# taz.de -- Castorf-Interview im „Spiegel“: Kammerspiel für einen Regisseur
> Theaterregisseur Frank Castorf will sich nicht die Hände waschen und ruft
> daher zur Revolution auf. Dabei hat er nur das Stück nicht verstanden.
IMG Bild: Mag plötzlich sogar Trump, weil der „aus der Reihe tanzt“: Frank Castorf
Eingesperrt in zu enge Segmente, mit der Außenwelt über Monitore
kommunizierend, produzieren wir als Event getarnte Eintönigkeit. Ohne
verbindliche Textvorlage improvisieren wir uns durch überlange Abende.
Leben wie immer in einer [1][Castorf]-Inszenierung.
Frank Castorf aber ist unzufrieden. Selber wie ein disparater Schauspieler
unter fremder Regie ratlos am Bühnenrand brabbelnd, gibt er seine
Hilflosigkeit zu Protokoll. Hinter einer Bezahlschranke weggeschlossen,
erschien am Dienstagmorgen beim [2][Spiegel ein Interview], in dem der
Regisseur sich ideell zu den Aluhüten und Rechtsradikalen gesellt, die vor
seiner früheren Spielstätte, der Volksbühne in Berlin, gegen irgendwie
alles demonstrieren.
[3][Gegen Hygienevorschriften, gegen Abstandsgebot, gegen Virologen und
besonders gegen Angela Merkel], von der Frank Castorf sich nicht sagen
lassen will, dass er sich die Hände waschen müsse. Der trotzige Ton ist
kein Versehen, ein kindlicher, fast anrührender Versuch der Provokation,
bei dem der erfahrene Regisseur jedoch nicht zu bemerken scheint, welch
überhöhte Rolle er der Kanzlerin zuweist.
Das bisweilen peinliche Wohlbehagen liberalerer Linker beim Anblick der
unaufgeregten Naturwissenschaftlerin im Kanzlerinnenamt ist nichts gegen
die bizarre Figur der verhassten Übermutter, die ihre Kritiker*innen
projizieren. Das ist doch was Spannendes, Ödipales bestimmt. Könnte sich ja
mal ein Theatermacher der Sache annehmen – aber nein, der quatscht lieber
davon, wie schwer es für ihn war, ein Fläschchen Desinfektionsmittel zu
kaufen.
## „Aus der Reihe tanzen“
Und wo Castorf schon einmal am Reden ist, darf er noch wie immer erzählen,
dass die DDR schlimm war und es außerdem eine namenlose „Krankheit“, einen
„Wahn“ gibt, der „uns“ bis nach Stalingrad geführt hätte. Castorf mag
außerdem Trump, „weil der aus der Reihe tanzt“.
Dass Politik eine Inszenierung ist, mag da herausklingen, wenn man dieses
kleine Kammerstück für einen Journalisten und einen Regisseur wohlwollend
interpretieren will. Obendrauf gibt’s noch die Kalenderweisheit, dass der
Tod zum Leben gehört. Castorf hat keine Angst davor und ruft deshalb zum
„republikanischen Widerstand“ auf. Damit er sich wieder nach einem
Suppenhuhn über die Fleischtheke beugen darf.
Verbeugung. Vorhang. Keine Pointe. Wie immer.
28 Apr 2020
## LINKS
DIR [1] /Frank-Castorfs-Judith-an-der-Volksbuehne/!5269579
DIR [2] https://www.spiegel.de/kultur/frank-castorf-ueber-angela-merkel-und-corona-moechte-mir-nicht-sagen-lassen-dass-ich-mir-die-haende-waschen-muss-a-5ff19227-383c-4168-a1da-6aef96950855
DIR [3] /Corona-und-Verschwoerungstheoretiker/!5675712
## AUTOREN
DIR Daniél Kretschmar
## TAGS
DIR Frank Castorf
DIR Theater
DIR Berliner Volksbühne
DIR Schwerpunkt Coronavirus
DIR Schorsch Kamerun
DIR Wochenkommentar
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Corona und Verschwörungstheoretiker: Mit Grundgesetz gegen den Verstand
Die Verschwörerszene will wöchentlich in Berlin demonstrieren. Die Gefahr
von Corona wird negiert, über andere Interessen wird fantasiert.
DIR Schorsch Kamerun über Theater: „Die Volksbühne ist eine Scholle“
Warum macht er ein Bauhaus-Requiem? Schorsch Kamerun über Punk sowie den
frisch berufenen Volksbühnen-Intendanten René Pollesch.
DIR Berliner Wochenkommentar II: Genugtuung für Frank Castorf
Kann Berlin sich feiern beim Theatertreffen? Drei Berliner Inszenierungen
sind dazu geladen, unter anderem Frank Castorfs „Faust“