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       # taz.de -- Das Oster-Versprechen in Coronazeiten: Die Auferstehung der Gläubiger
       
       > Auch wenn die Kirchen zu sind: An diesem Ostern glauben plötzlich alle an
       > ein Leben nach dem Shutdown. Und so absurd ist das gar nicht.
       
   IMG Bild: Brandenburg, blauer Himmel: Wegen Corona ist dieser Tier- und Freizeitpark allerdings geschlossen
       
       Ein herrlicher Frühlingstag: Die Sonne scheint, die Vögel machen Radau und
       wir unsere Radtour als Corona-angemessenen Familienauslauf. Durch
       menschenleere Gegenden, auch Brandenburg genannt, geht es über das Gebiet,
       wo früher die Mauer rund um Berlin stand.
       
       In meiner Kindheit als West-Berliner Mauerjunge war das hier Todesstreifen.
       Heute grünen und gedeihen an diesem Fleck Birken, Kiefern und
       Osterkaninchen. 30 Jahre nach dem Untergang der DDR hat sich das Leben
       diese Todeszone wieder zurückerobert.
       
       Wäre das hier nicht die taz, könnte man das Wort „Auferstehung“ benutzen.
       Während unsere kleine Zeitung tapfer an antireligiöser Tradition festhält
       und am Aberglauben daran, dass es weltweit mit dem Glauben zuende geht,
       zeigt die Welt da draußen gerade das Gegenteil: Wenn Regierung, Parteien,
       Industrie, Wirtschaftsweise und Wissenschaft zum Osterfest 2020 ganz
       intensiv an etwas glauben wollen, dann an die Auferstehung unserer
       Wirtschaft und unseres Lebensstils.
       
       ## Der Green Deal verspricht ein besseres Leben im Jenseits
       
       Nur mit dieser festen Hoffnung ist begründet, dass wir weltweit Billionen
       von Steuer-Euros in Hilfsprogramme pumpen, die der Ökonomie eine Existenz
       nach dem Tod versprechen. Mitten in der Corona-Krise machen weite Teile
       unserer Volkswirtschaft eine Nahtod-Erfahrung, aber dann soll es weiter
       gehen. Und wenn wir über einen Green Deal sprechen, mit dem wir unsere
       Wirtschaft in ihrem nächsten Leben auf Ökostrom, sauberen Stahl und
       nachhaltigen Verkehr umstellen, dann versprechen wir ein besseres Leben im
       Jenseits. Mehr an Osterbotschaft geht eigentlich nicht.
       
       Wir verdrängen ja gern, wie wenig sich unser Leben auch sonst von der
       Aufklärung leiten lässt. Bis auf wenige Ecken der Erde hat sich das blinde
       Vertrauen in den allein selig machenden Kapitalismus als nicht
       hinterfragtes Credo durchgesetzt. Kredit bedeutet Glauben, ein Gläubiger
       ist also ein Glaubender. Andere tragen Dogmen wir die Schwarze Null vor
       sich her, begeistern sich für „Voodoo-Economics“ oder verbringen ihre
       Freizeit in Welten, die von Zombies bevölkert sind.
       
       Wir klammern uns an den bequemen Kinderglauben, dass wir einfach immer
       damit weitermachen können, Luft, Wasser und Boden zu vergiften und den Ast
       abzusägen, auf dem wir sitzen. Auch wenn unser Wissen und unser Gewissen
       uns sagen, dass wir dafür noch ein paar Planeten bräuchten, die wir nicht
       haben. Wir glauben daran, dass im Frühjahr auf wundersame Weise das Leben
       wieder anfängt oder dass aus der SPD doch noch mal was wird.
       
       Gegen all das erscheint die Auferstehung eines Toten plötzlich gar nicht
       mehr so absurd.
       
       Ungläubiges Staunen holt mich jedenfalls immer wieder ein, wenn ich sehe,
       mit wieviel Kraft sich die Natur Gebiete zurückholen kann, die wie
       verwüstet haben. Aus dem innerdeutschen Todesstreifen ist das „Grüne Band“
       geworden, in dem sich seltene Tiere und Pflanzen tummeln. Auch nach den
       schlimmsten Waldbränden sprießen im nächsten Jahr die ersten grünen Triebe.
       Und gerade hat eine große Studie Hoffnung bei den Meeresschützern
       verbreitet: In 30 Jahren könnten die Ozeane der Welt wieder gesund und
       voller Leben sein, wenn man sie nur mal vernünftig schützen würde.
       
       Es hat schon seinen Sinn, dass Ostern im Frühling liegt, wenn das Leben
       auch trotz Corona wieder voll loslegt. Vielleicht ist der Begriff
       „Auferstehung“ ein bisschen altmodisch. Heute würde man es vielleicht
       anders nennen: Kreislaufwirtschaft.
       
       12 Apr 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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