URI: 
       # taz.de -- Feuer rund um Tschernobyl: Cäsium-137 auf dem Weg nach Kiew
       
       > Seit Tagen brennt es in der Sperrzone. Durch das Feuer gelangen
       > radioaktive Teilchen in die Luft. Die Behörden trifft die Katastrophe
       > unvorbereitet.
       
   IMG Bild: Mehrere Wohnhäuser sind schon den Flammen rund um Tschernobyl zum Opfer gefallen
       
       Seit dem 4. April brennt es im Sperrgebiet um Tschernobyl. Von den Feuern,
       die vor allem Grasflächen und Unterholz befallen, ist mittlerweile [1][eine
       Fläche von rund 3,5 Tausend Hektar betroffen]. Dies berichtete das
       Internetportal der staatlichen Verwaltungsagentur der Sperrzone am
       gestrigen Samstag unter Berufung auf Untersuchungen des „Regionalen
       Osteuropäischen Zentrums zur Überwachung von Bränden“. Den genauen Umfang
       könne man wegen der Rauchentwicklung nicht feststellen, zitiert das Portal
       eine Aussage der Leiterin der Verwaltungsagentur, Katerina Pawlowa, vom 10.
       April.
       
       Zwar wurde und werde alles getan, um die Feuer zu bekämpfen, aber es habe
       sich leider gezeigt, dass das nicht ausreiche. „Die Tschernobyl-Zone war
       nicht vorbereitet auf einen großen Brand. Einige Brandherde befinden sich
       an Stellen, an die man nicht leicht heranfahren kann. Und deswegen kann man
       dort auch die Löschgeräte nicht entsprechend in Stellung bringen.“ so
       Katerina Pawlowa.
       
       240 Tonnen Wasser seien bereits von insgesamt drei Flugzeugen und drei
       Hubschraubern über der Zone abgeworfen worden, hieß es im ukrainischen
       Fernsehsender tsn, 379 Feuerwehrleute kämpften mit hundert Löschmaschinen
       gegen die Flammen, meldet das ukrainische Wochenmagazin Nowoje Wremja.
       
       Inzwischen ist das Dorf Polesskoe, in dem trotz Verbot einige Häuser
       bewohnt waren, evakuiert, zwei Checkpoints am Eingang der„Zone“ machten
       dicht. Einige Wohnhäuser sind völlig niedergebrannt, berichtet der
       Photograph Wladimir Tarasow, der das Feuer um Tschernobyl [2][auf seiner
       Facebook-Seite dokumentiert].
       
       ## Besonders gefährdet: die an den Löscharbeiten Beteiligten
       
       Am Freitag hatte das „Staatliche wissenschaftlich-technische Zentrum für
       Strahlensicherheit“ angekündigt, dass mit dem Rauch aus Tschernobyl auch
       Cäsium-137 nach Kiew gelangen werde. Die erwartete Menge liege jedoch um
       das Hundertfache unter dem Grenzwert, so der Fernsehsender tsn. Besonders
       gefährdet durch die Brände, so der stellvertretende Direktor der größten
       ukrainischen Umweltorganisation Ökodia, Olexi Pasyuk, gegenüber der taz,
       seien alle an den Löscharbeiten Beteiligte.
       
       „Mit dem Feuer gelangen auch Cäsium und Strontium, das sich in den Pflanzen
       und an der Bodenoberfläche angesammelt hat, in die Atmosphäre. Und wenn
       Bruchteile davon in die Lunge oder das Blut eines Menschen geraten,
       bereiten sie dem Betroffenen auf Jahre hinaus gesundheitliche Probleme.“
       Diese heißen radioaktiven Teilchen, so Pasiuk, können Dutzende von
       Kilometern fliegen.
       
       Nach Auffassung von Katerina Pawlowa sind mehrere Faktoren schuld am
       Ausbruch der Feuer in der Zone. Einer davon sei der Klimawandel. „Wir haben
       doch alle erlebt, was für einen Winter wir jetzt hatten. Und dann entzündet
       sich trockenes Gras natürlich besonders schnell.“ Gleichzeitig seien auch
       viele beschlossene Feuerschutzmaßnahmen bisher nicht in die Tat umgesetzt
       worden.Weitere Ursachen, so die Verwaltung der Tschernobyl-Zone, seien
       Kurzschlüsse in dem stark verkabelten Gebiet um den Unglücksreaktor [3][und
       Brandstiftung].
       
       „Feuerschutzmaßnahmen, das Verhindern von unerlaubtem Betreten des Gebietes
       und ein richtiger Umgang mit den kolossalen Mengen an Atommüll in der
       Tschernobyl-Zone erfordern beträchtliche Mittel“ erklärt Olexi Pasyuk. „Und
       die hat die Ukraine nicht.“. Zahlreiche Aufgaben zur Beseitigung d[4][er
       Folgen der Tschernobyl-Katastrophe] habe die internationale Gemeinschaft
       übernommen. Doch Vieles müsse die Ukraine auch selbst leisten. Zwar gebe es
       Finanzmittel für die Lagerung von Atommüll, doch das vor zehn Jahren
       festgesetzte Budget reiche nicht aus, liege doch der jetzige Wert der
       einheimischen Währung bei einem Drittel des damaligen, so Pasyuk.
       
       Für Katerina Pawlowa ist es wichtig, eine effektive
       Feuerschutzinfrastruktur im Gebiet um Tschernobyl aufzubauen. „Doch dafür
       braucht man einige Jahre. Gleichwohl muß man einige Maßnahmen sofort
       treffen, stehen wir doch vor einer großen Hitzewelle.“
       
       12 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://fire-map.dazv.gov.ua/
   DIR [2] https://www.facebook.com/profile.php?id=100000938665416
   DIR [3] /Feuer-um-Tschernobyl/!5677426
   DIR [4] /30-Jahre-Tschernobyl/!5299223
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Atomkraft
   DIR Ukraine
   DIR Tschernobyl
   DIR Waldbrände
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Ukraine
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Tschernobyl
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR 34. Jahrestag Tschernobyl-Katastrophe: Wenn die Heimat strahlt
       
       Noch heute sind Teile der Gegend um Tschernobyl stark verseucht. Trotzdem
       kehren immer mehr Menschen in die Nähe des Sperrgebiets zurück. Warum?
       
   DIR Weiter Brände um Tschernobyl: Feuerwehrleute fordern Hilfe
       
       Angeblich sind die Feuer rund um das Gelände des havarierten AKW
       Tschernobyl fast gelöscht. Experten zweifeln das jedoch stark an.
       
   DIR Streit um Corona-Ursprung: Kampf ums Narrativ
       
       Die USA und China überziehen sich in der Coronakrise gegenseitig mit
       Vorwürfen. Sie stellen damit Machtstreben über den Schutz von
       Menschenleben.
       
   DIR Feuer um Tschernobyl: Waldbrand als möglicher GAU
       
       Der Wald um Tschernobyl brennt, Strahlenwerte sind erhöht. Ein 27-Jähriger,
       der mutmaßlich für das Feuer verantwortlich ist, wurde festgenommen.