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       # taz.de -- Überwachung von Corona-Regeln: Abstandskontrolle vom Balkon
       
       > Diese jungen Leute spucken uns ins Gesicht. Wie die Corona-Krise den
       > Generationskonflikt verschärft und nicht nur das Beste im Menschen
       > herausbringt.
       
   IMG Bild: Nein, das ist nicht Herr Hannemann
       
       Wir sitzen in der Sonne auf unserem Balkon hoch über der Stadt, als ich
       unten auf dem schäbigen kleinen Grünstreifen vier junge Menschen dicht
       nebeneinandersitzen sehe, und das in Sichtweite einer dieser mobilen
       Polizeiwachen, die dort zurzeit über die Einhaltung der Schutzmaßnahmen zu
       wachen vorgeben.
       
       Ich glaube nicht, [1][dass das eine Familie oder eine WG ist], sage ich zu
       meiner Frau, die sicher ebenso empört ist, auch wenn man es ihr nicht
       anmerkt. Ich hätte jetzt wahnsinnig gern ein Megafon, um laut
       herunterzuquäken: „Heda! Halunken! Sofort auseinander, ihr Pestknechte!“
       Denn das ist es, was ich hier tun kann – es ist im Grunde sogar meine
       verdammte Pflicht.
       
       Die Ordnungsmacht scheint nicht die Bohne daran zu denken, dem schädlichen
       Treiben ein Ende zu bereiten. Wie in der Pause zwischen zwei Corridas aalen
       sich die Bullen untätig in der Sonne. Manchmal frage ich mich, wozu ich
       überhaupt Steuern bezahlen würde, wenn ich denn genug verdiente. [2][Muss
       ich hier jetzt die 110 anrufen oder wie?] Oder 911 oder wie war gleich noch
       mal diese Virus-Hotline? Was für eine Zumutung!
       
       ## Miesepeter-Fünfkampf
       
       „Schschsch!“, mache ich, erhebe mich kurz von meinem Balkonstuhl und wedle
       ausholend mit den Händen, um die Straftäter zu verscheuchen, nur ist das
       auf die Entfernung aussichtslos. Meine Frau schlägt vor, ich könne doch
       einen vollen Pisseeimer runterschütten, aber die Strolche sitzen gut und
       gern siebzig Meter Luftlinie von hier.
       
       Wenn ich das draufhätte, wäre ich statt auf dem Balkon wahrscheinlich eher
       im Trainingslager für die Olympischen Spiele – falls die jemals wieder
       stattfinden. Da übe ich dann für den Miesepeter-Fünfkampf aus
       Pisseeimerweitwurf, Querfeldeinverpfeifen, Mittelgewichtspetzen,
       Viererdenunzieren ohne Steuermann und 3.000-Meter-Beschwerdelauf.
       
       Kann man wirklich nichts machen? Die Wichte entwickeln vor unseren Augen
       eine kriminelle Energie, die man in dieser Dimension nicht für möglich
       gehalten hätte. Den Schutzwall, den Virologen, Gesundheitsminister und
       Behörden im Schweiße ihres Angesichts für uns alle aufgebaut haben, reißen
       sie hier allein mit einem verächtlichen Achselzucken wieder ein.
       
       „Wir scheißen auf eure Gesellschaft“, spucken uns diese jungen Leute
       unmissverständlich ins Gesicht, „wir möchten euch tot sehen, so bald, so
       viele und so qualvoll wie möglich. Danach tanzen wir auf euren Gräbern, zu
       viert, zu vierhundert, zu vierhunderttausend, mit Fahrrädern, ohne Masken
       und dicht beieinander wie Sardinen des Satans.“ O Gott, wie ich sie hasse!
       
       ## Die Dame Corona in Teufels Küche
       
       Die Gesetze sind schließlich für alle da. Wo kämen wir hin, wenn das jeder
       so machen würde? Wir kämen direkt in Teufels Küche. Dort stünde die Dame
       Corona mit einer schwarzen Küchenschürze am Herd und brockte uns ein fettes
       Süppchen ein, aber hallo! Und zwar mit ordentlich Pfeffer unterm Arsch und
       Radieschen von unten.
       
       Während ich überlege, dass ich gerade Hunger bekomme, stehen dort unten
       endlich die Verbrecher auf. Bestimmt denken sie, dass hier im Viertel eh
       bald alle tot sind. Nun wird es ihnen langweilig, sie ziehen weiter, um ihr
       Mordhandwerk woanders fortzusetzen. Zwei gehen als Paar dicht
       nebeneinander, vereinzelt folgen die andere Frau und der andere Mann mit
       Abstand. Die Fahrräder schieben sie, direkt an den Polizisten vorbei.
       
       Wenn ich die wäre, würde ich das spätestens jetzt genau überprüfen. „Kann
       ich bitte mal ihre Fickkarte sehen?“, spräche ich das „Paar“ an. Das
       folgende Gestotter möchte ich aber mal hören, da würde ich gern Mäuschen
       spielen. Und dann ab ins Gefängnis. Ordnung muss sein.
       
       22 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Uli Hannemann
       
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