# taz.de -- Debatte um Corona-Lockerungen: Das Seuchenparadoxon
> Merkels Warnung vor „Öffnungsdiskussionsorgien“ ist berechtigt – die
> Corona-Gefahr ist noch nicht gebannt.
IMG Bild: Auch eine Möglichkeit: Bierkästen als Hilfsmittel, um den Abstand zueinander einzuhalten
Öffnungsdiskussionsorgien – wer hätte gedacht, dass ein solches Wort zum
Sprachschatz Angela Merkels gehört? Aber es ist treffend. Die immer
lautstärkeren Stimmen für „Lockerungen“ vereinen sich zu einer bedenklichen
Kakofonie, die dem Ernst der Lage nicht gerecht wird. Das Problem ist dabei
nicht, dass neben jenen Geschäften, die ohnehin die ganze Zeit nicht
geschlossen waren, nun auch weitere wieder öffnen dürfen.
Entscheidend ist nur die Einhaltung strikter Sicherheitsstandards, wozu
neben Abstandsregeln nicht zuletzt eine Schutzmaskenpflicht gehört. Unter
dieser Maßgabe ist es auch richtig, wenn die Einschränkung von Grundrechten
schnell zurückgefahren wird, was besonders für das Demonstrationsrecht
gilt.
Ein wirkliches Problem ist hingegen, wenn über die Diskussion über die
Öffnung von diesem und jenem der trügerische Eindruck befördert wird, die
Gefahr des Coronavirus wäre gebannt. [1][Solange es keinen Impfstoff
dagegen gibt], ist sie das mitnichten. Es ist eine einfache Faustregel: Je
größer die Gefahr, dass das Gesundheitssystem kollabiert, [2][desto rigider
müssen die Gegenmaßnahmen ausfallen] – um zu retten, was noch zu retten
ist.
Ein Blick nach Italien, Spanien, Frankreich oder Großbritannien dürfte
eigentlich reichen, um zu erkennen, was den Menschen in der Bundesrepublik
bislang erspart geblieben ist – und das gilt sowohl für die Anzahl der
Todesopfer als auch für die Einschränkung des öffentlichen Lebens.
Doch es gibt eine Art Seuchenparadoxon: Da die bisher ergriffenen Maßnahmen
zur Eindämmung offenkundig gewirkt haben, sinkt die Angst vor dem
Coronavirus und damit die Bereitschaft, jegliche Abweichungen vom
Vor-Corona-Alltag hinzunehmen. Aber das ist höchst gefährlich.
Zur Erinnerung: Die zweite Welle der Spanischen Grippe kostete weitaus mehr
Menschenleben als die erste. „Öffnungsdiskussionsorgien“ sind daher nicht
angebracht. Um gut durch die Krise zu kommen, ist es unabdingbar, sich
bewusst zu sein, dass es nach wie vor auch noch viel schlimmer kommen kann.
20 Apr 2020
## LINKS
DIR [1] /Shitstorm-nach-Corona-Vorschlag/!5677455
DIR [2] /Historiker-ueber-Demokratie-und-Corona/!5677423
## AUTOREN
DIR Pascal Beucker
## TAGS
DIR Schwerpunkt Coronavirus
DIR Schwerpunkt Angela Merkel
DIR EU-Mitgliedstaaten
DIR Bauernfrühstück
DIR Schwerpunkt Coronavirus
DIR Schwerpunkt Coronavirus
DIR Corona Live-Ticker
DIR Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Corona und die Stadt-Schwätzer: Ein bisschen Ruhe
Dieses Land scheint in den Städten überwiegend aus Virologen zu bestehen.
Gut, wenn diese nervenden Brüder und Schwestern nicht am Gartenzaun stehen.
DIR Der Einzelhandel ist wieder geöffnet: Wachgeküsst
Seit Montag stehen die Türen wieder offen. Von einem Run der Kundschaft ist
man im badischen Ettlingen aber weit entfernt.
DIR Corona-Lage in Berlin: Nur nicht zu euphorisch
Die Maßnahmen gegen Covid-19 wirkten, aber man sei nicht über den Berg,
sagt Gesundheitssenatorin Kalayci (SPD). Sie plädiert gegen schnelle
Kita-Öffnung.
DIR +++ Corona News vom 20. April +++: Die Suche nach einem Impfstoff
Weltweit wird an 79 Impfstoffen gegen Covid-19 gearbeitet.
Telefonkrankschreibung in Deutschland weiter möglich. Nachrichten zum
Coronavirus im Live-Ticker.
DIR In Berlin haben auch die Baumärkte auf: Ein Stück Normalität
Viele Berliner scheinen derzeit zu renovieren. Doch im Gegensatz zu den
Supermärkten geht es in den Baumärkten gelassener zu. Eine Momentaufnahme.