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       # taz.de -- Fernsehansprache des Bundespräsidenten: Vom Publikum schon jetzt vergessen
       
       > Viele Gemeinplätze und keinerlei Bekenntnis zur Gewaltenteilung:
       > Frank-Walter Steinmeiers Rede zur Corona-Krise lässt sich nicht als
       > Glanzleistung bezeichnen.
       
   IMG Bild: Ist seiner Aufgabe nicht gerecht geworden – Frank-Walter Steinmeiers Osterbotschaft zur Corona-Zeit
       
       Eine Rede des Bundespräsidenten war überfällig – aber nicht diese Rede.
       Frank-Walter Steinmeier hat in seiner Fernsehansprache ein seltsames
       Amtsverständnis an den Tag gelegt. Und eine Chance verpasst.
       
       Das Staatsoberhaupt ist weder der Seelsorger noch der Erziehungsberechtigte
       der Nation. Hingegen hat das Amt eine, wie im schönsten Amtsdeutsch [1][auf
       dessen Webseite steht], „rechts-und verfassungswahrende Kontrollfunktion“.
       Wann, wenn nicht jetzt, sollte der Bundespräsident zeigen, dass er das
       ernst nimmt?
       
       Die [2][massive Einschränkung der Grundrechte] löst bei vielen Unbehagen
       aus, auch bei Leuten, die sie angesichts der Corona-Krise für unvermeidlich
       halten. Allerdings offenbar nicht bei Frank-Walter Steinmeier, jedenfalls
       hat er davon nichts erkennen lassen. Schade.
       
       Ein Bekenntnis zur Gewaltenteilung wäre schön gewesen. Aber dem Juristen
       Steinmeier war der Hinweis kein Anliegen, dass Bürgerinnen und Bürger sich
       weiterhin gegen staatliche Maßnahmen vor Gericht wehren können. Dass die
       Deutschen auch in Krisenzeiten nicht zu Untertanen werden. Dass es für
       staatliche Eingriffe in Freiheitsrechte gesetzlicher Grundlagen bedarf. All
       das ist ja nicht selbstverständlich, sondern bedeutet tägliche, mühsame
       Arbeit im Kampf um den Fortbestand der Demokratie. Die Bevölkerung darf
       erwarten, dass der Bundespräsident dazu eindeutig Stellung bezieht. Das hat
       er nicht getan.
       
       In diesen Zusammenhang hätte übrigens ein Wort zum Wert des Föderalismus
       gepasst. Eine Erklärung, warum jetzt nicht einfach von oben durchregiert
       wird und warum es sinnvoll ist, dass die Bundesländer und sogar die
       Kommunen [3][nicht alle im Gleichschritt marschieren], sondern auf
       unterschiedliche Gegebenheiten unterschiedlich reagieren. Auch das bedeutet
       ja: Demokratie.
       
       Es gibt derzeit niemanden außer dem Bundespräsidenten, von dem eine
       Grundsatzerklärung erwartet worden wäre. Auch die Kanzlerin soll nur die
       Politik der Regierung erklären – [4][und sie tut es] -, aber nicht mehr.
       Weiterreichende Überlegungen wären Aufgabe des Staatsoberhauptes. Dieser
       Aufgabe ist Frank-Walter Steinmeier nicht gerecht geworden.
       
       Er hat sich darum bemüht, Trost zu spenden und hat die Bevölkerung zu
       Geduld und Solidarität aufgerufen. Das ist nett und egal. Die Rede des
       Bundespräsidenten enthielt eine Fülle von Gemeinplätzen und dürfte vom
       Publikum schon jetzt vergessen worden sein. Das mag sich für ihn als großes
       Glück erweisen.
       
       12 Apr 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bettina Gaus
       
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