# taz.de -- Breitbandausbau in Deutschland: Zarte Innovation in Coronakrise
> Beim Ausbau der Infrastruktur für schnelles Internet ist Deutschland
> europäisches Schlusslicht. Ausgerechnet die Krise gibt Grund zur
> Hoffnung.
IMG Bild: Breitbandausbau für schnelles Internet in Straupitz, Rheinland-Pfalz
BERLIN taz | Noch vor der Coronakrise gingen Analysten davon aus, dass die
Umsätze bei den Video-on-Demand-Plattformen im Jahr 2020 um sechs Prozent
steigen würden. Jetzt könnten es sogar über zehn Prozent werden, mutmaßt
das Marktforschungsunternehmen Strategy Analytics. Aber könnten die Netze
das aushalten?
Netflix, YouTube und andere Anbieter kündigten vor Kurzem an, in Europa
ihre Datenmengen zu drosseln, [1][um das Netz zu entlasten]. Manch einer
hofft nun, dass bald mehr passiert, um den Breitbandausbau in Deutschland
voranzutreiben. Der Weg ins Gigabit-Zeitalter ist ohne Glasfaserleitungen
oder entsprechend aufgerüstete Breitbandanschlüsse aber nicht möglich. Und
hier ist Deutschland EU-weit eines der Schlusslichter.
Anfang 2020 waren nur rund zehn Prozent aller Haushalte direkt mit einer
Fiberleitung verbunden, vor allem die ländlichen Regionen sind
unterversorgt. Im Schnitt surfen deutsche Haushalte [2][mit etwa 94 Megabit
pro Sekunde] (Mbit/s). Zum Vergleich: In Frankreich sind es 136, in der
Schweiz 148 Mbit/s.
„Vor allem während des Tages hat sich die Netzauslastung sicher um 50
Prozent erhöht“, sagt Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands für
Telekommunikationsunternehmen. Damit würden zwar immer noch nicht die
Kapazitäten der Peaks zur Feierabendzeit aus Vor-Corona-Tagen erreicht.
Aber auch die Peaks hätten sich aktuell um zehn bis 20 Prozent gesteigert.
## Regierung will Ausbau erleichtern
„Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass wir selbst mit einem Volumen von 50
bis 100 Mbit/s langsam an die Grenzen dessen kommen, was die Konsumenten
wollen“, glaubt Telekommunikationsexperte Helmut Haag, der unter anderem
Kommunen beim Breitbandausbau berät. „Ich bin mir sicher, dass diese Krise
einen Schub erzeugen wird, auch wenn momentan vieles gedrosselt wird“, sagt
Haag.
Im Rahmen eines Notfallpakets Anfang März hatte die Bundesregierung bereits
angekündigt, Anträge und Genehmigungsverfahren im Breitbandausbau zu
erleichtern.
„Geld ist genügend da, denn die Bundesregierung fördert im
Milliardenbereich, aber es ist für die Kommunen kompliziert, die
entsprechenden Anträge sinnvoll und richtig auszufüllen“, sagt Haag. Selbst
bei optimierten Vorgehen kann es von Antragsstellung bis Förderzusage
anderthalb Jahre dauern. Danach müssten Tiefbauunternehmen gefunden werden,
die in der Regel oft schon ausgelastet seien.
Vor Kurzem hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, [3][„um
den Ausbau von Glasfaserinfrastrukturen in Gebäuden deutlich zu
erleichtern“]. So formuliert es ein Sprecher des Bundesjustizministeriums.
Alle Wohnungsbesitzer, so heißt es im Entwurf, können „angemessene bauliche
Veränderungen verlangen“, die „dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz
mit sehr hoher Kapazität dienen“. Ein „hochbitratiger“ Internetzugang sei
ein Grundbedürfnis im digitalen Zeitalter, heißt es weiter aus dem
Ministerium.
## Streamingdienste würden sich freuen
Beim Unternehmen FS.COM, das in Deutschland TV-Sender, öffentliche
Einrichtungen und Unternehmen mit Glasfaserinfrastruktur ausrüstet, werden
trotz Krise keine Einbrüche registriert.
„Wir sehen ganz klar den Trend, dass immer mehr die Bedeutung
leistungsstarker Netze erkennen und sie als Voraussetzung für eine
erfolgreiche Transformation von Medienkonsum, Industrie, Bildung,
Verwaltung und Wissenschaft in eine digitale Ära sehen“, sagt
Geschäftsführer Andreas Kloo.
Besonders die Content-Provider, die bereits den höchsten Bedarf haben,
würden sich über eine Verbesserung freuen, denn sie könnten dann noch mehr
Inhalte in besserer Qualität transportieren.
Beim Streaminganbieter Joyn jedenfalls ist man überzeugt, „dass der Ausbau
der Infrastruktur und eine bessere Breitbandversorgung in Deutschland
generell ein guter Treiber für die Nutzung von hochqualitativen Inhalten
über Streaming ist“. Damit, so eine Sprecherin weiter, würden auch Inhalte
in 4K-Auflösung, HDR und interaktive Formate mehr Verbreitung finden und
auch Downloads mehr durch Realtime-Streaming ersetzt werden.
22 Apr 2020
## LINKS
DIR [1] /Streaming-Boom-durch-Corona/!5672431
DIR [2] https://www.speedtest.net/global-index
DIR [3] https://www.golem.de/news/mehrfamilienhaeuser-eigentuemer-erhalten-anspruch-auf-glasfaserleitung-2003-147444.html
## AUTOREN
DIR Wilfried Urbe
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