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       # taz.de -- Anwalt über Versammlungsrecht und Corona: „Ein schwerwiegender Eingriff“
       
       > Dass Demonstrationen nur mit Ausnahmegenehmigung möglich sind, hält Peer
       > Stolle für eine kritikwürdige Einschränkung von Grundrechten.
       
   IMG Bild: Erfreut sich noch größerer Beliebtheit in Corona-Zeiten: Die Fenster-Demo
       
       taz: Herr Stolle, um die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen, wird
       unter anderem [1][auch das Demonstrationsrecht eingeschränkt]. Wie
       einschneidend sind die Maßnahmen? 
       
       Peer Stolle: Das Demonstrationsrecht ist aktuell massiv eingeschränkt, wenn
       nicht sogar vollkommen aufgehoben. Mittlerweile – seit einer Entscheidung
       des Bundesverfassungsgerichts – werden von den Gerichten einzelne
       Versammlungen unter Auflagen erlaubt. Vor 2/3 Wochen waren die
       Einschränkungen stärker, da wurden so gut wie alle Versammlungen verboten.
       
       Welche Einschränkungen gibt es denn? 
       
       In Deutschland gibt es keine einheitliche Regelung, sondern einzelne
       Regelungen in jedem Bundesland; das macht die Situation schwer. In manchen
       Bundesländern sind Versammlungen absolut verboten, in anderen ist die
       Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Das ist ein erheblicher Eingriff.
       Normalerweise ist man nur verpflichtet, Versammlungen anzuzeigen. Eine
       Genehmigung braucht man nicht. Jetzt sind alle Versammlungen verboten und
       man muss eine Ausnahme beantragen. Das kehrt das Grundrecht in sein
       Gegenteil.
       
       Wie darf man noch protestieren? 
       
       Stand jetzt sind [2][in Berlin alle Versammlungen verboten]. Für
       Versammlungen mit bis zu 20 Teilnehmenden kann eine Ausnahmegenehmigung
       beantragt werden. Dann gibt das zuständige Gesundheitsamt eine Einschätzung
       zum Infektionsschutz ab. Abschließend entscheidet die Versammlungsbehörde.
       Die Kriterien, die dafür erfüllt sein müssen, sind selten nachvollziehbar.
       
       Sind die Einschränkungen der Situation angemessen oder ein
       unverhältnismäßiger Eingriff in unsere Grundrechte? 
       
       Es ist natürlich ein schwerwiegender Eingriff. Die Versammlungsfreiheit ist
       eine der Grundlagen für eine streitbare Demokratie. Gerade in Zeiten
       schwerer Krisen ist die Wahrnehmung eines solchen Grundrechtes unabdingbar.
       Es ist wichtig, dass die Behörden und Gerichte Versammlungen auch unter
       diesen besonderen Bedingungen zulassen und die Grundrechtseinschränkungen
       wieder rückgängig machen, wenn die Pandemie unter Kontrolle ist.
       
       Befürchten Sie, dass unsere Demokratie von den Auflagen tatsächlich
       gefährdet wird? 
       
       Man kann häufig beobachten, dass Krisen autoritäre Mittel stärken. Ob das
       hier der Fall sein wird, gilt abzuwarten. Man kann eine Tendenz bereits
       beobachten: Die Versammlungsfreiheit wird über das notwendige Maß
       eingeschränkt. Selbst wenn die Veranstalter Vorschläge machen, um die
       Infektionsgefahr auszuschließen, werden Versammlungen verboten. Das ist
       unverhältnismäßig. [3][Die Wahrnehmung von Grundrechten muss immer möglich
       sein], gerade wenn die Regeln für Infektionsschutz eingehalten werden.
       
       21 Apr 2020
       
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