen“ aus seiner Fraktion nach Streichung
       dieses Paragrafen. Die FDP ist in NRW an der Landesregierung beteiligt.
       
       1 Apr 2020
       
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