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       # taz.de -- Corona und Feiern in Berlin: Tanz über die lange Distanz
       
       > Corona bedroht das Berliner Nachtleben. Um ein Clubsterben zu verhindern,
       > braucht es Engagement durch UnterstützerInnen.
       
   IMG Bild: Wodka-Desinfektion pur: Das Mysliwska in der Schlesischen Straße in Kreuzberg
       
       Wie lange wird der Club-Shutdown dauern? Werden die Fördermittel reichen?
       Kann man mit Atemmasken tanzen? Oder auf Distanz?
       
       Es sind eine Menge Fragen, die die [1][Berliner Veranstaltungsszene]
       derzeit beschäftigen, immer schwingt die Ungewissheit mit. „Ich schätze es
       so ein, dass ein Großteil der Clubs in seiner Existenz gefährdet ist“, sagt
       Ran Huber, der mit seiner Reihe amSTARt seit mehr als 20 Jahren Konzerte
       veranstaltet. „Die Auswirkungen auf die Kulturlandschaft, aber auch auf
       Betriebe wie Bars, Cafés und kleine Läden dürften fatal sein. Wenn es
       schlecht läuft, könnte die Stadt nach der Coronakrise nicht
       wiederzuerkennen sein.“
       
       Huber selbst hat für amSTARt eine Spendenkampagne initiiert. Noch bis
       Donnerstag will er 10.000 Euro von Unterstützern sammeln, 3.700 Euro
       fehlten am Dienstagmorgen noch. Für ihn wie für viele weitere geht es
       darum, Einbußen der kommenden Monate zu kompensieren (siehe weitere
       Spendenaktionen und Initiativen im Kasten).
       
       ## Soforthilfe reicht nicht aus
       
       Die Soforthilfe der Investitionsbank Berlin (IBB) reichen bei Weitem nicht
       aus, um den Erhalt der Reihe zu sichern. Bislang fielen acht Konzerte und
       das für Mai geplante [2][Festival „Down by the River“] dem Virus zum Opfer,
       mindestens drei weitere Shows werden ausfallen. Großveranstaltungen sind in
       Berlin bis zum 31. August verboten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bis
       dahin auch keine Partys und kleinen Konzerte möglich sind.
       
       Die allergrößte Not lindern können staatliche Hilfen, also das Programm der
       IBB, die Coronahilfe vom Bund sowie das kürzlich durchgewunkene
       30-Millionen-Hilfspaket des Senats (Soforthilfepaket IV). Und doch könnte
       es sein, dass auch das am Ende nicht reichen wird.
       
       Schließlich ist es gut möglich, dass die rund 280 Clubs und Veranstalter,
       die es laut Clubkultur-Studie von 2019 in Berlin gibt, bis mindestens zum
       Herbst auf Veranstaltungen verzichten müssen. Der geschätzte Gesamtumsatz
       dieser Clubs lag 2017 bei 168 Millionen Euro. Ginge man von zwei Dritteln
       fehlendem Jahresumsatz aus, was nicht unwahrscheinlich ist, käme man auf
       rund 112 Millionen Euro Umsatzeinbußen.
       
       ## Große Solidarität
       
       Hoffnung machen andere Zahlen. Denn die Clubszene setzt auf Solidarität,
       und ist dabei sogar erfolgreich. Die Clubcommission überträgt unter dem
       Titel [3][„United We Stream“] jeden Abend DJ-Sets und Konzerte und bittet
       um Spenden, bislang sind so etwa 400.000 Euro zusammengekommen.
       
       Auch das About Blank, linke Feierhochburg nahe dem Ostkreuz, hat innerhalb
       kurzer Zeit mehr als 130.000 Euro Spenden erhalten. „Wir sind überwältigt
       von dem Zuspruch. Es gibt offenbar viele Leute, die diesen Laden erhalten
       wollen“, sagt Eli Steffen, die die Öffentlichkeitsarbeit macht. Allerdings
       relativiert sie in Bezug auf die Summe: „Das klingt erst mal nach viel
       Geld. Man muss aber auch sehen, dass wir drei bis sechs Veranstaltungen pro
       Woche machen – diese Einnahmen daraus fallen nun ersatzlos weg.“
       
       Für die kommenden zwei, drei Monate könne man sich dank des Crowdfunding
       über Wasser halten, danach werde es wohl schwierig. Kredite würden die
       Misere nur aufschieben, erklärt Steffen: „Wir verschulden uns gerade
       sowieso. Wenn wir nun Darlehen aufnehmen, wie sollen wir die jemals
       zurückzahlen?“ Bis zu 200 Mitarbeiter beschäftigt das About Blank in den
       Sommermonaten, bei einigen von ihnen sei immerhin Kurzarbeit möglich.
       
       ## Sektempfang online
       
       Das About-Blank-Kollektiv überlegt, ob und wie Corona-kompatible
       Veranstaltungen aussehen könnten. „Es ist realitätsfern zu glauben, dass
       bald wieder Clubnächte stattfinden wie wir sie bisher kennen. Alternative
       Nutzungskonzepte oder -formate sind zwar grundsätzlich vorstellbar. Um
       ökonomisch zu überleben werden wir in den nächsten Monaten staatliche
       Soforthilfen brauchen.“ Den anstehenden 10. Clubgeburtstag muss die
       Blank-Crew allerdings ins Netz verlegen – verspricht aber nicht nur einen
       DJ-Livestream, sondern dazu einen Sektempfang und ein „Dinner for blank“.
       
       Auch Ran Huber hofft darauf, dass Konzepte für die Krise gefunden werden:
       „Ich habe absolutes Verständnis für die Sicherheitsmaßnahmen, die es
       derzeit gibt. Aber für Bars, Kneipen und Clubs müssen Zwischenlösungen
       gefunden werden, wie Veranstaltungen unter Auflagen stattfinden können.“ So
       sei es bei kleinen Open-Airs etwa denkbar, weniger Leute zuzulassen, das
       Tragen von Atemmasken vorzuschreiben und darüber hinaus an die
       Selbstverantwortung von Besuchern zu appellieren.
       
       Huber fürchtet, dass Corona für den langfristigen Shutdown Berlins sorgen
       könnte. „Die Clubs standen bereits vorher unter einem enormen ökonomischen
       Druck, viele waren von Verdrängung gefährdet. Durch das Virus hat sich
       dieses [4][Problem massiv verschärft]“, sagt er. „Was gerade passiert, ist
       im Prinzip der feuchte Traum der Investoren: dass kleine Clubs in zentraler
       Lage zahlungsunfähig werden und schließen müssen.“ Um sie jäh aus diesen
       feuchten Träumen zu reißen, hilft den Clubs jeder Cent.
       
       22 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Absage-aller-grossen-Veranstaltungen/!5676789
   DIR [2] https://www.downbytheriver-berlin.de/
   DIR [3] https://unitedwestream.berlin/
   DIR [4] /Berliner-Finanzen-in-Coronazeiten/!5677476
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Uthoff
       
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