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       # taz.de -- Ein paar Gedanken zu Distanzen: Das sind doch 1,5 Meter!
       
       > Distanzen werden sehr unterschiedlich eingeschätzt, zeigen die
       > Corona-Bestimmungen. Ist das etwa politisch begründet? Oder gar ein
       > Gender-Problem?
       
   IMG Bild: Visualisieren ist ja ein beliebtes Vermittlungskonzept
       
       Das sollen also eineinhalb Meter sein? Dafür rauscht dieser Radfahrer ganz
       schön knapp an einem vorbei. Und die beiden Frauen, Anfang 30 und im
       Gegenverkehr, die da ihre Kinderwagen nebeneinander herschieben, munter in
       die andere Weghälfte hinein, haben das mit dem Abschätzen auch nicht so
       richtig raus. Eineinhalb Meter, das ist ungefähr so lang und weit wie man
       oder frau selbst einmal quer über den Weg gelegt. Meist mit ein bisschen
       Puffer oben drauf.
       
       Wenn sich ausschließlich Männer so verhalten würden, ließe sich das
       vielleicht in Analogie zu der dort gelegentlich verbreiteten falschen
       Größeneinschätzung gewisser Körperteile erklären. Aber es sind ja eben auch
       Frauen, die stur geradeaus weitergehen und nicht zur Seite rücken. Diese
       zugegebenermaßen etwas zotige Erklärungsvariante fällt also aus.
       
       Oder können sie, Frauen wie Männer, durchaus richtig schätzen und meinen
       bloß, es nicht mehr zu müssen? Weil ja jetzt „Flatten the curve“
       erfolgreich war und alle Welt so sehr von Lockerung der Auflagen spricht,
       dass die Kanzlerin vor „Öffnungsdiskussionsorgien“ warnt? Weil ja die
       Bilder mit den vielen Särgen aus Italien schon wieder einige Wochen alt
       sind?
       
       Es gibt ja glücklicherweise weiter diejenigen, die Abstand halten, die sich
       in dem links und rechts von dichten Hecken begrenzten Kleingartenweg ganz
       an den Rand drücken, um sich, aber eben auch andere zu schützen. Aber es
       mehren sich – zumindest ganz subjektiv empfunden – inzwischen die, die das
       anders sehen, in der Wegmitte gehen und maximal einen Anstandszentimeter
       zur Seite rücken.
       
       Irgendwie ist das aber auch nicht überraschend. Genauso wenig wie jene, die
       früher mit Einsamkeit schlecht zurecht kamen, so ändert sich auch wenig
       soziales Denken nicht automatisch in einer Sondersituation. Wer früher
       schon großkotzig in der Wegmitte ging und auch auf Klingeln oder Zuruf
       nicht reagierte, rückt auch jetzt nicht an den rechten Rand.
       
       Das kann man politisch gut finden. Aber wenn das dadurch motiviert wäre,
       müsste das vorwiegend im links-grün-regierten Gleisdreickeckpark in
       Kreuzberg zu finden sein. Doch auch im CDU-geführten Zehlendorf ist
       Rechtsverkehr in Parks nicht durchgängig.
       
       Radikal würde nur helfen, was zu Anfangszeiten der Corona-Pandemie mal
       unter „kurios“ in den Fernsehnachrichten zu sehen war: Mit einem
       gummibootartigen 1,5-Meter-Abstandsring unterwegs sein. Oder, einfacher,
       mal einen Zollstock mitnehmen und den demonstrativ zur Seite halten.
       Visualisieren ist ja sonst auch ein beliebtes Vermittlungskonzept.
       
       22 Apr 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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