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       # taz.de -- Kurs gegenüber Ungarn: Selbstverzwergung der EU
       
       > Jetzt rächt sich, dass Europa viele Jahre dem Treiben Viktor Orbáns
       > zugesehen hat und keine Wege für Sanktionen fand.
       
   IMG Bild: Viktor Orbán in Budapest im Januar 2020
       
       Seit langem verfolgen Überlebende des Holocaust in Ungarn und in anderen
       Ländern Europas die politischen Entwicklungen um Victor Orbán mit Entsetzen
       und Empörung. Die permanente Destabilisierung der Demokratie in Ungarn und
       das Vergiften des gesellschaftlichen Klimas durch offenes
       propagandistisches Taktieren mit alten antisemitischen und rassistischen
       Klischees erinnert die Überlebenden an historische Entwicklungen, die sie
       in Ungarn mit ihren Familien schon einmal am eigenen Leib erlitten haben.
       
       Vor wenigen Wochen erst mussten sie fassungslos beobachten, wie die Werke
       des jüdisch-ungarischen Nobelpreisträgers und Auschwitz-Überlebenden Imre
       Kertesz aus den Schulbüchern entfernt wurden. Erneut hat jetzt der
       ungarische Ministerpräsident Europa eine schallende Ohrfeige verpasst und
       die Brüsseler Institutionen als zahnlose Tiger der Lächerlichkeit
       preisgegeben. [1][Die Selbstentmachtung des Parlaments], die Orbán gerade
       mit der Zweidrittelmehrheit seiner Partei auf den Weg gebracht hat, macht
       ihn zu einem Herrscher, den die europäischen Demokratien in ihren Reihen
       gar nicht mehr für möglich gehalten hatten.
       
       Jetzt rächt sich, dass Europa über viele Jahre dem Treiben Orbáns zugesehen
       und keine Wege gefunden hat, ihn mit empfindlichen Sanktionen zu belegen.
       Für Auschwitz-Überlebende nicht nur in Ungarn war Europa in den letzten
       Jahrzehnten eine Institution, die – auch als Reaktion auf die Schrecken von
       Auschwitz entstanden – vor allem dafür Sorge tragen würde, dass sich
       Demokratien in Europa gegenseitig stabilisierten und die Rechte und Regeln
       der Demokratie in allen Mitgliedsländern gewahrt werden würden: Keiner
       würde in Europa alleingelassen werden, wenn Politiker vor der heimischen
       Haustür versuchten, Hand an die Wurzeln der Demokratie zu legen und Hetze
       und Hohn zum Grundton ihrer Politik machen würden.
       
       Gerade deshalb ist in diesen Tagen die [2][Selbstverzwergung Europas]
       besonders tragisch und gerade deshalb warten jetzt Überlebende des
       Holocaust auf eine europäische Antwort an die ungarische Adresse. Es wäre
       für uns alle fatal, wenn aus den Corona-Dunkelheiten ein Europa auftauchen
       würde, das demokratische Prinzipien leichtfertig geopfert hat.
       
       9 Apr 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Christoph Heubner
       
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