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       # taz.de -- Internationaler Kiffertag am 20. April: Hilft gegen den Lagerkoller
       
       > Letztes Jahr trafen sich am Welt-Kiffertag Menschen im Görlitzer Park, um
       > zu kiffen. Geht diesmal nicht. Es lässt sich aber auch in Isolation
       > rauchen.
       
   IMG Bild: Frauen rauchen einen Joint bei einer Protestaktion für legalen Cannabis-Konsum im Görlitzer Park
       
       Berlin taz | Im Treppenhaus dringt mal wieder der süßliche und
       unverkennbare Duft von Marihuana aus der Wohnung meiner Nachbarn. In
       letzter Zeit rieche ich ihn immer öfter. Nicht zuletzt ausgelöst durch den
       Grasgeruch im Haus, denke ich verstärkt darüber nach, ob ich in Zeiten der
       Coronakrise nicht auch wieder mit dem Kiffen anfangen sollte.
       
       Irgendwann ist auch die letzte Ecke der Wohnung geputzt, auf Netflix gibt
       es schon lange nichts Interessantes mehr. Von Langeweile geplagt, überlege
       ich dann angestrengt, wie sich Wochenenden und Feierabende im Homeoffice am
       besten gestalten lassen. Ich war zum Beispiel schon kurz davor, mir einen
       Premiumzugang für Zeit Online zu holen, um auf die hinter der Paywall
       verstecken Happy-Quarantäne-Rezepte zugreifen zu können. Die Spargeltarte
       sah einfach zu verführerisch aus.
       
       Glaubt man den gängigen Kifferklischees, wäre Marihuana eine einfache
       Lösung für meine durch die Kontaktsperre verursachten Probleme: Langeweile
       wäre kein Thema mehr, bis zur Entwicklung des Impfstoffs reichten ein paar
       1990er-Sitcoms und Naturdokus locker aus. Da das Zu-Hause-Bleiben zur
       Tugend erhoben worden ist, wäre es auch kein Problem mehr, früh am Abend
       bekifft einzuschlafen oder es nicht mehr von der Couch zu schaffen.
       
       Während meines Bachelorstudiums kiffte ich häufiger mit Kommiliton*innen.
       Daher weiß ich auch, dass Cannabis zumindest auf mich so wirkt, wie es mit
       den Klischees beschrieben wird. Irgendwann ließ ich es dann bleiben, vor
       allem weil es mir bekifft schwerfiel, mit anderen Menschen zu interagieren.
       Auch das sollte in Zeiten, in denen Social Distancing Gebot der Stunde ist,
       eher von Vorteil sein. „Hilft auf jeden Fall gegen soziale Isolation und
       Lagerkoller“, erzählte mir ein Freund, der viel kifft.
       
       ## Aber woher nehmen?
       
       Am Montag, den 20. April, ist „4:20“, das ist quasi der internationale
       Feiertag der Marihuanakultur. In Berlin trafen sich in den letzten Jahren
       noch mehr Menschen als sonst im Görlitzer Park, um nachmittags um Punkt
       4.20 Uhr zu kiffen. Coronabedingt wird das dieses Jahr wohl ausfallen.
       Vielleicht genau der richtige Zeitpunkt, um sich etwas Gras zu besorgen und
       solidarisch eine Tüte anzuzünden. Aber woher nehmen?
       
       Seit 2017 ist es zwar auch möglich, Cannabis auf Rezept zu bekommen, aber
       für alle anderen ist der Erwerb trotz aller Bemühungen immer noch illegal,
       auch in Berlin. Erst vergangene Woche lehnte das Bundesinstitut für
       Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Antrag des Landes Berlins
       ab. Der Senat plante, in einem wissenschaftlich begleiteten Modellversuch
       Cannabis kontrolliert an registrierte Nutzer*innen abzugeben. Nutzer*innen
       und solche, die es werden wollen, bleibt also nur die Illegalität.
       
       Der Görlitzer Park ist seit jeher Anlaufstelle für Teilzeitkiffer ohne gute
       Kontakte. In Coronazeiten wirkt der Park verlassen, die Dealer unruhig. Den
       Sicherheitsabstand einhaltend, komme ich mit einem ins Gespräch, frage ihn,
       wie das Geschäft läuft. „Viel weniger Kundschaft“, antwortet er, außerdem
       sei die Polizei nun viel präsenter. Es seien schwere Tage für die Dealer im
       Park. Mir vergeht die Kauflust, ich bedanke mich und gehe wieder.
       
       ## Direkt nach Hause geliefert
       
       Im Jahr 2020 kaufe man Weed in Berlin im Messengerdienst Telegram, sagte
       mein Kumpel. In halb öffentlichen Gruppen böten Dealer verschiedene Sorten
       Gras und Haschisch an. Ein kurzer Chat, und schon werde das Zeug direkt zu
       einem nach Hause geliefert.
       
       Ich bin skeptisch. Dealer, die Dutzende Leute am Tag in ihren Autos oder
       Wohnungen treffen – das klingt für einen Virus nach einer einfachen Art,
       sich auszubreiten. Auch der in der Gruppe gepostete Hinweis, dass „unsere
       Fahrer Handschuhe tragen, Oberflächen desinfizieren und den Empfehlungen
       des Bundesgesundheitsministeriums folgen“, beruhigt mich nicht.
       
       Langsam kommen mir Zweifel. Schließlich greift Covid-19 vor allem die Lunge
       an. Erste medizinische Studien legen nahe, dass Raucher*innen besonders
       gefährdet seien – ob nun Tabak oder Marihuana. Außerdem steigt durch den
       Konsum die Gefahr, Psychosen zu entwickeln. Und entgegen allen Behauptungen
       ist das Abhängigkeitspotenzial nicht zu unterschätzen. Da die Toleranz sehr
       schnell steigt, schlägt gerade regelmäßiger Konsum stark aufs ohnehin schon
       begrenzte Budget. Kiffen in der Krise – vielleicht doch keine so gute Idee.
       
       18 Apr 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Wahmkow
       
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