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       # taz.de -- Strafanzeige von Linken gescheitert: Merkel musste Mord nicht verhindern
       
       > Beim US-Angriff auf den iranischen General wurde wohl Infrastruktur in
       > Ramstein genutzt. Die Bundesregierung hatte keine
       > „Erfolgsabwendungspflicht“.
       
   IMG Bild: Die Tötung Soleimanis durch die USA zu verhindern, war nicht Aufgabe der Bundesregierung
       
       Freiburg taz | Generalbundesanwalt Peter Frank leitet keine
       Mordermittlungen gegen die Bundesregierung ein. Eine Strafanzeige von acht
       Linken-Abgeordneten bleibt damit ohne Folgen. Die ablehnende Verfügung der
       Bundesanwaltschaft (BAW) liegt der taz vor.
       
       Die Strafanzeige richtete sich gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU),
       Außenminister Heiko Maas (SPD) und weitere Mitglieder der Bundesregierung.
       Sie war am 27. Februar erstattet worden. Die Abgeordneten warfen der
       Regierung vor, nicht verhindert zu haben, dass die USA den Stützpunkt
       Ramstein in Rheinland-Pfalz [1][bei der Tötung des iranischen Generals
       Quassem Soleimani] nutzte.
       
       Die Anzeige, an der mit Andrej Hunko, Hubertus Zdebel und Heike Hänsel drei
       Mitglieder des Fraktionsvorstandes beteiligt waren, hatte damals vor allem
       [2][innerhalb der Linken für Wirbel gesorgt]. Die Parteivorsitzende Katja
       Kipping distanzierte sich via Twitter: „Diese Aktionen von 8 einzelnen
       Abgeordneten halte ich für falsch. Sie war weder mit Fraktions- noch
       Parteispitze abgestimmt.“ Dabei hatte die Strafanzeige juristisch durchaus
       Substanz.
       
       Anlass der Anzeige war der US-Drohnenangriff auf den iranischen General
       Quassem Soleimani am 3. Januar. Der Angriff fand im Nachbarland Irak statt,
       dabei starben sechs weitere Menschen, auch ein unbeteiligter irakischer
       Flughafenmitarbeiter. Soleimmani galt als wichtiger Strippenzieher im Nahen
       Osten, der mit Hilfe der von ihm kommandierten Al-Kuds-Brigaden die
       iranische Expansion in der Region vorantrieb. Der Angriff wurde aber
       [3][weithin als völkerrechtswidrig eingestuft]. Er führte auch fast zu
       einem Krieg zwischen Iran und den USA. Am 8. Januar griff Iran als
       Vergeltung zwei US-Stützpunkte im Irak an.
       
       Die Linken-Abgeordneten werteten in ihrer Strafanzeige den Drohnenangriff
       als Mord. Die Tötung Soleimanis sei heimtückisch und mit gemeingefährlichen
       Mitteln erfolgt. Es habe hierfür auch keine Rechtfertigung gegeben. So habe
       es damals keinen bewaffneten Konflikt zwischen Iran und den USA gegeben,
       der eine Tötung von Kombattanten erlaubt hätte. Auch eine
       Selbstverteidigung der USA scheide als Rechtfertigung aus. Zwar behauptete
       US-Präsident Donald Trump, der den Schlag befohlen hatte, Soleimani habe
       Angriffe auf US-Botschaften geplant, konkrete Beweise hierfür blieb er aber
       schuldig.
       
       Die Abgeordneten gehen davon aus, dass Ramstein bei dem Angriff eine
       entscheidende Rolle spielte. Die USA versicherte zwar routinemäßig, in
       Ramstein würden Drohnenangriffe „weder gestartet noch gesteuert“, doch das
       ist auch nicht der Vorwurf. Vielmehr befindet sich auf dem Stützpunkt
       Ramstein eine wichtige Relaisstation. Das Signal der Drohnensteuerung kommt
       hier per Glasfaserkabel aus den USA an und wird dann per Satellit an die
       Drohne weitergeleitet.
       
       Wegen der Erdkrümmung können Drohnen im Irak nicht direkt aus den USA
       gesteuert werden. Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster ging in
       einem Urteil vom März 2019 davon aus, dass die USA für Drohnenangriffe
       „technische Einrichtungen auf der Air Base Ramstein“ nutzen. Damals ging es
       um Drohneneinsätze in Jemen.
       
       Es war auch das OVG Münster, das die Bundesregierung verpflichtete, auf
       eine völkerrechts-konforme Nutzung von Ramstein hinzuwirken. Die Linken
       beriefen sich zudem auf das Bundesverfassungsgericht, das 2018 feststellte,
       die Bundesregierung sei verpflichtet, „im eigenen Verantwortungsbereich das
       Völkerrecht durchzusetzen, wenn dritte Staaten dieses verletzen“. Dies habe
       die Bundesregierung bisher „offensichtlich unterlassen“, so die Linken in
       ihrer Strafanzeige. Deshalb hätten sich die Regierungsmitglieder wegen
       Beihilfe zum Mord durch Unterlassen strafbar gemacht.
       
       Doch die Bundesanwaltschaft teilte den Anzeigenerstattern nun mit, dass sie
       kein Ermittlungsverfahren gegen die Kanzlerin und ihre Minister einleiten
       wird. Eine Straftat durch Unterlassen komme nicht in Betracht, weil es an
       der hierfür erforderlichen „Garantenstellung“ der Regierungsmitglieder
       fehle. Die Bundesanwaltschaft legt die Karlsruher Vorgabe so aus, dass es
       der Bundesregierung vor allem verboten sei, „aktiv“ an völkerrechtswidrigen
       Handlungen anderer Staaten auf deutschem Boden mitzuwirken. Es gebe aber
       keine „Erfolgsabwendungspflicht dergestalt, dass bundesdeutsche
       Funktionsträger strafrechtlich für Völkerrechtsverstöße von Hoheitsträgern
       ausländischer Staaten einstehen müssten“.
       
       Die Anzeigenerstatter zeigten sich in einer federführend vom Abgeordneten
       Alexander Neu formulierten Stellungnahme enttäuscht. „Die
       Bundesanwaltschaft versteckt sich hinter einer für sie bequemen und
       verkürzten juristischen Sichtweise und schützt damit die verantwortlichen
       Mitglieder der Bundesregierung.“
       
       19 Apr 2020
       
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