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       # taz.de -- Corona-Notverordnung überarbeitet: Hat die Kanzlerin Berlin gemeint?
       
       > Angela Merkel beklagt eine „zu forsche“ Umsetzung der Corona-Beschlüsse:
       > Der Senat hat die Corona-Notverordnung überarbeitet. Ein Wochenkommentar.
       
   IMG Bild: Händler mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern dürfen wieder öffnen
       
       Berlin taz | Den vorläufigen Schlusspunkt unter diese debattenreichen Woche
       setzte Angela Merkel am Donnerstag. Die Umsetzung der jüngsten
       Corona-Beschlüsse in den Ländern sei „in Teilen sehr forsch, um nicht zu
       sagen zu forsch“, sagte die Kanzlerin im Bundestag. Sie wiederholte damit –
       in für sie drastischen Worten – ihre Warnung, die Rückkehr Richtung
       normalen Alltag zu schnell einzuleiten. Hat sie damit auch Berlin gemeint?
       
       Am Dienstag hatte Berlin als letztes Bundesland seine Corona-Notverordnung
       überarbeitet. Danach gilt ab kommenden Montag eine Pflicht für einen
       „Mundnasenschutz“ in öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Einzelhandel darf
       bereits seit Mittwoch zu überwiegenden Teilen wieder öffnen, sogar die
       Malls. Gleiches gilt für die Zoos, allerdings ohne die Tierhäuser.
       
       SchülerInnen dürfen (oder müssen, je nach Sichtweise) nach und nach zurück
       in die Schule, als Erstes die ZehntklässlerInnen bereits am kommenden
       Montag (und damit vor der Bund-Länder-Deadline am 4. Mai). Ab dem 4. Mai
       schließlich können Museen, Bibliotheken und sogar Gotteshäuser für
       Predigten wieder öffnen. Die Theater hingegen bleiben bis Ende dieser
       Spielzeit dicht, Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 TeilnehmerInnen
       wird es gar vor Mitte Oktober nicht geben.
       
       Verbunden wurden die Lockerungen mit vielen Warnungen, etwa von
       Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), jetzt nicht exzessiv shoppen zu
       gehen, sondern weiterhin nur zu kaufen, was wirklich nötig ist. Offenbar
       ist die Angst groß, dass es zu Massenaufläufen in Einkaufszentren kommt.
       Bisher unbegründet: Am Mittwoch herrschte in vielen Läden wenig Andrang,
       was vielleicht auch daran lag, dass in Berlin, anders als in anderen
       Bundesländern, viele Geschäfte gar nicht erst geschlossen worden waren,
       etwa Baumärkte oder Buchläden.
       
       ## Je ein Kunde pro 20 Quadratmeter
       
       Der Vergleich von Gotteshäusern und Shoppingmalls ergibt schwer zu
       erklärende unterschiedliche Vorgaben. In Läden dürfen sich je ein Kunde pro
       20 Quadratmeter aufhalten, bei einer Höchstfläche von 800 Quadratmeter und
       immer bei Wahrung der Abstands- und Hygieneregeln, aber ohne
       vorgeschriebenen Mundschutz (anders als in den meisten anderen Ländern). In
       Gotteshäuser hingegen dürfen höchstens 50 Menschen sein, egal wie groß die
       Kirchen oder Moscheen sind.
       
       Logisch ist das nicht. In der für Religion zuständigen Kulturverwaltung
       begründet man diese Diskrepanz damit, dass eine allgemeine Regel eben nicht
       auf alle Details Rücksicht nehmen könne. Immerhin widerspricht es eher der
       Merkel’schen Kritik.
       
       Anders sieht es bei den Kitas aus. Die sollen schnell wieder umfassend
       Kinder betreuen und noch vor August in den Regelbetrieb gehen. Berlin als
       Stadtstaat habe da andere Bedürfnisse, erklärte der Regierende
       Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Dienstag. Ob sein Satz mehr ist als
       eine Ankündigung, um erschöpften Eltern kleiner Kinder ein bisschen Licht
       am Ende des Coronatunnels vorzugaukeln, müssen Müller und Bildungssenatorin
       Sandra Scheeres (SPD) erst noch beweisen. Bislang fehlen Konzepte und
       Termine, wie aus überfüllten Kitas hygienische Kleingruppen werden.
       
       Einen entscheidenden Faktor kann keine Verordnung einberechnen: das Wetter.
       Bleibt es so warm und trocken, steigt der Wunsch, sich draußen zu treffen.
       Nicht nur zu zweit, sondern ganz forsch.
       
       25 Apr 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
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