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       # taz.de -- Serie „DEUTSCHER“ bei ZDFneo: Die Rechten von nebenan
       
       > Die Miniserie erzählt von der rechtspopulistischen Bedrohung der
       > Demokratie. Leider kommt die Geschichte nicht über Klischees hinaus.
       
   IMG Bild: Die Familien Schneider und Pielcke: Szenenbild aus „DEUTSCHER“
       
       Der Außenanstrich: karminrot und himmelblau. Diese erste Kameraeinstellung,
       die beide Vorstadthäuser, die immerhin keine Doppelhaushälften sind, in
       einem Bild zeigt, soll gleich klarstellen, dass das nicht ernst gemeint
       ist. Obwohl, wenn sich die beiden Garagen in der Mitte eine Wand teilen,
       macht das die Häuser vielleicht etwa doch zu Doppelhäusern?
       
       „Hier also kommt die erste Hochrechnung: Alle früheren Volksparteien – und
       da setzt sich der Trend der letzten Jahre fort – verlieren drastisch. Eine
       Fortsetzung der bisherigen Koalition wird damit unmöglich. Stattdessen
       wird, zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik, eine Partei, die
       deutlich rechts von der Mitte steht, die Regierung stellen“, tönt der
       Radiosprecher aus dem Off.
       
       In der Schule wird die Direktorin die Lehrerkonferenz, nach erhitzter
       Diskussion, so beschließen: „Ja. Also da wir ja nun offensichtlich keinen
       anderen Lösungsansatz haben, schlage ich vor, dass wir im Interesse unserer
       immer noch demokratischen Haltung über die Idee des Schülersprechers
       abstimmen: für oder gegen die Trennung der muslimischen Schülerinnen und
       Schüler.“ Noch ein bisschen später wird sich eine Kollegin, die zuvor noch
       erbittert gegen diese Idee argumentiert hat, dafür starkmachen – sie hat
       die richtige Formel für sich gefunden: „Getrennter Unterricht für ein
       achtsameres Miteinander.“
       
       Überzeichnung ist nicht gleich Überzeichnung. Sie kann auf Verdeutlichung
       abzielen oder auf eine komische Wirkung. Sich den [1][Sport- und
       Geschichtslehrer Björn Höcke] – sein Wiedergänger wird hier gegeben von
       Christian Hockenbrink – in einer Lehrerkonferenz auszumalen, ist überhaupt
       nicht komisch. Die beiden exemplarischen Vater-Mutter-Kind-Kleinfamilien im
       roten und im blauen Haus müssen aber – wie die bunten Anstriche – unbedingt
       komisch gemeint sein, denn sonst wären die Klischees, die hier bedient
       werden, nicht besser als die Ressentiments der Rechten, gegen die sich die
       neue ZDFneo-Miniserie „DEUTSCHER“ offensichtlich positionieren will.
       
       ## „Knallköppe aus der Pampa“
       
       Die Schneiders – im linken, roten Haus – sind Akademiker, er (Felix Knopp)
       Lehrer, sie (Meike Droste) Apothekerin. Vor dem Einschlafen schmökern beide
       noch in ihren Edition-Suhrkamp-Bändchen, darunter François Julliens: „Es
       gibt keine kulturelle Identität“. Sie essen bio und echauffieren sich über
       „dieses fettige Zeug von denen“ im – rechten, blauen – Nachbarhaus.
       „Vielleicht werden jetzt endlich mal die ganzen Probleme angepackt“, freut
       sich da nebenan der selbständige Installateur mit dem proletarischen Namen
       Pielcke (Thorsten Merten, an seiner Seite: Milena Dreißig) über den
       Wahlsieg der Rechten.
       
       Menschen mit Migrationshintergrund sind für ihn schlicht „Knallköppe aus
       der Pampa“ – etwa der Arbeitskollege der Nachbarin in der Apotheke, der für
       ihn nur „der Türke“ ist, den er, abhängig von seiner Laune, auch schon mal
       „ihren Lieblingstürken“ nennt oder einfach „dieser Kanake“. Das
       „Gutmenschengelaber“ der Schneiders ist seine Sache nicht – aber das hält
       ihn nicht davon ab, dort jederzeit gutnachbarschaftlich nach dem
       Wasserdruck zu sehen. Denn, und das ist der entscheidende Punkt: er meint
       das alles – seinen Alltagsrassismus – gar nicht so. Er weiß es in seiner
       schlichten Arglosigkeit nur einfach nicht besser.
       
       Drehbuchautor Stefan Rogall ist als Verfasser zahlreicher „Tatorte“ und
       „Polizeirufe“ lange genug im Geschäft und hätte es besser wissen müssen.
       Den Versuch, ein virulentes gesellschaftliches Problem eben nicht auf die
       satirisch-komische, sondern auf die ganz ernst gemeinte, realistische Art
       anzugehen, kann man natürlich aller Ehren wert finden. Und gewiss, neben
       dem Alltagsrassismus der Pielckes gibt es bei Rogall auch den Rassismus der
       Akademiker – siehe Lehrerkonferenz. Nur dass Rogall seinen eigenen Blick
       auf die Pielckes gerade damit als ebenso von-oben-herab-dünkelhaft entlarvt
       wie den der von ihm erdachten Schneiders. Karminrot und Himmelblau erweisen
       sich am Ende auch nur als Varianten von Schwarz und Weiß.
       
       28 Apr 2020
       
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